Abschied von Schulleiter Gunter Fuchs
Pädagoge und Fridays-for-Future-Fan: Gymnasium Gars verabschiedet den „Baumeister“
Er ist Pädagoge mit Nebenjob „Baumeister“, ein Fan der Fridays-for-Future-Bewegung und Kämpfer für Weltoffenheit: Nach 40 Jahren im Schuldienst geht Gunter Fuchs, Leiter des Gymnasiums Gars, in den Ruhestand. Wie er Schüler dazu brachte, über den Tellerrand zu schauen.
Gars – Die Tür zu seinem Büro steht offen, so wie immer in den vergangenen 18 Jahren, in denen Gunter Fuchs das Gymnasium Gars geleitet hat. Er kann sich noch gut erinnern, wie es zu seiner Schulzeit war: Wenn jemand ins Rektorenzimmer musste, „bedeutete das immer, dass er einen Kopf kürzer wieder auskam“, sagt er lachend. Nicht so bei ihm: Fuchs Büro ist nicht nur eine Augenweide, weil vollgestellt mit knallbunten Keramik-Kühen und vielen Bildern an den Wänden, sondern auch die Schaltzentrale des Gymnasiums und ein Begegnungszentrum. Schüler winken im Vorbeigehen, Kollegen kommen rein auf ein kurzes Gespräch, Eltern ebenso. Fuchs nimmt sich für jeden Zeit. Bald wird er diesen Raum verlassen, bald wird es das Zimmer gar nicht mehr geben: Denn das Verwaltungsgebäude wird nach dem Umzug des Gymnasiums in den Neubau, geplant für das neue Schuljahr nach den großen Ferien, abgerissen.
Lebenswerk vollbracht
„Ich ziehe aus, die andern ziehen um und ein“, sagt Fuchs und lächelt. Wehmütig ist der 66-Jährige nicht, denn er hat nach eigenen Angaben das Gefühl, sein Lebenswerk vollbracht zu haben und geordnete Verhältnisse zu hinterlassen. Der Neubau ist fast fertig, das Jubiläum 50 Jahre Staatliches Gymnasium Gars geschafft, der Nachfolger eingearbeitet. Zwei Jahre lang hatte Julian Zwirglmaier, der selber in Gars Abitur gemacht hat, Zeit, sich in die neue Rolle einzufinden. „Bei mir waren es zwei Stunden“, berichtet Fuchs lachend. Sein Vorgänger war auf dem Sprung nach Kairo, übergab auf die Schnelle Laptop, die Kasse des Elternbeirats und einen Mandarinenbaum, das war‘s mit der Einarbeitung, erinnert sich Fuchs. Er sprang ins kalte Wasser, das so kalt für ihn gar nicht war. Denn schon am Gymnasium Wasserburg war Fuchs in der Schulleitung tätig gewesen. Von 40 Dienstjahren als Lehrer war er 29 in leitenden Funktionen. Und nicht einen einzigen Tag krank. „Entweder bin ich so robust oder es liegt daran, dass ich diesen Beruf mit großer Leidenschaft ausgeübt habe“, erklärt er.
Fuchs, dessen Eltern aus Nordrhein-Westfalen nach Bayern zogen, interessierte sich früh für Geschichte, Politik, Literatur. Deshalb die Entscheidung, Lehramt zu studieren. Nach Stationen in München und Garching kam er nach Wasserburg, 2005 als Schulleiter nach Gars. Es waren Jahre voller Veränderungen – in der Didaktik, bei den Unterrichtsstrukturen und in der Bildungspolitik. Fuchs hat sie immer aktiv mitgestaltet, schon am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) in München, wo er mitarbeitete am Zentralabitur in Deutsch, später als Fachleiter, bei der Umsetzung der Digitalisierung, der neuen Oberstufe. Viele Reformen machten und machen bis heute Sinn, sagt er, doch er musste auch Fehlentscheidungen mit „ausbaden“, so wie jene der kurzzeitigen Einführung des G 8. Zu schnell kam die Reform, zu überraschend, zu unausgereift sei sie gewesen, sagt er. Doch sein Hauptkritikpunkt ist ein anderer: das Alter der Absolventen. Ein Abiturient, der 13 Jahre zur Schule gegangen sei, sei einfach erwachsener. Das eine Jahr mache in dieser Zeitspanne des Übergangs vom Teenager zum jungen Erwachsenen viel aus.
