Neues Leben im Familienzentrum?
Premiere im Landkreis Mühldorf: So will Haag das Problem mit der Kinderbetreuung lösen
Was wird aus der Großtagespflege und dem Familienzentrum in Haag? Nachdem der Verein die Einrichtung im September geschlossen hat, gibt es jetzt ein neues Konzept vom BRK. Eine Premiere im Landkreis Mühldorf. So sehen die Pläne aus.
Haag – Es ist ein echtes Novum im Landkreis Mühldorf: Das BRK will in Haag eine Großtagespflege betreiben. Konkret soll diese in der Mühlstraße 1 eröffnet beziehungsweise wiedereröffnet werden, denn dort befand sich bis September das Familienzentrum.
Die Pläne für die neue Großtagespflege stellten der BRK-Kreisverband Mühldorf, vertreten durch Georg Huber, Erster Vorsitzender und ehemaliger Landrat, Marco Laner, Kreisgeschäftsführer, und Christina Müller, Sozialpädagogin und Referentin für Wohlfahrts- und Sozialarbeit, in der jüngsten Sitzung des Haager Marktgemeinderats vor.
In dem Gebäude in der Mühlstraße sollen zwei Einrichtungen entstehen, erklärte Müller. „Im ersten Stock gibt es Betreuung für insgesamt zehn Heranwachsende. Dort werden eine pädagogische Kraft und eine Tagesmutter angestellt. So kommen fünf Kinder im Alter zwischen ein bis drei Jahren auf zwei Mitarbeiter“, erklärte die Referentin. Die Großtagespflege öffne montags bis freitags von 7.30 bis 13.30 Uhr, insgesamt also 30 Stunden. Jedes Kind müsse für mindestens 25 Stunden in der Woche angemeldet werden. Es gebe Frühstück und Mittagessen für die Kids, das möglichst aus regionalen Produkten bestehe und bei dessen Zubereitung die Kinder mithelfen dürfen, so Müller. Die Öffnungszeiten würden sich an die vom ehemaligen Familienzentrum anlehnen. Sollte mehr Bedarf bestehen, könne das BRK die Zeiten eventuell ausweiten, ergänzte Laner.
Kaffeenachmittage und Kochabende
Im Erdgeschoss soll wie vorher wieder ein Familienzentrum etabliert werden, erklärte Müller weiter. Hier könnte sich der Träger unterschiedliche Aktivitäten vorstellen, wie eine Mutter-Vater-Kind-Gruppe, Kaffeenachmittage oder Kochabende. „Es ist ein offener Raum für die ganze Gemeinde, der von Ehrenamtlichen betrieben wird. Es wird also so ähnlich sein wie vorher“, erläuterte die Pädagogin weiter.
„Das BRK ist jedem bekannt, aber vielleicht nicht unbedingt als Träger einer Kita“, so Laner. „Wir betreiben über 330 Betreuungseinrichtungen, unter anderem im Landkreis Rosenheim und Altötting. Wir sind kein kommunaler oder konfessioneller Träger, sondern neutral. Nun wollen wir im Landkreis Mühldorf die Tagespflege als Pilotprojekt etablieren. Wenn es klappt, könnten wir uns vorstellen, weitere Einrichtungen im Landkreis zu eröffnen“, erklärte der Kreisgeschäftsführer.
„Unser Konzept fußt auf der Zusammenarbeit mit der Marktgemeinde“, verdeutlichte Huber. „Als sozialer Träger wollen wir mitwirken und möglichst transparent arbeiten, auch was Rechnungen und Zahlen anbelangt. Wir wollen in den Dialog mit Haag treten“, so der ehemalige Landrat. Das untermauerte auch Laner noch einmal: „Wir arbeiten gemeinnützig, wir machen keinen Gewinn. Wenn wir ein Plus an Einnahmen haben, geht es an die Verwaltung zurück. Wenn ein Defizit entsteht, muss die Kommune dieses übernehmen. Wir legen den Haushalt, den Jahresabschluss, jede einzelne Rechnung vor“, betonte der Kreisgeschäftsführer.
