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Haager Rat hat ein schlechtes Gewissen

„Eine halbe Million?“ Sanierung des Rathaussaals in Haag sorgt für Protest – so geht es weiter

Der Sitzungssaal im Haager Rathaus soll saniert werden.
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Der Sitzungssaal im Haager Rathaus soll saniert werden.

Die Sanierung des Rathaussaals in Haag wird teurer als der Bau eines Einfamilienhauses: Das geht gar nicht, hieß es im Gemeinderat Haag. Ist die Investition total überzogen oder vielleicht doch angemessen? Über eine emotionale Debatte, geprägt von Fassungslosigkeit und Protest.

Haag – Lange Diskussionen gab es in der jüngsten Sitzung des Haager Gemeinderats. Aber nicht, wie erwartet, wegen des Masterplans zur Umgestaltung der Ortsmitte, sondern wegen der Sanierung des Rathaussaals. Zu diesem Tagesordnungspunkt war Susanne Habenicht vom gleichnamigen Architekturbüro anwesend, um dem Gremium die Pläne dafür vorzustellen.

Sanierung des Sitzungssaals im Haager Rathaus

Die Architektin zeigte die „unschönen Ecken“ des Raums auf: „Der Putz fällt ab und das Lüftungssystem tut schon lange keinen Dienst mehr.“ Das neue Konzept sehe neue Raumoberflächen vor: Parkett statt Teppich, weiße Wände mit Akustikelementen und eine schallabsorbierende Decke. Die neue Lüftung, beziehungsweise Kühlung, solle einen ausreichenden Luftwechsel sicherstellen und die Beleuchtung müsse energetisch optimiert werden, so Habenicht. Des Weiteren soll moderne Medien-Technik verbaut werden, um eventuell auch Hybrid-Sitzungen zu ermöglichen. Durch eine neue Möblierung sei eine flexible Nutzung möglich und die Technik könne darin integriert werden. Kostenpunkt: Für den Vollausbau seien rund 468.000 Euro fällig, für die abgespeckte Version rund 432.000 Euro. Besonders die Lüftung schlage bei beiden Varianten mit rund 85.000 Euro deutlich zu Buche. Laut der Architektin gebe es aber „keine andere sinnvolle Lösung“.

Die Grafik zeigt zwei Varianten zur Möblierung des Haager Sitzungssaals sowie die Kostenschätzung des zuständigen Architektenbüros.

„Ein schlechtes Gewissen“

Der Gemeinderat zeigte sich von der Kostenschätzung alles andere als begeistert. „Mit einem solchen Batzen Geld baue ich ein Haus“, zeigte sich Wolfgang Obermaier (FWG) empört. „Da habe ich als Gemeinderatsmitglied ein schlechtes Gewissen, wenn wir für die Sanierung eines Raums so viel ausgeben.“ Dem schloss sich Klaus Breitreiner (CSU) an. Es sei „genau das eingetreten, was er befürchtet“ habe. „Die Sanierung des Sitzungssaals kostet mehr als ein Einfamilienhaus. Wir tagen nur zweimal im Monat darin“, kritisierte er. Er schlug vor, einen Maler zu beauftragen, neuen Boden zu verlegen, den Raum neu zu möblieren und mit Mikrofonen auszustatten. „Das ist mit Sicherheit deutlich günstiger. Bevor wir so viel Geld ausgeben, lassen wir lieber einen Aufzug im Rathaus installieren. Wir sollten schauen, dass wir wenigstens unter 300.000 Euro kommen“, forderte er. Breitreiner beanstandete zudem, dass er die Kostenschätzung der Architektin erst einen Tag zuvor erhalten habe. „Ich brauche mehr Zeit, um mir darüber Gedanken zu machen.“

Sein Parteikollege, Stefan Högenauer, sah das ähnlich. „Wir haben über die Sanierung schon einmal diskutiert, da lautete der Kostenvoranschlag rund 200.000 Euro, jetzt ist es doppelt so viel. Um das Ganze einzuordnen: Bei der Diskussion um die Anhebung der Grundsteuer ging es um weniger Geld“, erinnerte er. „Fast eine halbe Million Euro in den Sitzungssaal zu stecken, kann ich nicht mit gutem Gewissen vertreten“, so Högenauer.

