„Wie eine Katze habe ich neun Leben“
Von Gipfelglück und Todesgefahr: Haager Karl Köstler „extrem unterwegs“ – früher auch „illegal“
Von waghalsigen Klettertouren bis zu gefährlichen Abfahrten mit dem Bike: Karl Köstler aus Haag hat in seinem Leben als Extremsportler schon öfter dem Tod ins Gesicht geblickt. Warum der Mitbegründer des Stampfl Berglaufs von einer „Armada von Schutzengeln“ spricht und so manche Kraxel-Aktion die Polizei auf den Plan gerufen hat.
Haag – Klettern, Berglaufen, Skitouren, Mountainbike, Rennrad sowie E-Bike fahren: Karl Köstler, Vorsitzender des SC Haags, ist praktisch schon sein ganzes Leben lang sportlich unterwegs. „Heute aber eher altersgerecht“, sagt der 65-Jährige lachend. Köstler war als Kind immer gerne draußen unterwegs. „Schon als kleiner Bub bin ich im Wald von Haag nach Maitenbeth gewandert“, berichtet er. Auch mit seinen Eltern war Köstler in den Bergen. Das war ihm „fast zu langweilig“. Mit Rucksack und Brotzeit bepackt lief er weit voraus und wartete am Gipfel auf die beiden.
Die Eltern erkannten den sportlichen Ehrgeiz ihres Sohnes und meldeten ihren Bub beim Deutschen Alpenverein an. Das hat sich gelohnt, seit 50 Jahren ist Köstler dort Mitglied – und hat seitdem viel erlebt. Ohne große Ausrüstung machte er seine ersten Skitouren. „Ich wusste nicht so wirklich, was das überhaupt ist. Ich bin einfach mit den anderen mitgegangen“, weiß er noch gut. Damals lautete das Motto: „Einfach runter“, wobei es ihn natürlich erstmal „sauber geschmissen“ hat, wie Köstler lachend berichtet.
Schon immer extrem unterwegs: Karl Köstler vom SC Haag auf Tour




Mit viel Humor nimmt er „seine Schandtaten“, denn beim Skitourengehen ist es nicht geblieben. Der Haager begeisterte sich fürs Klettern, fürs Extremklettern genauer gesagt. So führte ihn sein Weg zum damaligen Sportverein „Berggeier“ in Rosenheim. In einer Vierergruppe war Köstler unterwegs, darunter auch Georg Preuß, Vater von Weltmeisterbiathletin Franziska Preuß aus Albaching.
An Eisenbahnbrücken hochgehangelt
Nichts war vor ihnen als junge Männer sicher, auch die Eisenbahnbrücke in Thann-Matzbach-Haag oder die Königswarter Brücke zwischen Gars und Soyen nicht. Dort hangelten sich die vier an den Pfeilern hoch. „Es war schwer, aber es hat schon irgendwie geklappt“, meint Köstler lachend auf die Frage, ob das nicht extrem gefährlich gewesen sei. Auch die Polizei sei auf die jungen Männer aufmerksam geworden. Der Haager musste sogar ein Bußgeld wegen des Kraxelns an der Königswarter Brücke bezahlen, damals „rund 20 Mark“, weiß er noch.
Viele Berge hat Köstler bis heute bestiegen, auch fürs Eisklettern begeisterte er sich. „Richtig etwas passiert“ ist dem 65-Jährigen dabei noch nichts. „Natürlich habe ich mich mal verstiegen und plötzlich einen Salto rückwärts gemacht“, berichtet er. Er sei auch schon „20, 30 Meter“ abgestürzt. „Aber wir sind ja gesichert.“ Grundsätzlich habe er aber „immer ein gutes Gefühl“ bei allen sportlichen Aktivitäten gehabt.
Leider gelte das nicht für alle Wanderkollegen. „Beim Extremklettern passiert einfach viel“, weiß der Haager aus Erfahrung. Einige seiner Kameraden seien sogar gestorben. Auch in jungen Jahren habe er selber immer wieder „Begegnungen mit dem Tod“ erlebt. Er erinnert sich noch gut an eine Situation mit zwei seiner Freunde. „Sie wollten mich gerade abholen, waren auf dem Weg in die Diskothek“, erinnert er sich zurück. „Ich bin gerade vom Joggen nach Hause gekommen und wollte später nachkommen. Sie sind dann ohne mich los – fünf Minuten später waren beide tot“, sagt er. Bei einem schweren Verkehrsunfall seien sie auf dem Weg zum Tanzen umgekommen. Der Dritte im Wagen, ebenfalls ein Freund von Köstler, überlebte, „ist aber mittlerweile an Krebs verstorben“, bedauert er.
