Aufstehen gegen Rassismus
„Für Hassparolen empfänglich“? So war die Anti-AfD-Demo in Grassau – das sagt Polizei zu Zwischenfall
Grassau war am Samstag (30. November) im Ausnahmezustand. Das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ demonstrierte gegen eine Wahlkampfveranstaltung der AfD im Ort. Was passiert ist - und was die Polizei zu einer unangekündigten Extra-Demo danach sagt.
Grassau – Vielleicht war der Gedanke der Rosenheimer AfD, dass die Wahlkampfveranstaltung im kleinen Heftersaal von Grassau gewissermaßen im Hinterland ohne größere Aufmerksamkeit vonstattengehen könnte. Doch dem setzten viele Menschen am Samstag (30. November) ein deutliches Zeichen entgegen. Überrascht zeigten sich die Organisationen des neuen Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ (AGR) von dem Widerhall und der großen Menge an Demonstranten, die ihrem Ruf folgten. Geschätzt wurden einige hundert Versammlungsteilnehmer. In großer Zahl war auch die Polizei vor Ort und behielt den Überblick.
Polizei äußert sich
„Es gab nix Dramatisches. Nach Ende der Veranstaltung gab es noch eine Spontanveranstaltung einer kleineren Gruppe. Eine Person musste in Gewahrsam genommen werden“, teilte das Polizeipräsidium Oberbayern Süd am Sonntag (1. Dezember) auf Anfrage des OVB mit.
Die Demonstration fand nicht, wie angekündigt, direkt im Zentrum am Kirchplatz, sondern von der Hauptstraße abgewandt auf dem Heftersaal Vorplatz statt. Dies hatte den Vorteil, dass die Sprecher nicht durch den Verkehrslärm gestört wurden und ihre Statements deutlich zu hören waren. Wie die Sprecherin des AGR-Bündnisses Chiemgau sagte, betrachte sie sich als Feministin und sei, in den Augen der AfD damit bereits hässlich und grässlich. Frauen sollten sich um Mann und Heim kümmern und würden so in eine wirtschaftliche Abhängigkeit gedrängt. Auch spreche die AfD den Frauen die gleichen Rechte wie den Männern ab.
„Und ausgerechnet die AfD möchte Frauen schützen. Ich brauche keinen rechtsgescheitelten Siegfried, der den Drachen tötet. Das mache ich allein“, sagte sie. Die AfD sehe in den Muslimen und queren Menschen eine Bedrohung. Sie habe Rassismus erlebt, wisse von den Feindbildern und habe Angst zur Zielscheibe zu werden. Jeder habe seine eigene Geschichte und Grund hier zu sein. „Was uns vereint, ist, dass wir dafür einstehen, dass Hass und Hetze keinen Platz haben.“
So positioniert sich Bürgermeister Kattari
„Einen unpassenderen Ort als Grassau hätte sich die AfD nicht aussuchen können“, sagte Grassaus Bürgermeister Stefan Kattari am Rednerpult. Grassau sei das gute Beispiel wie Zusammenleben gelingen kann. „Wir leben mit Menschen aus über 60 Nationen zusammen“, so der SPD-Bürgermeister. Er erinnerte an die die ersten Gastarbeiterfamilien, die in Grassau ebenso heimisch wurden wie die Vertriebenen des Weltkrieges und der Geflüchteten der Balkankriege.
Als Beispiel nannte er einen der ersten Asylbewerber in Grassau, Mehdi Akbari, der dreimal im Gemeinderat agierte. Man müsse als gesamte Gesellschaft Gesicht zeigen, gegen jede Partei, die Hass und Hetze verbreitet. „Aber wir müssen anerkennen, dass ein Teil der Bevölkerung für Hassparolen empfänglich ist. Weil die Menschen Angst haben. Natürlich können wir nicht alle aufnehmen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass unser Land ohne die vielen Arbeitskräfte, die zu uns kommen, vielerorts gar nicht mehr funktionieren würde. Was können wir tun? Haltung zeigen und Zuhören“, so Kattari.
