Aus in Burgkirchen bis 2025?
Tausende Arbeitsplätze in Gefahr: Wie 3M auf den Dyneon-Rettungsplan reagiert und was jetzt droht
Der US-Konzern 3M möchte bis 2025 die Fluorpolymer-Produktion in Burgkirchen ein für allemal schließen – und hat sich jetzt zum Rettungsplan geäußert. Die Aussagen haben drastische Folgen für Mitarbeiter, Burgkirchen, die Region, Verbraucher und Kranke.
Burgkirchen – Es bleibt dabei: Der US-Chemiekonzern 3M hält am Aus der Produktion von Fluorpolymeren im Chemiepark Gendorf bis 2025. Die Amerikaner gaben dem Rettungsplan von Altöttings Landrat Erwin Schneider (CSU) und des Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer (CSU) jetzt den Todesstoß.
Im März hatten Schneider und Mayer der 3M-Konzernspitze vorgeschlagen, eine Stiftung zu gründen, die die Produktionsanlagen übernimmt und die Arbeitsplätze erhält. Das hat 3M am Donnerstag endgültig zurückgewiesen, da „eine Fortführung des Betriebs in Gendorf durch 3M oder einen Dritten nicht mit unserem geplanten Ausstieg aus der PFAS-Produktion übereinstimmt.“
„Entscheidung wird nicht spurlos an unserer Region vorübergehen“
„Das nun beschlossene Aus trifft den hiesigen Chemiepark, das bayerische Chemiedreieck und vor allem auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie deren Familien schwer. Diese Entscheidung wird nicht spurlos an unserer Region vorübergehen“, erklärt Ingrid Obermeier-Osl, Vize-Präsidentin der IHK München-Oberbayern, aus Schwindegg. Bei Dyneon und den direkten Zulieferern sind bis zu 1.000 Arbeitsplätze bedroht. Die Chemie-Gewerkschaft IG BCE spricht mit Blick auf die Kunden und Lieferanten vor Ort sogar von bis zu 10.000 Arbeitsplätzen.
Die Stiftung sollte von 3M auch eine Einmalzahlung für die Entsorgung der Altlasten bekommen, um die sich dann die Stiftung gekümmert hätte. Trotz der Absage an die Stiftung steht 3M nach eigenen Angaben dazu, „seine Verpflichtungen zur Sanierung von PFOA im Landkreis Altötting erfüllen.“ Dazu gehört laut 3M auch die Erarbeitung eines Bodenmanagement-Konzeptes mit den Behörden. Eine Machbarkeitsstudie sei in Arbeit, die Grundlage für weitere Entscheidungen zur Bodennutzung und -entsorgung sein soll. Über die konkrete Zusammenarbeit hat sich das Landratsamt Altötting auf Nachfrage bisher nicht genauer geäußert. Stephan Mayer zeigte sich enttäuscht und forderte, 3M dürfe sich hinsichtlich der Altlasten „nicht feige in die Büsche schlagen“.
„Der Konzern widerspricht sich“
Die IG BCE hatte den Vorschlag einer Stiftung von Beginn an kritisch gesehen, weil 3M sich laut der Gewerkschaft dadurch womöglich zu einfach von einer Lösung der Altlastenproblematik hätte verabschieden können: dank Kritikern der Externalitäten der Fluorpolymer-Produktion in Gendorf, wie beispielsweise der Bürgerinitiative Netzwerk Trinkwasser (BINT), steht nämlich seit einigen Jahren fest, dass Böden und Trinkwasser im Nachbarlandkreis stellen- respektive zeitweise mit PFAS-Stoffen kontaminiert sind. „Das ist ein unverständliches und enttäuschendes Signal aus den USA!“, erklärt IG BCE-Sprecherin Susanne Prause. Aus der Sicht der für Dyneon zuständigen Gewerkschafterin habe der Konzern zudem im Dezember noch bestritten, dass der geplante Ausstieg aus der Fluorpolymer-Produktion mit den derzeit in der EU und in den USA diskutierten Verboten von PFAS zusammenhängt: „Wie sich gestern herausgestellt hat, widerspricht sich der Konzern jetzt“, so Susanne Prause.
Dies bestätigt auch der Vorsitzende des Dyneon-Betriebsrats: „Bei der Betriebsversammlung am Donnerstag war es proppenvoll“, erinnert sich Peter Engel. Dabei wurden der Belegschaft unter anderem das überarbeitete Freiwilligenprogramm des Konzerns vorgestellt, wonach Mitarbeiter je nach Länge der Betriebszugehörigkeit und Gehaltsstufe eine Abfindung erhalten sollen, wenn sie freiwillig aus dem Unternehmen ausscheiden. Zusätzlich handelte der Betriebsrat aus, dass es für diejenigen, die bis zum geplanten Produktionsende 2025 bleiben, fünf Monatslöhne extra geben wird. Mit maximal 157 Millionen Euro an zusätzlichen Personalkosten rechnet das Unternehmen durch diese Angebote; das sind etwa zehn Prozent eines Jahresumsatzes (rund 1,5 Milliarden Euro) und rund vier Prozent des Gesamtumsatzes von 3M.
Staunen über verhaltene Reaktionen der Politik
In der EU werden jährlich etwa 50.000 Tonnen Fluorpolymere in verschiedensten Bereichen benötigt. Das reicht von der Automobilproduktion über medizinische Hilfsmittel bis hin zu Medikamenten. Dyneon liefert etwa 40 Prozent dieses Bedarfs. „Deswegen bin ich erstaunt, dass unsere Politik hier so verhalten reagiert!“, erklärt der Sprecher von ChemDelta Bavaria, Dr. Bernhard Langhammer. Für ihn steht fest, dass die PFAS-Produktgruppe weltweit zweifellos weiter produziert werde, nicht zuletzt, weil der Bedarf an Fluorpolymeren künftig steige. In den Standort in Gendorf seien in den letzten Jahrzehnten auch Steuergelder geflossen, beispielsweise in die weltweit erste Recyclinganlage für Fluorpolymere, an deren Errichtung sich das Bundesforschungsministerium beteiligt hatte. Das Ende der Produktion in Gendorf münde nicht nur in einer größeren Abhängigkeit Europas, sondern auch in weltweiten Lieferengpässen und höheren Preisen.
Steigende Preise befürchtet – auch für die Kranken
Diese Preissteigerungen könnten auch die Kranken treffen, wie Melanie Wolf, Sprecherin von W.L.Gore&Associates, erklärt. Ihr Unternehmen ist das jüngste Unternehmen im Chemiepark Gendorf und hat hier im vergangenen Jahr sechs Millionen Euro investiert. „Meine Firma nutzt Fluorpolymere wie zum Beispiel PTFE, das beispielsweise für Stents, Bypässe und Prothesen gebraucht wird“, so Wolf. Es müsse stärker differenziert werden. „Unter PFAS sind ja tausende verschiedener Stoffe zusammengefasst, von denen nicht alle die gleichen Eigenschaften haben“, erklärt sie und beruft sich auf die OECD.
Mit dem Aus von Dyneon können sich die Weltmarktpreise verändern. Können zum Beispiel Fluorpolymere nicht mehr eingesetzt werden, wird die Vielfalt der Behandlungsmöglichkeiten für Patienten abnehmen.