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Vorwürfe gegen Ortschef und Investor

Klage-Drohung: Bringt der Wiesenknopf-Ameisenbläuling Übersees PV-Projekt zu Fall?

Rechtsanwalt Benno Ziegler mit den Schautafeln zum umstrittenen PV-Projekt in Übersee.
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Rechtsanwalt Benno Ziegler mit den Schautafeln zum umstrittenen PV-Projekt in Übersee.

Nach der Übergabe von 1003 Unterschriften am Freitag (10. Januar) legt die Bürgerinitiative im Kampf gegen das Mega-PV-Projekt in Übersee nach. Das sind vor dem bevorstehenden Bürgerentscheid die neuen Vorwürfe gegen Bürgermeister, Gemeinderat und Investor.

Übersee - Rechtsanwalt Benno Ziegler verschwand fast hinter den riesigen Tafeln, die er aus München zum Pressegespräch nach Übersee mitgebracht hatte. Darauf zu sehen: Vorher-Nachher-Visualisierungen, wie die riesige Wiese am westlichen Ortsrand von Übersee nach der Errichtung einer 12-Hektar-Photovoltaik-Anlage (120.000 Quadratmeter) aussehen würde. Außerdem im Gepäck hatte er ein 37-seitiges Gutachten von RegioConsult, einer Verkehrs- und Umweltmanagement-Firma aus Marburg, in der die Defizite des Bebauungsplans aus Sicht der Kritiker untermauert wurden. Und eine klare Botschaft von Unternehmer Wolfgang Wimmer, der für Rechtsanwalt und Gutachten schon etwa 15.000 Euro bezahlt hat.

Agri-PV: Jetzt geht es ums Ganze

„Natürlich würde ich gegen alles klagen, wenn es nötig sein würde. Wir sind von unseren Argumenten überzeugt“, sagte Ziegler auf Nachfrage des OVB. Das bedeutet: Es geht jetzt um die ultimative Verhinderung des umstrittenen Projekts - unabhängig davon, wie der wohl parallel zur Bundestagswahl am 23. Februar bevorstehende Bürgerentscheid zum Thema ausgehen sollte.

Neben bekannten Argumenten wie dem Vorwurf mangelnder Informationspolitik von Bürgermeister Herbert Strauch und „Etikettenschwindel“ bei der freundlichen Betitelung als „Agri-PV“ soll vor allem der europäische Artenschutz das Projekt auf einer wunderschönen Wiesenfläche mit Blick auf den Hochfelln verhindern helfen. Als „mutmaßlich bewusst falsch“ bezeichnete Rechtsanwalt Ziegler die vom Investor, der Bürgerenergiegenossenschaft Neue Energie Achental (NEA), in Auftrag gegebene Artenschutz-Prüfung für das PV-Projekt.

Demnach wurde die streng geschützte Zauneidechse zwar im geplanten Areal nachgewiesen, jedoch die nötige Schlussfolgerung wie eine Verlegung des gesamten Projekts nicht getroffen. Zudem seien geschützte Fledermäuse auf dem Areal aktiv, trotzdem habe man es versäumt, einen „Batcorder“ aufzustellen. Damit kann anhand der Laute von Fledermäusen nachgewiesen werden, um welche Art es sich handelt. Ziegler: „Fest steht, dass keine Fledermäuse mehr fliegen, wenn dort ein Wald von Solarpanelen steht.“

Ein Schmetterling als Zünglein an der Waage?

Weiterer Vorwurf: Auf Seite 30 der artenschutzrechtlichen Prüfung des Investors findet sich ein Foto mit der rot blühenden Pflanze „Großer Wiesenknopf“. Allerdings sei es versäumt worden, zu untersuchen, ob im Juni oder Juli dort der helle und/oder dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling zu finden sei. Das ist ein nach europäischem Recht streng geschützter Schmetterling, der dort schon gesehen wurde. Der Wiesenknopf-Ameisenbläuling könnte das gesamte PV-Projekt zu Fall bringen - auch auf der vom Baugesetzbuch privilegierten Fläche im Umfeld des Damms der Eisenbahnstrecke München-Salzburg.

