Interview zu Wolfssichtungen
Psychotherapeutin Hendrix: Wölfe verursachen „seelische und finanzielle Dramen“ bei Tierhaltern
Hier wird ein Reh gerissen, dort ein Wolf gesichtet. Immer wieder gehen solche Meldungen durch die Medien. Vielerorts sucht man nach Lösungen, um Nutztiere vor dem Wolf zu schützen. Doch was macht alle das mit den Betroffenen, mit Landwirten etwa? Darüber haben wir mit Psychotherapeutin Karen Hendrix gesprochen. Und ihre Haltung dazu ist ziemlich eindeutig.
Landkreis Altötting - Die ärztliche Psychotherapeutin Karen Hendrix hat sich auf die besonderen Belastungen von Landwirten spezialisiert. In ihrer Praxis in Egglham und im Krankenhaus Simbach am Inn, nur wenige Kilometer vom Landkreis Altötting entfernt, bietet sie Unterstützung für Bauern an. Wie sie zur Belastung der Bauern durch die Wolfsproblematik steht, hat sie detailliert geschildert.
„Ein seelisches und ein finanzielles Drama“
„Ich habe selbst Schafe, Ende Mai kommen noch Ziegen dazu“, erzählt Karen Hendrix zu Beginn des Gesprächs. „Wenn auch nur in ‚homöopathischen Mengen‘“, schmunzelt sie. Dann wird sie ernst: „Ich habe schon die ganze Zeit Angst wegen der Wölfe. Deshalb habe ich meine Tiere so konditioniert, dass sie nachts im Stall sind.“ Dies könne aber nicht jeder, denn vielfach haben die Landwirte und Schäfer einfach zu viele Tiere für eine dergestalte nächtliche Stallhaltung. „Bei vielen geht die Angst um, manche hören schon auf.“
Gerade zu offenbar bekannten Glaubenssätzen habe Hendrix eine feste Haltung, etwa dass der Wolf sich vom Menschen fern halte und Nutztiere nicht angreife. „Das ist Wunschdenken!“, so die Psychotherapeutin. Ob es so ist oder nicht, Karen Hendrix sehe in jedem Fall eine zunehmende Angst bei Tierhaltern. Doch was macht dies mit Landwirten?
„Schlaflosigkeit ist eines der Symptome. Die Bauern sind auch nachts in Gedanken bei den Tieren. Morgens haben sie dann Angst, auf die Weide zu gehen. Den Tieren könnte ja etwas zugestoßen sein.“ Doch laut der Psychotherapeutin kommen auch weitere Emotionen ins Spiel. „Manche sind verunsichert, viele ratlos. Dazu kommt noch eine ganze Menge Wut.“
Dass viele Tierhalter hier so energisch reagieren, habe seinen Grund. „98 Prozent der Landwirte lieben ihre Tiere“, schätzt sie. „Und diese Menschen leiden.“ Dann schildert sie ein für sie mögliches Szenario: „Wenn ein Wolf in eine Weide reinkommt, jagt der nicht ein Schaf, sondern vielleicht 13 oder 15 Schafe. Da stehen schwer verletzte Tiere auf der Weide und grasen, wenn der Landwirt dazukommt.“
Auch die überlebenden Tiere leiden unter dem Wolfsangriff: „Sie verändern ihr Verhalten, werden schreckhaft oder apathisch, und leiden dann unter einer tierbezogenen PTBS. Die Landwirte und Tierbesitzer sind ebenfalls schwer getroffen, für sie ist es ein seelisches und ein finanzielles Drama.“ Als Fazit fordert sie nachdrücklich: „Es muss eine Lösung her!“
ar