Einblicke ins neue Schulgebäude
„Echt geil!“ – So sieht es aus im Neubau des Gymnasiums in Gars
„Wir freuen uns riesig“, sagt Schulleiter Julian Zwirglmaier. „Dieses Haus macht glücklich“, findet die Stellvertreterin Andrea Dreßel. Und die Schüler? „Echt geil“, sagen diejenigen, die den Neubau des Garser Gymnasiums vorab besichtigen durften. Einblick in die neuen „Lernlandschaften“.
Gars – Am Dienstag (12. September) ist erster Schultag. Für die Garser Gymnasiasten ein ganz besonderer Moment, denn nach zehn Jahren Zielfindung, Planung und Bau dürfen sie endlich das neue Schulhaus beziehen. Vorher bekam die Redaktion der Wasserburger Zeitung und von wasserburg24.de eine exklusive Führung – von dem Mann, der als Projektleiter den Neubau von den Anfängen bis zum Unterrichtsstart begleitet hat: Axel Kröner vom Landratsamt Mühldorf. Der Landkreis ist Träger des Gymnasiums und hat in den Neubau in Gars 35,4 Millionen Euro investiert, 8,6 Millionen Förderung gab es vom Freistaat. Die angesetzten Mittel wurden voraussichtlich eingehalten, sagt Kröner erleichtert.
Ihm ist an diesem Tag so kurz vor dem Start des Schuljahres 2023/2024 deutlich anzumerken, wie anstrengend vor allem die letzten Wochen waren. „Ja“, gibt er offen zu, „ich hatte in den Ferien so manche schlaflose Nacht. Es war Spitz auf Knopf, fast täglich wurden parallel mehrere Gewerke fertig. Mein Telefon scheppert seit Wochen fast pausenlos.“
Schlaflos in Gars
Schlaflos in Gars: Das gilt auch für das 80-köpfige Lehrerkollegium. Der Nachfolger vom in den Ruhestand verabschiedeten Schulleiter Gunter Fuchs, Julian Zwirglmaier, hat heuer nur eine Woche „richtig Urlaub“ gemacht. Die übrige Zeit verbrachte er mit der Planung des Umzugs, zuletzt mit dem Kistenschleppen. „Hochspannung“, so bringt er die Stimmung in den vergangenen zwei Wochen auf den Punkt. Sekretariat, Schulleiter- und Lehrerzimmer sind fast fertig. Die IT funktioniert. Noch wichtiger: Die startbereite Kaffeemaschine in der Lehrerküche , „Herzkammer einer jeden Schule“, wie Zwirglmaier schmunzelnd berichtet. Die Handwerker sind trotzdem noch in Aktion: Sie hämmern, bohren, malern, feilen, schleppen Kisten, Putztrupps wienern im Rekord-Tempo die großen Glasflächen und entkleiden die Treppenstufen von Schutzfolie. Es riecht nach frischer Farbe.
Blick hinter die Kulissen: So sieht es aus im Neubau des Gymnasiums Gars
Das neue Gymnasium hat ein eigenes Farbkonzept. Die drei Stockwerke erstrahlen (von unten nach oben) in Hellblau, Mittelblau und Sonnengelb. Dazu passen die Sitzmöbel in grau, grün, sogar orange. Katharina Niederbauer vom Elternbeirat probiert sie in den Räumen für die offene Ganztagsschule aus: Hier stehen die „Lümmler“, knallbunte Sessel, in denen es sich so richtig fläzen lässt. In den Fachschaftsbereichen gibt es auch Stühle, die aussehen wie Barhocker: Sie ermöglichen rückenschonende Mikro-Bewegungen. Für die Möblierung ging das Landratsamt laut Kröner einen neuen Weg: Sie wurde „konzeptionell“ ausgeschrieben, nach dem Motto: „Was müssen Lernmöbel können“. Beispielsweise sich zu Lerngruppen zusammenstellen lassen.
Frontalunterricht? Wohl eher eine Seltenheit im neuen Gymnasium
Die Tische in Trapez-Form lassen sich blitzschnell neu gruppieren. Lehrer können mit kleineren Stehtischen mitten in die Klasse fahren. Frontalunterricht? Vermutlich eher eine Seltenheit im neuen Gymnasium Gars. Hier kann ab 12. September sogar im Flur gelernt werden. Zimmer öffnen sich hierhin. Die drei Treppenhäuser sind nicht nur dazu da, hindurch zu steigen, sondern bieten Sitzecken zum Verweilen, im Optimalfall zum Lernen. Sofern sich die Schülerinnen und Schüler im zweiten und dritten Stockwerk nicht von der Traumaussicht bis zum in der Ferne grün schimmernden Inn ablenken lassen. Auf den Fluren ebenfalls viele gepolsterte Sitzecken. An den Wandflächen im Verwaltungsbereich Tafeln mit eisenhaltiger Farbe, an denen Magnete haften können, um Mitteilungen anzubringen. Schaukästen bieten Platz für Schülerobjekte. „Da bringen wir unsere ganzen Pokale der Robotics-Gruppen unter“, sagt Fuchs. Die preisgekrönten Arbeitsgemeinschaften tüfteln im neuen Unterrichtsjahr im Schülerlabor.
