27 Gefangene kurzzeitig nach Bernau verlegt
Evakuierung der JVA und ein gefährlicher Irrglaube: Neue Details zum Bombenfund in Bad Reichenhall
Der Tag begann wie jeder andere, doch am Ende werden sich noch viele Reichenhaller an diesen 15. Mai erinnern: Wegen einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg musste die Frühlingsstraße stundenlang für die Öffentlichkeit gesperrt werden. Nicht nur die Anwohner, sondern auch die Gefangenen der JVA mussten evakuiert werden. Die Turnhalle wurde zur Einsatzzentrale umfunktioniert, der Bahnverkehr kurzzeitig eingeschränkt. So lief der Tag und so konkret war die Gefahr tatsächlich.
Bad Reichenhall - Eine Baustelle wie jede andere, mitten in einem Wohngebiet. Der Straßenbelag aufgebuddelt, die Leitungen freigelegt, die Absperrungen und Bagger aufgestellt: Radfahrer sausen entspannt daran vorbei. Auf der Terrasse sitzt eine Frau und blickt in ihr Handy, ein Mann schiebt einen Rasenmäher durch seinen Garten. Schwer vorstellbar, dass in dieser Baustelle eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg liegt und darauf wartet, bald entschärft zu werden.
So gestaltet sich die Situation am Donnerstagmorgen gegen 8.30 Uhr in der Reichenhaller Frühlingsstraße. Ein Polizeibeamter sitzt in einem Van vor der Justizvollzugsanstalt und bewacht das gefährliche Fundstück, das kurioserweise nur mit von einem Papierkarton überdeckt wird. Zusammen mit dem normalen und gemütlichen Alltagsgeschehen vor Ort ein skurriler Anblick, von Hektik fehlt jede Spur. Doch nur wenige Stunden später fangen Dutzende Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr, in einem Radius von 150 Metern alles abzusperren und die Bewohner aus den Häusern zu evakuieren. Erst am späten Nachmittag folgt die Entwarnung, als die Bombe vom Kampfmittelbeseitigungsdienst aus München entschärft wird.
Ein gefährlicher Irrglaube
„Es handelt sich das Teilstück einer 250 Kilogramm schweren amerikanischen Fliegerbombe, die beim Aufprall zerbrochen und nicht explodiert ist“, erzählt vor Ort einer der Sprengstoffexperten kurz nach der Entschärfung. Der Heckzünder des Fundaments wurde entfernt, die Zündkette unterbrochen und damit auch die Gefahr beseitigt. „Es ist ein Irrglaube zu denken, dass solche Bomben nicht mehr funktionieren, wenn sie schon so lange im Boden liegen“, macht der Profi klar.
Bombenfund in Bad Reichenhall am 15. Mai




Abhängig von der Sprengstoffart und der chemischen Zusammensetzung können die Ausdehnungsgeschwindigkeit der Bombe bis zu 7000 Meter pro Sekunde betragen. „Davon geht eine erhebliche Gefahr aus. Das ist nicht zu unterschätzen und deshalb erfolgte auch die Evakuierung, um die Bevölkerung zu schützen.“
Keine Entschärfung gleicht der anderen
Eine Entschärfung sei „immer eine Herausforderung“ und „immer etwas Neues“. Der Sprengstoffexperte betont: „Man muss stets Respekt davor haben und davon ausgehen, dass alte Gewinde verrostet sind. Das ist nie so ganz einfach, aber heute haben wir es wieder hingekriegt und damit ein Stück Sicherheit geschaffen.“ Die Gefahren und der potenzielle Radius seien immer von vielen Faktoren abhängig. „Da wird nicht nur die Bombenhülle aufgerissen. Steine, Kies, alles Mögliche wird beschleunigt und hinterlässt wie in einem Trichter Spuren. Deshalb gibt es die Evakuierungen.“
Davon betroffen war auch die JVA in der Frühlingsstraße, quasi einen Steinwurf vom Fundort entfernt. Wie Franziska Bachhammer, stellvertretende Anstaltsleiterin, bestätigt, wurden die 27 männlichen Gefangenen kurzfristig in die JVA Bernau verlegt. Ein Bus holte die Insassen gegen 11 Uhr ab, um kurz nach 19 Uhr war der ungewohnte Ausflug mit der Rückkehr nach Bad Reichenhall wieder beendet. Auch die 20 Mitarbeiter mussten ihren Arbeitsplatz für mehrere Stunden verlassen.
Zufriedenheit über Organisation
„Die Maßnahme verlief reibungslos, insbesondere durch die lösungsorientierte Abstimmung der beteiligten Behörden. Zudem zeigten sich die betroffenen Insassen dank entsprechender Vorbereitung der Bediensteten vor Ort verständnisvoll“, berichtet Bachhammer. Verständnis hatten auch die vielen Anwohner, die in der städtischen Turnhalle - zur Einsatzzentrale und Anlaufstelle umfunktioniert - in der Münchener Allee von BRK und Maltesern versorgt wurden. Vielfach gelobt wurde die schnelle und gute Organisation. Die Helfer kümmerten sich um die Betroffenen, klärten auf und schafften extra Sitz- und Liegegelegenheiten sowie Rollstühle für Rentner an.
Auch Oberbürgermeister Christoph Lung zeigte sich erleichtert und hob in einer Mitteilung der Stadt „die professionelle Zusammenarbeit aller Beteiligten“ hervor: „Ich bedanke mich bei allen, die diesen herausfordernden Tag zu einem guten Ende haben kommen lassen. Die eingesetzten Haupt- und ehrenamtlichen Kräfte haben gezeigt, dass auf sie Verlass ist.“
Immer wieder kommt es in der Region zu ähnlichen Einsätzen. Im März brachte die Entdeckung einer Fliegerbombe das Leben in Mühldorf gehörig durcheinander. Auch beim Wandern mitten in der Natur werden hin und wieder solche Überreste entdeckt, wie im September 2024 der Fund einer Granate im Watzmannkar zeigte. (ms)