Mord-Prozess um getötete Hanna W. aus Aschau
„Wir wollen die Wahrheit“: Zeugin überfordert - Richterin bricht ab und gibt ihr „Hausaufgaben“
Traunstein/Aschau im Chiemgau - An den ersten beiden Prozesstagen kam Sebastian T. noch recht ungeschoren davon - doch zuletzt traten die ersten Belastungszeugen auf. Und am Donnerstag hätte der Druck auf den mutmaßlichen Mörder von Hanna aus Aschau weiter steigen können. Doch der Prozesstag verlief anders als erwartet...
Das Wichtigste in Kürze:
Update, 14.27 Uhr - Richterin bricht ab und gibt Zeugin „Hausaufgaben“
Hat die Zeugin, 21 Jahre alt und Schulfreundin des Angeklagten, nun schon am 3. Oktober von ihm erzählt bekommen, dass ein Mädchen namens Hanna in Aschau umgebracht wurde oder nicht? Hat sie gehört, dass er im Familienkreis zur Mutter der Zeugin sagte: „Ich hab‘ sie umgebracht“? Jetzt, im Zeugenstand, bejaht sie das – doch als die 21-Jährige zuvor bei der Polizei aussagte, wusste sie davon nichts.
„Ich merke, die Zeugin ist überfordert“, fasst es Richterin Jacqueline Aßbichler zusammen. Zweimal wird ihre Vernehmung am Landgericht unterbrochen, weil sie weint und um ihr Bedenkzeit zu geben. Offen bleibt auch die Frage, ob der Angeklagte seiner Schulfreundin nach der Tat bei einem Spaziergang einmal ein Taschenmesser unters Kinn hielt, lachte und sagte: „Jetzt bring‘ ich Dich um...“
Richterin Aßbichler wird klar: „Wir haben den Eindruck, Sie wollen den Angeklagten schützen. Aber wir wollen die Wahrheit wissen und keinen Unschuldigen verurteilen.“ Alle Beteiligten sind sich einig: Es ist klüger, die Zeugin an einem anderen Prozesstag erneut zu vernehmen. Ein Datum wurde noch nicht festgelegt.
Auch die beiden Polizisten, die die 21-Jährige schon zuvor während der Ermittlungen vernahmen, werden heute nicht mehr geladen. Sie hätten über ihre damaligen Aussagen berichten sollen. Doch wenn die Aschauerin im Zuge der heutigen Verhandlung von den Polizisten-Aussagen in den Medien liest, könnte sie erneut beeinflusst werden. „Meine Hausaufgabe an Sie: Überlegen Sie sich, was damals wirklich war. Und sprechen Sie nicht nochmal mit ihrer Mutter darüber“, so die Vorsitzende Richterin.
Der vierte Verhandlungstag mit der Schulfreundin des Angeklagten als zentrale Zeugin vergeht also praktisch ergebnislos. Ein weiterer Polizist wird dann doch noch in den Zeugenstand gerufen. Er sollte die Überwachungskamera des Kampenwandbahn-Parkplatzes auswerten – da, wo Hanna W. vermutlich getötet wurde. „Ausgerechnet zur Tatzeit gab es aber ein Serverproblem“, so der Polizist.
Auch wenn die Kamera nur alle zehn Minuten ein Standbild geschossen hätte und zudem nicht sicher ist, ob der genaue Tatort von der Kamera abgedeckt geworden wäre – fest steht nun, dass auch diese potenzielle Quelle als Beweismittel oder Indiz wegfällt. Die Verhandlung ist für den heutigen Donnerstag beendet. Fortgesetzt wird am Dienstag (24. Oktober) um 8 Uhr. Dann wird ein Häftling aus der JVA Traunstein vernommen. Ihm soll Sebastian T. während der U-Haft die Tat gestanden haben. Man darf gespannt sein!
Update, 11.30 Uhr - Schulfreundin sagt über Sebastian T. aus
Sie ist, genau wie der Angeklagte, 21 Jahre jung und eine Schulfreundin von Sebastian T. In der Zeit nach der Tat verbrachten die beiden immer wieder Zeit miteinander – unter anderem auch am Abend des 3. Oktober. Da sei man am Eiskeller-Parkplatz spazieren gegangen und der Angeklagte habe plötzlich davon erzählt, dass ein Mädchen aus Aschau umgebracht wurde. „Ich dachte zuerst, das wäre Spaß. Ich hab ihn am Anfang nicht ernst genommen.“
Sollte Sebastian T. das zu diesem Zeitpunkt gesagt haben, hätte er sich verraten – denn die Tat war da erst ungefähr 17 Stunden her. Bekannt war in der Öffentlichkeit nur, dass der Leichnam einer jungen Frau bei Prien angespült wurde. Zum Tatort oder zur Herkunft der Getöteten war noch nichts bekannt: „Täterwissen“ heißt das im Jargon von Polizei und Justiz.
Von der früheren Schulzeit beschreibt sie den Angeklagten als „schüchtern“. Er sei keiner gewesen, der aggressiv war. „Aber er wurde oft fertiggemacht. Und ich bin oft hinter ihm gestanden“, so die 21-jährige Aschauerin.