Was heißt privilegiert?

Übersee liegt an der Bahnstrecke München-Salzburg, in der laut Baugesetzbuch in einem 200-Meter-Korridor an übergeordneten Schienenwegen und Autobahnen die Umsetzung von Photovoltaik-Anlagen vereinfacht ist. Das hat dazu geführt, dass die Chiemgau GmbH des Landkreises eine weitere Photovoltaik-Anlage in Übersee mit etwa fünf Hektar (50.000 Quadratmeter) Fläche errichten will.

„Auch auf privilegierten Flächen muss man sich an den Natur- und Artenschutz halten, sind Vorhaben unzulässig, die das Orts- und Landschaftsbild verunstalten“, so Ziegler. Genau das sehen die Gegner des PV-Projekts als gegeben an und werfen dem Bürgermeister und den Gemeinderäten von Übersee sogar „Schizophrenie“ vor.

Auf dieser Wiese mit traumhaften Blick auf die Berge soll das große PV-Projekt in Übersee entstehen.

„Auf der einen Seite wird Übersee von der Gemeinde als Blumendorf und zurecht als eines der schönsten Dörfer im Chiemgau bezeichnet. Deshalb sind in der neuen Ortssatzung sogar Balkonkraftwerke verboten, um das Ortsbild zu schützen“, so Ziegler: „Auf der anderen Seite will man die riesige PV-Anlage bauen und das wertvolle Landschaftsbild zerstören. Soll aus dem Blumendorf ein Solarpanelen-Ort werden?“

Die Befürworter des Projekts von der NEA sehen das naturgemäß ganz anders: „Das Vorhaben wertet die Fläche auf, die Artenvielfalt auf der Fläche wird durch die geplante Eingrünung und die Beweidung erheblich gesteigert und das, ohne die Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung zu entziehen.“ Auch das wird jedoch im Gutachten der Kritiker bezweifelt: Die für eine Bezeichnung als Agri-PV nötigen 66 Prozent des bisherigen landwirtschaftlichen Ertrags - und die damit verbundene Einspeisevergütung für den Solarstrom - seien schon deshalb schwer erreichbar, weil die Solarpanele die für das Graswachstum nötige Sonne verhindern würden.

„Gemeinderäte für blöd verkauft“?

Mit all diesen Informationen, den großen Schautaufeln und Rechtsanwalt Ziegler im Schlepptau marschierte Bürgerbegehrens-Initiator Wimmer am Montag zu Bürgermeister Herbert Strauch. Die Forderung: „Ziehen Sie die Notbremse. Die Gemeinderäte wurden für blöd verkauft. Erhalten sie den westlichen Ortseingang von Übersee und verunstalten sie ihn nicht durch eine PV-Anlage.“ Süffisant wurde zudem auf die im März 2026 anstehende Bürgermeisterwahl verwiesen. Wenn Strauch Ortschef bleiben wolle, müsse er nach Meinung der PV-Kritiker das Projekt komplett beerdigen.

Unternehmer Wimmer hatte am Freitag (10. Dezember) 1003 Unterschriften eines Bürgerbegehrens gegen die „Agri-PV-Anlage“ in der Friedhofstraße im Rathaus beim Ortschef übergeben. Damit werden bei einer Einwohnerzahl von gut 5000 in Übersee die für die Durchführung eines Bürgerentscheids nötigen zehn Prozent der wahlberechtigten Einwohner weit überschritten.

Einlenken oder Gericht

Bürgermeister Strauch hatte jedoch gelassen darauf reagiert und im Fall eines „Nein“ im Bürgerentscheid angekündigt, das PV-Projekt mit der NEA möglicherweise trotzdem durchziehen zu wollen. „Dann bauen wir halt nur auf der privilegierten Fläche von etwa 8 statt 12 Hektar“, so Strauch zum OVB. Falls er bei dieser Meinung bleibt, wird das Thema wohl vor Gericht geklärt werden.

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