Die Bildungslandschaft stets mitgestaltet
Die neue Oberstufe dagegen hat nach Erfahrung von Fuchs viele „Innovationen gebracht, die wirklich gut sind“: „eine stärkere Berufsorientierung“ beispielsweise durch Projekte und Praxisangebote. Was ihn noch mehr freut, ist die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. „Sie werden wieder politischer, sind interessierter und engagierter als noch vor einigen Jahren“, stellt er fest. Das sei auch eine Folge der „Fridays-for-Future“-Bewegung. Junge Leute würden heute wieder für ihre Zukunft kämpfen, hätten oft ein großes Umweltbewusstsein, würden sich für den Klimaschutz interessieren, sich einbringen, auch an der Schule, wenn es um Mülltrennung oder bewusste Ernährung gehe. Bei Klassenfahrten sei der Anteil der Vegetarier, die auf fleischloses Essen im Quartier bestehen würden, stark gestiegen, stellt er fest. Dass die „letzte Generationen“ sogar zu Aktionen wie jenen der Klimakleber greife, bewertet er jedoch als „Verzweiflungstaten“.
Gerne hat er in der Schule mit Fridays-for-Future-Demonstranten debattiert, „ich freue mich immer, wenn junge Leute über ihren eigenen Tellerrand hinausdenken“. Die Vermittlung von Weltoffenheit war Fuchs ein pädagogisches Ziel, weshalb er die vielen Austauschprogramm des Gymnasiums stark gefördert hat. Sie führen sogar bis nach China und Indien. Andere Länder und Kulturen erleben, bei Besuchen in Gastfamilien, das fördert die Persönlichkeit, „erweitert den Horizont“, davon ist er überzeugt.
Auch deshalb hat Fuchs als Schulleiter unter der Pandemie gelitten. Die eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten, die ausgefallenen Austauschprogramme: Die Corona-Zeit sei die schwerste seiner Laufbahn gewesen sagt er. 240 Elternbriefe hat Fuchs in der Pandemie geschrieben, Regelungen des Staates umgesetzt, erläutert, erklärt. „Schade, dass einige Eltern das Vertrauen in den Staat und auch in die Schule in dieser Zeit verloren haben.“ Er habe stets dafür plädiert, sich in der Corona-Krise auf die Fachleute zu verlassen, „mancher hätte von uns Schulleitern jedoch die Rolle als Widerstandskämpfe erwartet“, bedauert er.
Schwerste Zeit war die Pandemie
Das Gymnasium Gars hat die Zeit jedoch überstanden, „ohne dass wir uns aus den Augen verloren haben“, sagt Fuchs erleichtert. Für dieses Engagement erhielt die Schule sogar eine Auszeichnung. Dass dieses Kontakthalten in der Pandemie gelungen ist, liegt nach seiner Erfahrung auch am familiären Charakter der Bildungseinrichtung. Die allermeisten Eltern ständen hinter der Schule, „die Arbeit von uns Lehrern wird hier noch wertgeschätzt“.
Fuchs sieht sich nicht nur inhaltlich als Gestalter, sondern sogar wortwörtlich. Denn er hat engagiert mitplanen dürfen am Neubau für das Gymnasium Gars. Er lobt die Konzeptionierung des Landkreises Mühldorf als weitsichtig, denn schon vor der Pandemie entschlossen sich die Verantwortlichen des Sachaufwandsträgers zum Einbau von Lüftungen in jeden Raum und schon lange vor der Energiekrise für eine hochmoderne Energietechnik.. Der Neubau des Gymnasiums Gars ist das erste Passivhaus einer Schule in der Region. „Sehr spannend“ nennt Fuchs die Planung und Bauentwicklung, die er bis zum Schluss verfolgen durfte.
Auch privat ein Passivhaus gekauft
Auch privat hat Fuchs ein Passivhaus gekauft, fährt mit dem E-Auto zum Arbeitsplatz. Am 20. Juli zum letzten Mal, denn dann ist der Festakt zum Abschied. „Ich habe alles zu einem runden Ende führen können und gehe deshalb zufrieden“, sagt er. Damit er nicht ganz rauskommt aus dem Schulleben darf er nach den großen Ferien seinen sechsjährigen Enkel bei der Einschulung begleiten, berichtet er schmunzelnd. Im Ruhestand will er außerdem weiter bauen: ein Gartenhaus. Und sich um seine fünf Enkel noch intensiver kümmern.