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Neue Details zur Flucht am Wochenende

So flüchtete der Bernauer JVA-Häftling aus der Klinik Traunstein - droht ihm nun noch mehr Knast?

Ein Gefängnis aus der Luft fotografiert. Vor einem Krankenhaus laufen Menschen auf einem Vorplatz. Ein Polizist mit Handschellen steht vor einem Polizeiauto.
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Der Mann nutzte einen „günstigen Moment“ im Traunsteiner Krankenhaus, in dem er eigentlich operiert werden sollte, um zu flüchten.

Auch wenn die Flucht des Bernauer JVA-Häftlings am Wochenende ein schnelles und kurioses Ende in der Rosenheimer Innenstadt gefunden hat, bleibt eine Frage offen: Wie konnte der Mann überhaupt aus der Klinik fliehen, obwohl er bewacht wurde? Bernaus Anstaltsleiter Jürgen Burghardt schildert unter anderem, wieso der Häftling in das Krankenhaus Traunstein eingeliefert wurde und warum er flüchten konnte.

Traunstein/Bernau/Rosenheim - Mit Crocs-Schuhen, einer kurzen Hose, Cappy und auf dem Fahrrad durch Rosenheim radelnd: So ist der JVA-Häftling nach seiner Flucht aus einem Krankenhaus in Traunstein ausgerechnet von einem Polizisten in seiner Freizeit am Sonntagnachmittag entdeckt und verhaftet worden - inklusive einer kleinen „Verfolgungsjagd“ mit dem Motorrad. Dass der Mann in Bernau wegen Eigentumsdelikten inhaftiert war - und wieder ist -, bestätigt Jürgen Burghardt. „Der Gefangene befindet sich dort seit Ende Februar 2024“, teilt der Leiter der JVA mit. „Das Strafende datiert derzeit auf Mitte 2026.“

Wie Burghardt schildert, wurde der 35-Jährige am Freitagabend (30. Mai) wegen einer Schnittverletzung am Oberschenkel in das Traunsteiner Krankenhaus gebracht. Die Polizei hatte am Wochenende von einer „akuten Verletzung“ gesprochen und erwähnt, dass der Häftling deshalb operiert werden sollte. „Den Vorgaben entsprechend wurde der Gefangene von einem Bediensteten bewacht. Krankenhausbewachungen werden in einem Schichtsystem, also im regelmäßigen Wechsel der Bediensteten, durchgeführt“, so der Leiter.

Über die Notaufnahme ins Freie

„Nach derzeitigem Kenntnisstand ist es dem Gefangenen während einer kurzfristigen Abwesenheit des Beamten vom Behandlungszimmer gelungen, das Zimmer zu verlassen“, sagt Burghardt. Den Schilderungen der Polizei vom Wochenende war zu entnehmen, dass der Mann nach diesem „günstigen Moment“ über die Notaufnahme und einen Baustellen-Hügel am Gebäude ins Freie geflüchtet war.

Der Anstaltsleiter verweist darauf, dass die Aufarbeitung des Vorfalls andauert und bittet um Verständnis dafür, „dass ich vor diesem Hintergrund keine weiteren Details zum konkreten Geschehen und zu den Sicherungsmaßnahmen bei medizinischen Ausführungen nennen kann“.

Stichprobenartige Kontrollen

Etwas allgemeiner holt er zur Bewachung eines Gefangenen in einem Krankenhaus aus und spricht von einer „für die Bediensteten anspruchsvollen Aufgabe“. Sie sei der Teil der Ausbildung von Justizvollzugsbeamten, werde in anstaltsinternen Schulungen regelmäßig thematisiert und stichprobenartig in Krankenhäusern vor Ort kontrolliert.

„Die für die Bewachung von Gefangenen in Krankenhäusern entwickelte Sicherheitskonzeption hat sich grundsätzlich bewährt“, findet Burghardt. Im Jahr 2024 soll es seinen Angaben zufolge fast 400 durchgeführte Bewachungsmaßnahmen und -schichten durch die Mitarbeiter der JVA Bernau gegeben haben, bei denen keine Auffälligkeiten festgestellt wurden.

Sorgfältige und permanente Bewachung

Die Sicherheitskonzepte der bayerischen JVA würden fortwährend überprüft und bei Bedarf angepasst. Zudem habe das bayerische Justizministerium jüngst alle Standorte aufgefordert, die Bediensteten erneut auf die bestehenden Dienstvorschriften zur Beaufsichtigung von Gefangenen außerhalb der Anstalten hinzuweisen. Dabei ging es insbesondere um die sorgfältige und permanente Bewachung der Gefangenen. Helfen soll dabei auch eine Handreichung zur Beaufsichtigung von Häftlingen außerhalb des geschlossenen JVA-Bereichs, in der unter anderem Fesselungstechniken dargestellt werden, wie Burghardt abschließt.

Der Fluchtversuch ist natürlich nicht der erste in der Region: Ende 2023 ereignete sich in der JVA Bad Reichenhall ein filmreifer Ausbruch, als sich ein Gefangener mit einem Bettlaken abseilte und die Flucht ergriff. Dieselbe Anstalt musste kürzlich wegen einer gefundenen Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg sogar komplett evakuiert werden. In Bernau, Traunstein, Bad Reichenhall, Laufen-Lebenau und Mühldorf blieb es zwar in den vergangenen Jahren ruhig, aber das war nicht immer so, wie Zahlen des Justizministeriums zeigen:

Ausbrüche und sonstige Entweichungen

Wie eine Sprecherin der Behörde in München mitteilt, ist bei der Flucht von Gefangenen zwischen Ausbrüchen und sonstigen Entweichungen zu unterscheiden: Bei Ausbrüchen wird der umfriedete Bereich von Justizvollzugsanstalten, also der durch Mauern, Stacheldraht und so weiter gesicherten Anstalt, überwunden.

Der Begriff der sonstigen Entweichung umfasse auch sonstige Fälle, in denen sich ein Gefangener seiner Bewachung entzieht: zum Beispiel bei einer Aus- oder Vorführung außerhalb der Anstalt, bei einem Gefangenentransport, einem Krankenhausaufenthalt oder der Verrichtung von Arbeiten im Außenbereich.

Seit 2007 werden Ausbrüche und sonstige Entweichungen bayernweit nach einheitlichen Kriterien statistisch erfasst. Seitdem gab es in der JVA Bad Reichenhall nur 2023 einen Ausbruch. In Traunstein gab es nur 2010 einen Ausbruch und 2012 eine Entweichung. In Mühldorf gab es weder das eine noch das andere. Schon neun Entweichungen gab es seit 2007 in Bernau, exklusive des aktuellen Falles. Und in Laufen-Lebenau wurden sogar 13 solcher Fälle verzeichnet, wie aus den Zahlen des Ministeriums hervorgeht.

Flucht oder Versuch ist kein Straftatbestand, wenn ...

Dem Bernauer Häftling droht übrigens keine weitere Bestrafung: Wie aus dem Strafgesetzbuch (StGB) hervorgeht, ist die Flucht oder der Versuch kein Straftatbestand. Das gilt allerdings nur, solange man dabei keine Sachbeschädigung, Körperverletzungen oder sonstige Taten begeht.

Das Strafrecht regelt jedoch über den Paragrafen 120 unter anderem: „Wer einen Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet oder dabei fördert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Auch der Versuch ist strafbar, heißt es. Noch weiter geht der Paragraf 121, in dem es um die Gefangenenmeuterei geht. (ms)

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