Doch wenn es um die Tage nach der Tat geht, kommt die Zeugin immer mehr ins Stocken. Hat er bei dem Gespräch den Namen „Hanna“ genannt? An wichtige Dinge will sich die 21-Jährige heute nicht mehr erinnern können, unerhebliche Details weiß sie dagegen. Gegenüber Richterin Aßbichler gibt sie zu, Angst vor der Vernehmung gehabt zu haben. „Wir haben innerhalb der Familie oft darüber geredet. In den letzten Tagen hab‘ ich nicht gut geschlafen.“
Das Landgericht schlägt eine Pause vor. Die Zeugin ist zentral für den Prozess, das ist allen klar. Die junge Frau soll etwas zur Ruhe kommen und nach einer kurzen Verhandlungspause wieder in den Zeugenstand. Ist dann mehr aus ihr herauszubekommen?
Update, 10.47 Uhr - Neue Chance für Sebastian T.
Ein neuer Prozesstag – und damit auch eine neue Chance für den Angeklagten, das Wort zu ergreifen. Stimmen die Vorwürfe? Wie erklärt er all das? Doch alles deutet darauf hin: heute gibt es wieder keine Aussage und kein Geständnis von Sebastian T. Auch die beiden Verteidiger ergreifen für ihn nicht das Wort und verlesen beispielsweise eine Erklärung.
Die erste Zeugin, eine Schulfreundin des Angeklagten, wird ganz normal geladen. Auch von ihr werden eher belastende Aussagen erwartet. Wenn Sebastian T. einem Geständnis großes Gewicht verleihen wollen würde, müsste es bald, wenn nicht sogar jetzt, kommen. Aber danach sieht es nicht aus.
Neben der Schulfreundin des Angeklagten sind heute auch noch drei weitere Zeugen geladen: Es sind Polizisten, die in den Ermittlungen wiederum die Schulfreundin bereits befragten. Sie sollen Aussagen dazu treffen, was sie damals sagte und wie sie sich verhielt. Denn möglicherweise präsentiert die Schulfreundin dem Gericht heute eine andere Version als damals der Polizei.
Vorbericht
Im Prozess werden noch Dinge zutage kommen, mit denen Sebastian T. nicht rechnet. Mit diesen deutlichen Worten warnte ihn die Vorsitzende Richterin am jüngsten Verhandlungstag - und schon wurde es ungemütlicher für den mutmaßlichen Mörder von Hanna W. Seit dem 3. Oktober 2022, an dem die Aschauerin getötet wurde, habe der Angeklagte viel Zeit bei einer alten Schulfreundin, ihrer Mutter und ihrer Schwester verbracht. „Ja, ich war‘s. Ich hab‘ sie umgebracht“, habe ihr der Angeklagte gestanden, sagte die Mutter zuletzt als Zeugin aus.
Was bringt der vierte Prozesstag um den mutmaßlichen Mord an Hanna W.?
Am heutigen Donnerstag (19. Oktober) ab 9 Uhr wird der Prozess am Landgericht Traunstein fortgesetzt. Als Zeugin wird eben jene alte Schulfreundin erwartet, die die brisante Aussage auch gehört haben könnte. Auch bei ihrer Schwester soll sich der Angeklagte indirekt verraten haben, wie zuletzt vor Gericht bekannt wurde: denn schon am Tattag, dem 3. Oktober, sprach er mit ihr davon, dass in Aschau eine junge Frau getötet wurde - zum damaligen Zeitpunkt war aber nur bekannt, dass ein Leichnam nahe Prien entdeckt wurde. Der Tatort stand da noch gar nicht fest.
Außerdem scheint es einen Gefängnisinsassen zu geben, dem Sebastian T. in der U-Haft in Traunstein die Tat gestand. Er soll am kommenden Dienstag vor Gericht aussagen. Umso erstaunlicher, weil sich der Angeklagte bisher weder vor Gericht, noch in den Monaten zuvor gegenüber der Polizei zu den Vorwürfen äußerte. Sollte der richtige auf der Anklagebank sitzen, wäre ein Geständnis umso wertloser, je später es kommt. Und am heutigen Donnerstag steht gerade mal Verhandlungstag 4 von 26 auf dem Programm.
Der Angeklagte Sebastian T. ist 21 Jahre alt und stammt wie die Getötete aus Aschau im Chiemgau. Er machte eine Lehre zum Anlagenmechaniker und wird vom Typ her als eher ruhig und schüchtern beschrieben. Am 3. Oktober vorigen Jahres soll er Hanna W. auf ihrem Heimweg vom Club „Eiskeller“ bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und sie dann in den Bärbach nahe der Kampenwandbahn geworfen haben. Dort ertrank die damals 23-Jährige. Sebastian T. war anfangs für die Polizei nur als wichtiger Zeuge interessant, da er zur Tatzeit als Jogger gesehen wurde. Am 17. November wurde er jedoch festgenommen, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Anklage lautet auf Mord, mit einem Urteil wird vor Weihnachten gerechnet.
chiemgau24.de berichtet aktuell vom Prozess.
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