83 Prozent wünschen sich Kurswechsel
Exklusiv! Flüchtlings-Krise: Das fordern die Top-Politiker der Region von Kanzler Scholz
Eine überwältigende Mehrheit der Bürger fordert wegen der Flüchtlings-Krise einen Kurswechsel. Im OVB-Exklusivinterview stellen die Landräte der Region knallharte Forderungen an Bundeskanzler Scholz für einen Deutschland-Pakt Migration, der am Freitag (13. Oktober) verhandelt werden soll.
Rosenheim - Daniel Wendrock fiel „die Gabel aus der Hand“, als er von der geplanten neuen Flüchtlings-Sammelunterkunft in Rott erfuhr. „Entschiedenen Widerstand“ werde seine Gemeinde leisten, so der Bürgermeister, auch juristisch. In seiner Gemeinde am Inn leben 4200 Bürger, bis zu 300 Flüchtlinge sollen in der geplanten neuen Erstaufnahme-Einrichtung des Landkreises betreut werden. Konflikte mit Einwohnern seien so „vorprogrammiert“.
Rechtsruck bei der Landtagswahl Bayern
Die Zeichen in Sachen Flüchtlings-Politik stehen in der Bevölkerung ohnehin auf Sturm. Das hat spätestens der Rechtsruck bei der Landtagswahl in Bayern am vergangenen Sonntag (8. Oktober) mit starken Zugewinnen für die AfD (4,4 Prozent) und die Freien Wähler (4,2 Prozent) bewiesen. 83 Prozent der Wahlberechtigten im Freistaat befürworten laut einer Umfrage von Infratest dimap für die ARD eine andere Asyl- und Flüchtlingspolitik, damit weniger Migranten in die Region kommen. Erste kleinere Maßnahmen hat die heftig in der Kritik stehende Ampel-Regierung bereits am Dienstag (10. Oktober) beschlossen.
Doch das soll nur der Anfang sein: Für diesen Freitagabend (13. Oktober) hat nun Bundeskanzler Olaf Scholz den CDU-Chef Friedrich Merz sowie die Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) und Stephan Weil (SPD) zu einem Spitzengespräch über einen Deutschland-Pakt geladen, der auch das Thema Migration umfassen soll. Die Landräte aus der Region sowie Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März stellen vor dem Gipfeltreffen im OVB-Exklusivinterview klare Forderungen.
Landrat Walch: „Flüchtlingspolitik schlichte Katastrophe“
„Ehrlich gesagt ist die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung eine schlichte Katastrophe. Im Grunde genommen muss man sagen, sie findet de facto nicht statt“, schimpft Traunsteins Landrat Siegfried Walch (CSU), in dessen Landkreis genau wie bei den Kollegen alle Unterbringungs-Kapazitäten komplett ausgeschöpft sind: „Wir brauchen endlich mehr Kontrolle, mehr Ordnung und natürlich auch eine Begrenzung im System. Ganz Deutschland ist längst überlastet – und all das, worüber Minister gerne philosophieren, müssen ja die Kommunen vor Ort managen. Deshalb wäre es dringend an der Zeit, dass nach vielen, vielen Monaten der Untätigkeit jetzt endlich mal gehandelt wird.
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Laut Mühldorfs Landrat Max Heimerl sei die Region „längst an der Belastungsgrenze, wenn es um die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge geht. Dass die Bundesregierung die Forderungen vor allem der Landkreise und Städte weitgehend ignoriert hat, schlägt sich nun deutlich im Wahlergebnis nieder. Wenn es noch ein letztes Signal gebraucht hat, die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in dieser Frage endlich ernst zu nehmen und die Weichen richtig zu stellen, dann dieses.“
Landrat Heimerl und Rosenheims OB März: Das muss passieren
Die von Deutschland nach langem Ringen unterstützte Reform der europäischen Außenpolitik mit schnelleren Asylverfahren an den Außengrenzen dürfe laut Heimerl nur ein erster Schritt sein, dem „schnellstmöglich weitere Taten“ folgen müssten: „Dazu zählt vor allem, dass endlich die Anreize spürbar reduziert werden: von der Wiedereinführung von Sachleistungen ohne hohen bürokratischen Aufwand bis hin zu einer klaren Regelung für abgelehnte Asylbewerber, die schneller rückgeführt werden müssen. Es ist zwingend erforderlich, dass nur noch Asylbewerber mit einer hohen Bleibeperspektive auf die Landkreise und Gemeinden verteilt werden. Dass derzeit abgelehnte Asylbewerber zudem nahezu die gleichen Leistungen beziehen wie diejenigen, die einen positiven Bescheid bekommen haben, ist ein weiterer Anreiz, den es zu korrigieren gilt.“
Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März (CSU) nennt neben der „Verringerung der Fluchtanreize“ zudem einen „verbesserten Grenzschutz“ und „eine deutliche Beschleunigung von Asylverfahren“ als wichtigste Maßnahmen.