Lösungen zu finden bedeute differenzierte und anstrengende Arbeit im Kleinen. „Gegen die AfD müssen wir klare Kante zeigen und dürfen uns nicht bequem in Filterblasen zurückziehen. Wir müssen bereit sein, allen Wählern zuzuhören sowie die Wähler bereit sein müssen uns zuzuhören. Wir müssen Haltung zeigen. Wir müssen reden. Meine Tür steht offen“, so Kattari.
Besonders freute sich der Sprecher der Initiative Erinnerungskultur und Stolpersteine Rosenheim Christoph Bensch-Andrä über den Besuch der Omas aus Holzkirchen, die ein deutliches Zeichen setzen. Er arbeite dafür, die Opfer der Nationalsozialisten aus der Dunkelheit herauszuholen. Ihm missfiel, dass die AfD im Heftersaal Wahlkampf betreiben kann, eine Partei, die, so sagte er, zutiefst rassistisch ist, im Widerspruch zum Grundgesetz agiert und über 100 Mitarbeiter aus dem rechtsextremen Milieu beschäftigt.
„Nie wieder Faschismus. Nie wieder ist jetzt“, rief er. Auch vom offenen antifaschistischen Plenum Rosenheim meldete sich ein junger Mann zur Wort. Er erinnerte an den Auftritt der AfD im Grassauer Heftersaal, als Frauke Petry als Spitzenkandidatin sprach. Auch damals gab es Protest und Sitzblockaden. Er bezeichnete die Rosenheimer AfD-Kandidatin Leyla Bilge als politisch extrem Rechts und erklärte, dass diese in Berlin an den Frauenmärschen beteiligt war. Gegen die AfD brauche es eine Linke Bewegung. „Wir werden nicht schweigen“, betonte er.
Weitere Redner kamen von der VVN PDA, von der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes und Bund der Antifaschisten Traunstein. Die Vereinigung fordert den Bundestag auf, einen Verbotsantrag für die AfD zu stellen. Die Partei stelle eine Bedrohung für den Rechtsstaat dar. Dem völkisch-rassistischen Gedankengut müsse man entgegenstehen. Dieses richte sich gegen die Würde der Menschen.
Für das Bündnis gegen Verschwörungsideologien sprach Anita aus Wasserburg. „Wir dürfen nicht schweigen, wenn Hass und Hetze die Gesellschaft bedrohen. Die Verschwörungsideologien der AfD gefährde die Demokratie und förderte Feindbilder. Die Politik richte sich gegen die Menschen, leugne Fakten und habe ein rückwärtsgewandtes Weltbild: „Steht auf und zeigt Gesicht.“
500 Grassauer wählen AfD
Schließlich kamen auch die Grassauer Grünen mit Helmut Bielenski zu Wort. Er betonte, dass die AfD bei den letzten Wahlen in Grassau immerhin 13,7 Prozent der Wählerstimmen erreichen konnte. Dass heiße, dass es in Grassau 500 Personen gibt, die AfD wählten. 500 Personen seien in seinen Augen zu viele. Man frage sich, wer diese Wähler sind. Schließlich sollte man mit diesen reden, folgerte er.
Während sich die meisten Demonstrationsteilnehmer im hinteren Bereich des Gasthofs zur Post aufhielten und sich die Reden anhörten, spalteten sich einige Demonstrationsteilnehmer ab, zogen zur Bundesstraße, um zumindest von den AfD-Parteimitgliedern, die unbemerkt in den Saal kamen, wahrgenommen zu werden. Dabei kam es zu einem kleinen Zwischenfall, als ein Demonstrant den von der Polizei abgeriegelten Bereich durchbrechen wollte. Er wurde abgeführt. Die AfD konnte ihre Versammlung anschließend ungehindert durchführen.
