Konzert-Tour durch Deutschland und Österreich
Urvater des Reggae zu Gast in Burghausen: Stranger Cole im exklusiven Interview
Es sind die Vierzigerjahre. In Jamaika wird ein Junge geboren. Die Eltern sind verwundert, denn er scheint niemandem in der Familie Cole ähnlich zu sehen. Daher setzt sich nicht sein eigentlicher Name „Wilburn Theodore“ durch, sondern „Stranger“, also Fremder. Was wie der Einstieg in einen Roman klingt, ist die Geburtsstunde eines der Urväter des Reggae: Stranger Cole.
Burghausen/Eggenfelden - Wer die Musiklegende in Deutschland trifft, bemerkt einen Unterschied zu den Fotos, die so zahlreich im Internet zu finden sind. Stranger Cole mag wohl einen seiner markanten Anzüge tragen, doch kann man diesen kaum sehen. Denn in Deutschland bewegt er sich eigentlich ausschließlich in dicken Anoraks. Für einen Jamaikaner ist es hier einfach zu kalt. Ich treffe den Musiker im Wohnzimmer des Eggenfeldeners Albert Akbaba, einem langjährigen Weggefährten und ehemaligen Musiker der Steadytones. Selbst hier trägt Stranger eine dicke Jacke.
Auf Konzerten verhält sich dies jedoch etwas anders. Denn wenn er dann zu singen und zu tanzen beginnt, dann heizt er ein. Nicht nur sich, sondern auch allen Zuhörern. Seit den frühen Sechzigerjahren steht Stranger auf der Bühne und hat dadurch jeden Wandel des Reggae miterlebt. „Von den Tages des Ska, zum Rocksteady, zum Reggae, jetzt Dancehall. Für mich hat es jetzt den Punkt erreicht, wo es sein soll, mit dem Dancehall, wie man es nennt“, erzählt er. „Für mich fühlt es sich so an, als ob es jetzt am Ende des Regenbogens angekommen wäre. Es gibt nichts mehr, wo es sich hin entwickeln könnte.“
Kreative Energie als Lebensantrieb
Dabei blickt die Reggae-Legende auch im Bereich der technischen Umsetzung auf eine bewegte Geschichte zurück. Früher konnte man nicht auf vielen Spuren jedes Instrument separat aufzeichnen. Man musste im Studio „perfekt“ sein, wie er sagt. „Das ist eine der größten Veränderungen, die ich erlebt habe.“
Obwohl er schon auf die 80 zugeht, hat er noch lange nicht genug von der Musik. „Ja, ich habe immer neue Sachen in Arbeit. Eine ist die jüngste 45er Scheibe „Rude Boy“. Und ich habe eine EP mit dem Titel „More Life“, zusammen mit den Steadytones“, erzählt er stolz. „Es läuft gut, ich habe immer neue Musik und weitere ist in Planung.“ Ja, Stranger Cole sprüht vor Energie und Ideenreichtum. Dabei darf es durchaus auch politisch werden.
Das Volk muss offenbar die Welt wieder übernehmen
In seiner aktuellen Scheibe „Rude Boy“ zum Beispiel widmet er sich der Unzufriedenheit mit den Regierenden. „Es geht darum, wie die Menschen die Macht übernehmen. Deshalb nenne ich sie „Rude Boy“. Weil es in den Regierungen einfach nicht gut läuft“, erzählt er und hat gleich eine Lösung parat: „Das Volk muss offenbar die Welt wieder übernehmen, muss sie einigen dieser Typen wieder abnehmen.“
Einen Nachmittag mit Stranger Cole zu verbringen, ist ein wahres Erlebnis. Der Urvater des Reggae ist nicht nur ein genialer Sänger und Musiker, nein, vor allem ist er ein durch und durch sympathischer Mensch.
Weitere Informationen zu Auftritten und Musik, auch in Zusammenarbeit mit den Steadytones, findest Du auf der Website der Band.
ar