Das Konzept kam beim Gremium durchweg gut an. Bürgermeisterin Sissi Schätz (SPD) zeigte sich positiv gestimmt. Es hätte noch einen anderen Bewerber gegeben, der allerdings das Familienzentrum nicht so weiterbetreiben wollte, „wie sich das die Gemeinde vorstellt“, so die Rathauschefin. Außerdem könne so das Jugendzentrum – mit Betreuung der Heranwachsenden und Büro des Jugendpflegers Maximilian Tresp – erhalten bleiben.
Inklusiver Gedanke erwünscht
Sabine Binsteiner-Maier (SPD) befürwortete die Pläne ebenfalls. „Das Familienzentrum ist uns viel Wert, wir brauchen es. Ich finde es gut, dass ein neutraler Träger in Haag Einzug hält.. So haben die Eltern die Wahl, wo sie ihre Kinder hinbringen wollen“, sagte sie. „Aber als Mutter einer Tochter mit Behinderung habe ich diese Zielgruppe bei dem vorliegenden Konzept ein bisschen vermisst. Ich würde mir wünschen, dass der BRK in der Marktgemeinde eine integrative Gruppe betreibt. Das Personal sollte gleich zu Beginn dafür geschult werden. Wenn Sie als Verantwortliche Inklusion von vornherein mit einbeziehen, dann setzt das ein Zeichen. Barrieren entstehen im Kopf“, wandte sich Binsteiner-Maier an die Vertreter des BRK-Kreisverbands.
Huber meinte, dass noch nicht klar sei, wie sich die Betreuungseinheiten zusammensetzen würden. „Wir müssen erst das Personal akquirieren. Danach können wir möglicherweise eine inklusive Gruppe bilden.“ Ein weiteres Problem: Die Großtagespflege befinde sich im ersten Stock, so der Vorsitzende. „Es gibt auch von staatlicher Seite her bestimmte Forderungen, wenn ein Kind mit Behinderung die Betreuungseinrichtung besucht.“ Trotzdem stimmte Huber der Idee von Binsteiner-Maier grundsätzlich zu. „Das ist der richtige Ansatz. Man sollte Kinder mit Behinderung von Anfang an berücksichtigen“, so der ehemalige Landrat.
Sicherer Arbeitsplatz für Mitarbeiter
Ein weiterer Punkt, der im Gremium diskutiert wurde, war die Vertragslaufzeit für die Einrichtung. Im Konzept sei „auf unbestimmte Zeit“ festgehalten und dass sich der Vertrag automatisch um ein Jahr verlängern würde. Laner merkte an, dass er „am liebsten“ eine Entfristung hätte. „Wir haben Fachkräftemangel und wollen unseren Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz bieten. Das würde uns sehr entgegenkommen“, erklärte der Kreisgeschäftsführer. Thomas Eberharter (CSU) befand das Konzept ebenfalls für „klasse“. Er wollte wissen, ab wann das BRK in Haag starten könnte. „Möglichst bald“, meinte Laner. „Wenn alles gut läuft, vielleicht noch vor dem 1. Januar 2024“.
Die Finanzierung der Einrichtung sei wie folgt vorgesehen: Es gebe eine Förderung vom Bayerischen Kinderbildungs- und betreuungsgesetz (BayKiBiG) und die Marktgemeinde erbringe eine Leistung in gleicher Höhe an den Träger. Außerdem erhalte das BRK Tagespflegeentgelt, das vom Landkreis Mühldorf übernommen werde. Die Einrichtungs- und Ausstattungskosten trage die Gemeinde. Weiter müsse zwischen dem Träger und der Kommune ein Vertrag abgeschlossen werden, über „vorstehend nicht gedeckte Kosten“, teilt die Verwaltung mit.
Der Marktgemeinderat unterstützt die Errichtung einer Großtagespflege durch den BRK-Kreisverband Mühldorf in den Räumen der Mühlstraße 1. Er stellt eine Finanzierungsbeteiligung und den Abschluss einer Defizitvereinbarung zur Tragung der ungedeckten Kosten über den gesetzlichen Förderanspruch hinaus in Aussicht. Der Beschluss dazu fiel einstimmig.