Geldleistungen für Flüchtlinge abschaffen und kein Bürgergeld für Ukrainer
Knallharte Forderungen kamen auch von der 54. Bayerischen Landrätetagung, die am Donnerstag (12. Oktober) in Lindau zu Ende ging. Flüchtlinge ohne echte Bleibeperspektive sollen in Unterkünften untergebracht werden, die vom Bund und nicht wie üblich den Landkreisen bereitgestellt werden. „Geldleistungen müssen mit sofortiger Wirkung abgeschafft und auf das rechtlich zulässige Minimum reduziert werden“, forderte der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Thomas Karmasin, aus Fürstenfeldbruck in Lindau: „Zudem muss die Ampelregierung ihre Fehlentscheidung, Ukrainer in das System des Bürgergeldes zu holen und damit bereits wie Bürger zu behandeln, korrigieren. Es ist nicht vertretbar, trotz Flüchtlingsstatus sofort Sozialleistungen zu beziehen.“
Unisono betonen alle Top-Politiker der Region, dass man auch künftig Menschen helfen wolle, die „auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung sind“ (Walch) und berechtigt Schutz in Deutschland suchen. „Selbstverständlich sind wir bereit, Menschen in Not bei uns aufzunehmen und – wenn sie eine Bleibeperspektive haben – auch zu integrieren“, sagt Otto Lederer (CSU), Landrat des Landkreises Rosenheim im OVB-Exklusivinterview: „Aber auch unsere Ressourcen und Kapazitäten sind begrenzt. Denn zum Beispiel Wohnraum oder auch Kita-Plätze sind endlich. Damit Integration gelingen kann, dürfen wir die einheimische Bevölkerung nicht überfordern.“
Landrat Lederer: „Kommunen werden allein gelassen“
Lederer beklagt, dass die Kommunen „allein gelassen“ würden, „wohlwissend, dass der Fachkräftemangel und fehlende finanzielle Unterstützung die Probleme massiv verstärken.“ Rotts Bürgermeister Daniel Wendrock kann ein Lied davon singen. Die ohnehin dünn besetzten Ämter des Ortes könnten die Betreuung einer weiteren Flüchtlings-Unterkunft nicht stemmen. Aus der einheimischen Bevölkerung gebe es derzeit nur noch zwei länger im Ort lebende Personen, die sich um die Flüchtlinge kümmern würden, ansonsten „null Rückmeldungen“.
Das fordern die Landräte aus Altötting und dem Berchtesgadener Land
Landrat Bernhard Kern (Berchtesgadener Land/CSU): „In der Migrationspolitik sind in einigen Punkten dringend Verbesserungen notwendig. Sowohl von Seiten der Landräte als auch von den Bürgermeistern sind die entsprechenden Herausforderungen und Schwierigkeiten seit Monaten deutlich kommuniziert worden. Beispielsweise bedarf es effektiver Grenzkontrollen in Deutschland und bestenfalls im europäischen Raum. Auch eine Abkehr von Geld- zu Sachleistungen ist umzusetzen. Die Asylverfahren müssen beschleunigt werden, um Unberechtigte schnell wieder in ihr Heimatland zurückführen zu können. Schutz sollten nur diejenigen erhalten, die ihn auch tatsächlich dringend benötigen .Die Kommunen sind mit der immer weiter steigenden Zahl an Flüchtlingen zunehmend überfordert – sowohl hinsichtlich der Unterbringung der Personen als auch mit sämtlichen Folgeleistungen. Integrationsarbeit wird zunehmend erschwert, es stehen keine Schul- oder Kitaplätze mehr zur Verfügung und die Bearbeitung der Verfahren zieht sich durch die Vielzahl an Geflüchteten und die mangelnden personellen Ressourcen immer mehr in die Länge. Gerade in den Ausländerbehörden ist schon seit Monaten die Belastungsgrenze deutlich überschritten. Auch die finanzielle Unterstützung für die Kommunen lässt zu wünschen übrig und ist deutlich zu verbessern. Der Bund ist für die Aufnahme der Flüchtlinge zuständig und muss sich für eine gerechtere Verteilung in Deutschland und ganz Europa einsetzen. Daher müssen endlich die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.“
Landrat Erwin Schneider (Altötting/CSU): „Die Kommunen stehen am Rande der Belastungsgrenze oder haben diese teilweise schon überschritten. Wir fühlen uns von der Bundesregierung im Stich gelassen. Ich fordere endlich ein zügiges Handeln, was beispielsweise die Abschiebung ausreisepflichtiger Asylbewerber betrifft. Ebenso muss der Bund den Kommunen mehr finanzielle Mittel für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Hier besteht dringend Handlungsbedarf!“