„Wirklich Glück gehabt“
Solche Erlebnisse hat der Haager in seinen 65 Jahren immer mal wieder erlebt. „Einmal war ich auf dem Traunstein in Österreich unterwegs, zusammen mit meinen Kindern. Beim Blick nach oben habe ich irgendetwas herunterfallen sehen und habe mich reflexartig weg gebückt. Praktisch im selben Moment ist ein großer Stein auf meine Schulter gekracht. Sekunden vorher war dort noch mein Kopf“, erzählt er. „Da habe ich wirklich Glück gehabt“.
Ein anderes Mal – Köstler war als Letzter in einer Gruppe von Bergsteigern unterwegs – seien die drei vor ihm verschüttet worden, als der Hang plötzlich abging. „Gott sei Dank waren die anderen nur teilweise begraben und konnten sich daraus wieder befreien. Danach ist uns die Lust vergangen und wir sind wieder nach Hause gefahren“, weiß er noch gut. Köstler spricht von einer ganzen „Armada an Schutzengeln“, die ihn sein Leben lang schon begleiten, „wie eine Katze habe ich neun Leben“, sagt er.
Er weiß aber auch: „Meine Mutter hat früher Todesängste ausgestanden. Mit 25 Jahren habe ich die letzte Watschn von ihr bekommen“ sagt er. Der Grund: eine unfreiwillig verlängerte Bergtour auf die Zugspitze. „Wir haben die Situation unterschätzt, standen teilweise bis zur Brust im Schnee“, weiß er noch gut. So habe die Gruppe deutlich länger gebraucht, den Gipfel zu besteigen. „Statt samstags, sind wir Sonntagabend erst zurückgekommen. Meiner Mutter habe ich nicht Bescheid gesagt, Handy gab es damals auch noch nicht. Das fand sie gar nicht lustig und so hat es erstmal geschallt, als ich wieder zu Hause war“, sagt er herzhaft lachend. Trotzdem habe sie ihm einen Leitspruch mitgegeben, den er auch heute noch an seine drei Kinder vermittele: „Nicht können gibt es nicht, man muss es erst mal probieren.“
Ehrgeiz gepackt
Als er seine Frau kennenlernte, waren die „ganz extremen Zeiten“ dann auch vorbei. Köstler begeisterte sich immer mehr fürs Berglaufen. „Anfangs dachten wir, darunter auch Georg Preuß, das schaffen auch wir leicht“, sagt der Haager, als ihnen einmal eine Gruppe von Bergläufern begegnete. „Aber wir wurden eines Besseren belehrt, nach rund 300 Metern den Berg rauf, ging uns die Puste aus.“ Der Ehrgeiz packte ihn und so fing er an, dafür zu trainieren, ebenso wie Georg Preuß. Der Albachinger war von 1986 bis 1991 sogar Mitglied in der Deutschen Berglauf-Nationalmannschaft.
So entstand auch die Idee des „Stampfl Berglaufs“. Köstler und rund zehn Leute vom SC Haag riefen 1985 den regionalen Wettbewerb ins Leben. „Wir haben überlegt, wo die örtlichen Gegebenheiten bei uns im Gäu ein solches Rennen zulassen“, erklärt er die Wahl von Stampfl bei Gars, wo von weither schon die Burg Megling, umgangssprachlich auch „Stampfl-Schlössl“ genannt, zu sehen ist.
Die Veranstaltung habe bei den Leuten großen Anklang gefunden. „Früher mussten wir die Teilnehmeranzahl sogar begrenzen, weil das die Infrastruktur nicht hergegeben hat“, erklärt er. Gemeint sei eine Brücke, die die rund 400 Läufer auf ihrem Weg überqueren mussten. Mittlerweile seien es nicht mehr so viele, die dabei seien. Heuer haben sich bisher (Stand: 14. März) rund 200 Teilnehmer für die 4,2 Kilometer lange Strecke auf 200 Höhenmetern angemeldet. Der Stampfl Berglauf findet am 5. April statt. Start ist um 15 Uhr. Die Anmeldung läuft bereits. Mehr Infos unter www.stampfl-berglauf.de.


