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„Flächen-Konkurrenz wird massiv kommen“

Bürgerentscheid und die Frage: Welche Gefahr droht der Landwirtschaft durch den PV-Geldregen?

PV-Anlagen (rechts/Symbol) bringen deutlich mehr Pacht-Einnahmen als Landwirtschaft.
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PV-Anlagen (rechts/Symbol) bringen deutlich mehr Pacht-Einnahmen als Landwirtschaft.

Am 6. April 2025 wird es in Übersee zum Bürgerentscheid über das umstrittene PV-Projekt am westlichen Ortsrand kommen. In der Gemeinderatssitzung wurde aber noch eine generelle Frage aufgeworfen: Wie steht es um die Zukunft der Landwirtschaft, wenn PV-Anlagen auf den Flächen in Sachen Pacht finanziell über zehnmal attraktiver sind?

Übersee - Die Zuschauerplätze in der Aula der Schule Übersee waren so prall gefüllt wie selten zuvor bei einer Gemeinderatssitzung der 5000-Einwohner-Gemeinde. Neben dem Entscheid über das Comeback des Chiemsee Reggae Summer hatte das momentan am heißesten diskutierte Thema des Ortes viele Zuhörer angelockt: Die umstrittene Photovoltaik (PV)-Anlage in der Friedhofstraße am westlichen Ortsrand. Eine Bürgerinitiative um den schärfsten Kritiker Wolfgang Wimmer hatte ein Bürgerbegehren gegen die zwölf Hektar (120.000 Quadratmeter) große Anlage angestoßen.

Solaranlage (Symbol)

974 gültige Unterschriften bestätigte Bürgermeister Herbert Strauch, deutlich mehr als die nötigen zehn Prozent der 4261 Wahlberechtigten des Ortes. Die Durchführung eines Bürgerentscheids am 6. April 2025 wurde einstimmig beschlossen. Die Diskussion im Gemeinderat machte aber deutlich, dass es beim Streit um die riesige Solarstrom-Anlage auch um die Zukunft der Landwirtschaft in der Region geht. „Wollen wir im Achental den Startschuss dafür geben, dass landwirtschaftliche Flächen im großen Maße für die Stromerzeugung genutzt werden?“, fragte Gemeinderätin Birgit Gnadl und fügte hinzu: „Der Profit sollte nicht im Vordergrund stehen.“

400 Euro für Landwirtschaft, 5000 Euro für PV

Dann nannte die Landwirtschafts-Expertin und Tierheilprakterin erstaunliche Zahlen. „400 Euro bekommt man pro Hektar, wenn man ihn landwirtschaftlich verpachtet. 5000 Euro pro Hektar bei einer Verpachtung zu PV-Zwecken“, so Gnadl. Wer 20 Hektar landwirtschaftliches Gelände für die Solarstrom-Erzeugung verpachte, könnte also 100.000 Euro jährlich kassieren. Für 30 Jahre fest. Macht stolze drei Millionen Euro. Gnadls Fazit nach der Rechnung: „Die Flächen-Konkurrenz mit PV wird massiv kommen.“

In Übersee geht es dabei um insgesamt 17 Hektar bislang landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Neben den zwölf Hektar am westlichen Ortsrand plant der Landkreis Traunstein auf der anderen Seite der Bahnstrecke München - Salzburg eine weitere PV-Anlage mit fünf Hektar Größe. Beide Anlagen sind zwar als Agri-PV-Anlagen konzipiert - das bedeutet, dass die landwirtschaftliche Nutzung weiterhin im Vordergrund vor der Stromerzeugung stehen muss. Mindestens 66 Prozent des vorherigen Ertrags müssen nach dem Aufbau der Solarpanele erreicht werden.

Übersees Bürgermeister Herbert Strauch.

Agri-PV oder nicht?

Bürgermeister Strauch versichert, dass diese Zahl bei der umstrittenen 12-Hektar-Anlage erreicht wird - schon allein deshalb, weil daran wegen der zusätzlichen Einspeisungsvergütung viel Geld hängt. Die Bürgerinitiative bezweifelt das allerdings und bezeichnet das Label „Agri-PV“ für die Überseer Anlage als „Etikettenschwindel“. Unterstützt wird diese Aussage von einer offiziellen Pressemitteilung des Amts für Landwirtschaft, Energie und Forsten (AELF) in Traunstein. Es gibt also jede Menge Streit-Potenzial in Übersee, über die bei einer am 26. Februar geplanten Infoveranstaltung im Vorfeld des Bürgerentscheids zum ersten Mal im großen Rahmen diskutiert werden soll.

Geladen sind Vertreter der Bürgerinitiative um Wimmer und die Bürger-Energiegenossenschaft Neue Energie Achental (NEA), die das Projekt umsetzen soll. „Wir fordern außerdem, dass ein Experte der AELF eingeladen wird, damit das Thema ‚Agri-PV oder nicht‘ endgültig mal von einem Experten erläutert wird. Momentan geben da einfach zu viele Nicht-Fachleute ihren Senf dazu“, sagt Wimmer dem OVB. Er ist als Anwohner auch deshalb gegen das Projekt, weil nach seiner Meinung das Thema „Natur- und Artenschutz nicht fachgerecht durchleuchtet wurde“. Die Bürgerinitiative erwägt eine Klage gegen das Projekt - egal, wie der Bürgerentscheid ausgehen sollte.

Wolfgang Wimmer, einer der Initiatoren des Bürgerentscheids gegen die Agri-PV-Anlage in Übersee.

Artenschutz als einzige Chance

Das Thema Artenschutz ist auch der einzige Hebel, mit dem das PV-Projekt am westlichen Ortstrand komplett gestoppt werden könnte. Denn selbst bei einer möglichen Ablehnung der Solarstrom-Anlage an der Friedhofstraße beim Bürgerentscheid, könnte das Projekt trotzdem auf zwei Drittel der geplanten Fläche durchgezogen werden. Die etwa acht Hektar liegen nämlich auf einer vom Baugesetzbuch privilegierten Fläche. Dort können PV-Projekte seit dem 1. Januar 2025 komplett ohne Beteiligung der betroffenen Gemeinden durchgezogen werden.

„Der Bauherr muss lediglich eine Rückbauverpflichtungserklärung bei uns einreichen und naturschutzrechtliche Belange direkt mit der Unteren Naturschutzbehörde klären“, schreibt das Landratsamt Traunstein auf Anfrage des OVB. Die Stimmungslage in Ort und Gemeinderat ist gemischt. „Wir brauchen die Energie für unser Achental“, sagt Anton Schönberger von der größeren Pro-PV-Fraktion im Gemeinderat. Birgit Gnadl hat eine andere Meinung: „PV ist generell eine gute Sache, aber man sollte es mit Augenmaß machen. Und es geht nicht gegen die Bürger, sondern nur mit den Bürgern.“

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