Rundgang mit Bundespreisträger
Exklusiver Einblick: So „gigantisch“ wird im Haager Zehentstadel gewerkelt
Franz Aringer aus Kerschdorf liebt historische Gebäude. Der Ingenieur hat jüngst den Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege gewonnen. Wie seine Arbeit aussieht, erklärt er uns am Beispiel des Zehentstadels in Haag.
Haag/Eiselfing – Wenn jemand historische Gebäude liebt, dann ist das wohl Franz Aringer aus Kerschdorf bei Eiselfing. Wir treffen den Ingenieur für Holztechnik am Zehentstadel in Haag an. Dort hat Aringer mit seiner Firma „Sicherungsmaßnahmen“ vorgenommen. Wie genau diese aussehen, zeigt er uns im Inneren des Gebäudes.
Wir betreten den Westteil des Gebäudes. Aringer sieht hinauf zur Decke. „Das ist ein sehr schönes Beispiel für einen sogenannten angeschäfteten Balken“, erklärt der Fachmann die Arbeiten der Firma, die vor ihm hier war. „Hier wurde ein verfaultes Stück ausgetauscht. Das ist natürlich mit sehr viel mehr Aufwand verbunden, als den ganzen Balken auszutauschen, aber das ist eben ein denkmalgeschütztes Gebäude“, erklärt er mit Blick auf den Dachstuhl. „Jeder, der weiß, wie sowas entsteht, zieht hier seinen Hut. Das ist eine unglaubliche Aufgabe, die einzelnen Balken einzuziehen – gerade wenn man bedenkt, dass es früher kaum Hilfsmittel gab“, weiß Aringer.
Der Kern des Zehentstadels stammt aus dem Spätmittelalter, im 18. Jahrhundert wurde er erweitert, wie die Marktgemeinde Haag mitteilt. Für Aringer ist das Gebäude ein „echter Schatz“. Und bezüglich Nachhaltigkeit ein Vorzeigemodell. „Über viele Jahrhunderte hinweg wird hier CO2 gebunden. Das kann man über die wenigsten Häuser behaupten, selbst wenn sie mit den zurzeit geltenden Top-Standards gebaut werden. Bei welchem Neubau kann man davon ausgehen, dass er die nächsten 100 Jahre überdauern wird?“, sagt er.
Bauten mit Charakter
Grundsätzlich macht Aringers Firma „alles, was anfällt“. „Von der Hundehütte über die Stalltür, die zwickt, bis hin zu historischen Gebäuden wie den Zehentstadel“, erklärt er. Solche Bauten haben für ihn „einfach Charakter“. „Wenn man sich vorstellt, wie lange der Stadel hier schon steht – das ist schon gigantisch“, meint er. Deswegen könne man den Wert eines solchen Baus beziehungsweise der Sanierung „nicht aufrechnen“. „Wenn ich schon höre: ‚Ob sich das rentiert?‘ Etwas zu erhalten, muss sich nicht in Euro rentieren, aber in den meisten Fällen ist es das einfach wert, unabhängig vom Geld“, ist der Ingenieur für Holztechnik, der an der Fachhochschule in Rosenheim studiert hat, überzeugt. „Alles braucht Pflege. Wir gehen zum Friseur, ein Auto benötigt einen Ölwechsel. Wenn ein Gebäude lange leer steht und sich niemand darum kümmert, muss natürlich mehr gemacht werden“, erklärt er. „Am besten ist es, wenn das Haus bewohnt wird. Dann wird auch geheizt und es ist trocken – eine der besten Nutzungsmöglichkeiten“, weiß der Fachmann. Deswegen findet Aringer es lobenswert, dass die Marktgemeinde den Zehentstadel erhält und dort auch wieder Leben einkehren soll.
Mit seiner Firma war er vor Ort, um im Nordanbau „Sicherungsmaßnahmen“ vorzunehmen, also keine Sanierung. Einen Zugang zu diesem Teil des Gebäudes gab es vorher nicht. Es musste also erst eine Öffnung geschaffen werden, durch die Aringer – über einige Balken hinweg – hineingelangt. Es ist stockdunkel, Aringer stellt einen Baustrahler auf, der den Raum beleuchtet. Zu sehen ist ein „extrem dicke Bodendecke“, wie der Ingenieur erklärt. Diese sei im Laufe der Zeit immer wieder aufgeschüttet worden – inzwischen 0,85 Meter hoch. Mit welchem Material, das wisse heute keiner mehr. Deswegen habe die Brauerei Moy, die früher im Zehentstadel ansässig war, schwere Stahlträger ins Dachgebälk einziehen lassen, um dort die großen Tanks aufzuhängen, denn „niemand wusste, wie viele Tonnen Gewicht der Boden aushält“, erklärt Aringer.
Nun sollen die Träger entfernt werden, weswegen der Ingenieur mit seiner Firma einen sogenannten „Aussteifungsrahmen“ – schwere Balken aus Holz – rund um die Wände installiert hat. So kann nach seinen Angaben gewährleistet werden, dass die Mauern stabil bleiben, wenn die Stahlträger deinstalliert werden. Anschließend werde der Boden abgetragen. Wenn alles fertig sei, könne auch der Aussteifungsrahmen wieder abmontiert werden. Er habe also „nur einen kleinen Teil“ zur Sanierung des Zehentstadels beigetragen, sagt Aringer.
Handwerksausbildung auf hohem Niveau
Trotzdem ist ihm die Begeisterung über das Gebäude deutlich anzumerken. Für die Arbeiten, die seine Firma anbiete, brauche es übrigens keine spezielle Ausbildung, verdeutlicht er. „Die Handwerksausbildung in Bayern ist auf sehr hohem Niveau“, weiß der Fachmann. „Jeder Zimmerer oder Schreiner, der seine Ausbildung in Bayern absolviert hat, ist dazu fähig“, meint er. Der Unterschied zwischen ihm und seinen Kollegen, die hauptsächlich Neubauten erstellen würden, „spiele sich im Kopf ab“. „Wenn einer von einem alten Haus behauptet, das sei ja zum Verheizen noch zu schlecht, wie will er das Haus wieder anständig auf die Füße stellen können?“, meint er.
Der 59-Jährige hat jüngst für seine Arbeit den Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege (Technik mit Holz) erhalten. Über diese Auszeichnung freut sich Aringer sehr. Prämiert werde aber das Gebäude, in diesem Fall ein Einfirsthof bei Miesbach. Es sei der einzige Preis, von dem Aringer wisse, bei dem auch Handwerker bedacht würden, da Ehrungen meist den Bauherrn oder Architekten vorbehalten seien. Aringers Betrieb wurde mittlerweile vier Mal ausgezeichnet. Davor erhielt der Ingenieur schon Auszeichnungen für seine Arbeiten am Schloss in Weikertsham bei Wasserburg, für einen Bundwerkstadel in Zell bei Soyen und die Sanierung eines alten Wohnstallhauses bei Zwickl in St. Wolfgang.
Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege
Der Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege wird seit 1994 jährlich von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks verliehen. Der Preis soll einerseits private Denkmaleigentümer motivieren, handwerkliche Qualität und Leistung einzufordern, und andererseits das Handwerk auf das lohnende Arbeitsfeld Denkmalpflege aufmerksam machen, teilt die Deutsche Stiftung für Denkmalschutz auf ihrer Webseite mit.
Unter den ausgezeichneten Handwerksbetrieben war dieses Mal auch die in Kerschdorf ansässige Zimmerei und Schreinerei Franz Aringer - Technik mit Holz für besondere Leistungen an einem Einfirsthof bei Miesbach, so die Stiftung.