Zum Start ist der Zugang zum Neubau noch ein provisorischer. „Ein paar Unannehmlichkeiten“, so Dreßel, müssten Schüler und Lehrer noch hinnehmen. Die Toilettentrennwände wurden am Montagnachmittag weitgehend montiert. Der östliche Bereich im Unter- und Erdgeschoss ist noch nicht fertiggestellt und wird durch provisorische Wände vom Unterrichtsbetrieb abgetrennt. „Doch das sind Kleinigkeiten, die wir mit Gelassenheit und einer Prise Humor nehmen“, sagt Zwirglmaier. Und seine Stellvertreterin betont: „Dieses Haus ist ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk.“ Der Landkreis als Sachaufwandsträger habe viele Wünsche der Schulleitung berücksichtigt, bestätigt der im Juli in den Ruhestand verabschiedete Schulleiter Gunter Fuchs. Er musste nur aus-, nicht einziehen, wie er schmunzelnd berichtet . „Ich habe ein wenig ein schlechtes Gewissen, dass er die Früchte seiner Mitplanungsarbeit nicht mehr ernten kann“, sagt sein Nachfolger. Doch Fuchs ist anzumerken, wie glücklich er ist, dass der Neubau, auch ein stückweit sein Lebenswerk, nun fast vollendet ist.
Zehn Jahre ist dafür überlegt, geplant und gebaut worden. Zwei Mal wurde das Konzept über den Haufen geworfen, berichten Fuchs, Zwirglmaier und Kröner. Einmal fiel die überraschende Entscheidung zur Rückkehr zum G 9, dann gab es neue Herausforderungen wie die Ganztagsschule und die pädagogische Entwicklung Richtung Lernlandschaften. Der Neubau bekam ein drittes Stockwerk, im schwierigen Hanggelände mussten Pfähle zur Gründung bis zu 18 Meter tief in den Boden gerammt werden. Er ist jetzt in Bezug auf die Grundfläche 70 Prozent größer als der Altbau, auf dem sich die Abiturienten mit Graffiti austoben konnten. Dass der Landkreis als Bauherr so intensiv auf neue strukturelle Thematiken reagierte, ist auch Architekt Dr. Stefan Hajek zu verdanken. Er hat selber im Gymnasium Gars Abitur gemacht und ist heute Schülervater. Hajek weiß also, was Schüler und Lehrer brauchen: All das ist in das Grundkonzept eingeflossen. Auch die Heranwachsenden haben mitgewirkt: Damalige Achtklässler, die die Bildungsstätte bereits mit dem Abiturzeugnis verlassen haben. Eltern durften ebenfalls mitreden, bestätigt Niederbauer vom Elternbeirat.
Herz schlägt unter dem Dach
Schon lange vor Beginn der Pandemie stand laut Projektleiter Kröner für den Landkreis Mühldorf fest: Der Neubau des Gymnasiums Gars erhält eine zukunftsweisende Heizungs- und Lüftungstechnik. Ihr Herz schlägt unter dem Dach, wo gewaltige Rohre die Lüftungsanlagen auskleiden. Hier ist auch für Kröner und Simon Scheibl, Geschäftsbereichsleiter für die Kreisentwicklung und Einrichtungen im Landkreis, einer der wichtigen Plätze des neuen Gymnasiums: Von hier oben wird der Großteil der Schule mit Frischluft versorgt, gesteuert über eine zentrale Mess- und Steuerungstechnik, vollautomatisch über mehrere dezentrale und fünf zentrale Anlagen. Trotzdem. Die Garser Lehrer setzten durch, dass sie die Fenster der Zimmer noch öffnen können.
Zwirglmaier hat Verständnis: „Wenn Sie schon mal erlebt haben, wie das Raumklima nach einer Sportstunde von 30 pubertierenden Neuntklässlern ist, wissen Sie, warum.“ Der Neubau, erstes Schulhaus im Landkreis im Passivhausstandard, wird laut Kröner zu 80 Prozent über die Fenster „beheizt“. Kleine, schnell reagierende Heizkörper nehmen die Fernwärme aus Gars auf. Sensoren steuern die Lüftung und Heizung. Umso wichtiger ist im Sommer die Beschattung, ebenfalls automatisiert. Das Gymnasium ist für die Klimaerwärmung gerüstet, sogar bis ins Jahr 2050 hinein, berichtet der Projektleiter. Mit einer angenehmen Grundtemperatur in den Räumen im Winter wie im Sommer. CO2-Wert: maximal 1000 ppm. Auf dem südlichen und östlichen Blechdach wird heuer noch eine PV-Anlage errichtet, so Kröner.
Futuristischer Anblick
Beim Spaziergang durch den Neubau, von außen vor allem vom Roten Platz ausgesehen futuristisch anmutend, fällt ein mit 6,50 Metern besonders hoher Multifunktionsunerrichtsraum ins Auge. Für den pensionierten Schulleiter Fuchs und seinen Nachfolger Zwirglmaier ein Traum in Glas: Platz für knapp 200 Stühle, ein Bühnenhaus für Aufführungen, Scheinwerferanlage, Fläche für Requisiten und ein Klavier mit „Garage“. Eine Veranstaltungsraum, der den Musiksaal ersetzt. Trinkwasserbrunnen, viel Eichenholz, ein Aufzug, der sogar auf Zwischenstockwerken hält, Putzräume mit Bodenabläufen, in die das Wasser der Reinigungsmaschinen entleert werden kann, eine hochmodern mit viel Edelstahl ausgestattete Gewerbeküche für die Nachmittagsbetreuung, für die der Landkreis noch einen Caterer sucht, Sekretariat und Schulleiterzimmer im Erdgeschoss mit großen Fenstern, von außen jedoch nicht einsehbar aufgrund eines Lichtgrabens, höhenverstellbare Tische, IT-Tafeln, die so gar nichts mehr gemeinsam haben mit den früheren grünen Schieferflächen: Der Rundgang zeigt, der Neubau setzt Maßstäbe. Das Fazit der Redaktion: „Hier würden wir gerne noch mal zur Schule gehen.“