„Unverhältnismäßig“

Michael Haas (CSU) schloss sich der Argumentation an: „Die Kostenschätzung ist unverhältnismäßig. Wir debattieren ewig über eine Brücke im Schwimmbad für die Kids und geben dann eine halbe Million für den Sitzungssaal aus? Wir haben genügend Meisterbetriebe im Ort, die das günstiger machen“, sagte er. Auch Egon Barlag (FWG) fand die Zahlen „sehr ernüchternd“. „Wir brauchen Beleuchtung, Elektrotechnik, Mikrofone und Schalldämmung. Aber in der Gesamtsumme kann ich nicht zustimmen. Das sollten wir uns nochmal überlegen und zu einer vernünftigen Lösung kommen.“

Habenicht erklärte, dass ein öffentliches Gebäude nicht mit einem Einfamilienhaus zu vergleichen sei – „alleine schon wegen des Brandschutzkonzeptes nicht.“ Die Kosten für das Lüftungsgerät würden bei rund 26.700 Euro liegen, dazu kämen noch der Schaltschrank mit 11.000 Euro, die Kernbohrungen, das Verlegen der Leitungen und Kanäle. „Die Summe von 85.000 Euro ist von einem erfahrenen Experten veranschlagt worden“, betonte die Architektin.

Der Sitzungssaal im Haager Rathaus soll renoviert werden.

Bürgermeisterin Sissi Schätz (SPD) argumentierte, dass der Sitzungssaal „keineswegs nur zweimal im Monat“ genutzt werde. „Dieser Raum soll zukunftsfähig gemacht werden. Zuletzt wurde hier in den 80er Jahren renoviert. Nach über 40 Jahren muss er eben saniert werden. Das geht nicht ohne Umbau für Medientechnik und Lüftung. Den Saal bei jeder Sitzung mit Mikrofonen zu verkabeln, muss ja auch immer gemacht werden“, erklärte sie. Sie fand nicht, dass der Gemeinderat „ein schlechtes Gewissen“ haben müsse. „Man muss sich ja schon schämen, wenn man diesen Raum mit Gästen oder Schulklassen betritt. Der Umbau ist für jeden Bürger nachvollziehbar“, so die Rathauschefin. Sie schlug als Alternative vor, den Einbau der Lüftungsanlage wegzulassen. „Aber nur den Teppich auszuwechseln und die Wände zu streichen, ist ja hanebüchen.“

„Dagegen weigere ich mich“

Bauamtsleiter Andreas Grundner stimmte der Bürgermeisterin zu. „Nur anpinseln und einen neuen Boden verlegen, dagegen weigere ich mich“, untermauerte er. „Dann stehen wir in fünf Jahren wieder da.“ Prinzipiell benötigt Grundner nach eigenen Angaben eine Vorgabe vom Gemeinderat, „was getan werden soll“. Die vorhandene Lüftungsanlage sei nur eine Art Ventilator, bei der Beleuchtung „ ist jahrelang nichts passiert“. Er kritisierte: „Das war meine Befürchtung. Jeder Vorschlag, den ich mache, wird negativ bewertet.“

Dr. Florian Haas (PWG) fand Grundners Aussage „unfair“. „Wenn solche Zahlen geliefert werden, ist es doch klar, dass wir dagegen sind. Wir wollen etwas Modernes, aber zu nachvollziehbaren Preisen. Uns jetzt zu sagen: Wir sollen entscheiden, was wir wollen, finde ich nicht in Ordnung. Da wird uns nur der Schwarze Peter zugeschoben“, kritisierte er. „Die Marktgemeinde hat große Pläne, unter anderem den Zehentstadel. Die Kosten für den Sitzungssaal sind einfach schwer zu verdauen“, erklärte er.

Diskussion vertagen

Breitreiner, der zwischenzeitlich den Antrag gestellt hatte, die Diskussion zu vertagen (mit 7:7 Stimmen abgelehnt), konstatierte: „Für mich steht und fällt das Ganze mit der Herangehensweise.“ Er schlug vor, die Sanierung „ohne Fachplaner“ zu machen. Der Bauamtsleiter meinte, dass dies zwar grundsätzlich möglich sei, dass die Kommune aber ans Vergaberecht gebunden sei. Darüber hinaus müsse die Elektro- und Medientechnik „auf alle Fälle“ fachgerecht geplant werden. Zudem müssten der Brandschutz und die Stromverteiler im Flur beachtet werden. Auch eine neue Heizung sei im Gespräch gewesen, sei aber wieder verworfen worden. „Wir haben schon einige Aspekte, auf die man verzichten kann, abgehandelt“, erklärte Grundner.

Siegfried Maier (SPD) meinte, dass er von den Kosten „nicht überrascht“ sei. Aber: „Ich habe mir von vornherein ein anderes Vorgehen gewünscht. Ich wollte, dass weitere Büros in diesen Räumlichkeiten installiert werden. Die Sitzungen des Gemeinderats sollten in den Bürgersaal ausgelagert werden“, war seine Meinung, woraufhin die Bürgermeisterin entgegnete, dass im Sitzungssaal auch Besprechungen stattfinden würden. „Bei größeren Zusammenkünften können wir dann auch in den Zehentstadel ausweichen“, so Schätz. Schließlich kam der Gemeinderat zu der Entscheidung, den Tagesordnungspunkt noch einmal zu vertagen. Der Beschluss fiel mit 7:6 Stimmen.

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