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Bürgermeister Kamm im OVB-Gespräch

Siegsdorfs Gemeinderat schmettert PV-Anlage in Vogling ab - aber kommt sie trotzdem?

Siegsdorfs Gemeinderat hat gegen eine PV-Anlage in Vogling (links) votiert. Warum sie dennoch kommen könnte, erklärt Bürgermeister Thomas Kamm.
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Siegsdorfs Gemeinderat hat gegen eine PV-Anlage in Vogling (links) votiert. Warum sie dennoch kommen könnte, erklärt Bürgermeister Thomas Kamm.

Erst Übersee, jetzt Siegsdorf: Photovoltaik-Anlagen bleiben eines der größten Streitthemen der Region. Mit hauchdünner Mehrheit hat der Gemeinderat Siegsdorf jetzt gegen eine Anlage in Vogling votiert. Warum sie dennoch kommen könnte, erklärt Bürgermeister Thomas Kamm.

von Lars Becker und Franz Krammer

Siegsdorf - Die Sonne scheint in diesen Tagen wieder ausgiebig über dem Chiemgau. Das sorgt für Freude bei vielen Menschen, allerdings weitet sich der Streit über die Nutzung unseres Wärmespenders als Energiequelle in der Region weiter aus. In Übersee wurden bei einem Bürgerbegehren 1003 Stimmen gegen eine 12 Hektar (120.000 Quadratmeter) große Photovoltaik-Anlage am westlichen Ortsrand gesammelt. Damit wird es einen Bürgerentscheid zum Thema geben. In Siegsdorf votierte nun der Gemeinderat gegen ein 0,97 Hektar großes Solar-Projekt im Gemeindegebiet Vogling.

Ablehnung mit 9:11 Stimmen – aber keine Wirkung?

Hauchdünn wurde mit 9:11 Stimmen das Einverständnis zu der Freiflächen-PV-Anlage verweigert. Der Haken an dieser Entscheidung: Sie hat keinerlei bindende Wirkung. „Die negative Stellungnahme des Gemeinderats geht zurück zum Landratsamt und dort wird bewertet, ob die Anlage genehmigungsfähig ist oder nicht. Es gibt dann zwei Möglichkeiten: Entweder sie genehmigen es trotzdem oder sie lehnen das Vorhaben ab“, sagt Siegsdorfs Bürgermeister Thomas Kamm auf Anfrage des OVB.

Siegsdorfs Bürgermeister Thomas Kamm.

Im Wesentlichen wird es bei der Entscheidung um die Frage gehen, ob die Anlage ins Landschaftsbild passt oder eben nicht. Falls das Landratsamt seine Zustimmung zum Projekt erteilen sollte, wäre die Gemeinde überstimmt. Das liegt daran, dass der Bauantrag der PV Vogling GmbH & Co KG auf einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche komplett innerhalb des sogenannten „privilegierten Bereichs“ von 200 Metern zum Fahrbahnrand der Autobahn A8 liegt. Genau in dieser Zone an übergeordneten Schienenwegen und Autobahnen ist laut Baugesetzbuch die Umsetzung von Photovoltaik-Anlagen vereinfacht.

Aufgrund der Privilegierung benötigt das Vorhaben entlang der Kreisstraße TS 3 westlich der Siedlung Vogling kein Bauleitverfahren wie zum Beispiel das direkt daneben liegende Gelände des neuen Feuerwehr-Gerätehauses. Die Gemeinde wird zwar von den Bauaufsichtsbehörden um eine Stellungnahme gebeten, hat aber keine Planungshoheit.

„Die Stimmung in der Gemeinde zum Projekt ist ähnlich gespalten wie im Gemeinderat“, sagt Bürgermeister Kamm. Ein Bürgerbegehren gegen die Pläne – wie in Übersee – sieht er momentan nicht als Gefahr, zumal die Situation anders als in der in Chiemsee-Nähe gelegenen Gemeinde ist.

Die Unterschiede zwischen Siegsdorf und Übersee

Dort geht die geplante Anlage über die privilegierte Fläche hinaus und es gibt ein Bauleitverfahren der Gemeinde. Kamm schließt ein Bauleitverfahren für das PV-Projekt in Vogling dagegen aus. „Wenn wir die Energiewende wirklich wollen, müssen wir auf die vom Gesetzgeber privilegierten Flächen zurückgreifen“, findet Kamm: „Mit der Haltung ‚Nur nicht vor meiner Haustür‘ kommen wir einfach nicht weiter.“ Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden PV-Streitfällen besteht darin, dass in Übersee Balkonkraftwerke per Ortssatzung untersagt und die meisten Dachflächen solarpanelfrei sind. In Siegsdorf dagegen sind laut Kamm „die meisten nutzbaren Dachflächen schon mit PV-Anlagen besetzt“.

Das Archivbild zeigt die Fläche im Westen der Voglinger Siedlung. Hinten an der Straße nach Vorauf entsteht das neue Feuerwehr-Gerätehaus, rundum soll nun die beantragte Freiflächen-Photovoltaik entstehen.

Wenn man noch mehr erneuerbare Energie erzeugen will, bleibt also nur noch eine Freiflächen-PV-Anlage wie in Vogling. Dort sind 48 geplanten „Modultische“ auf Metallpfosten ohne Betonfundament geplant, die mit einer Neigung von 18 Grad nach Süden ausgerichtet werden sollen. Der mit der Anlage erzeugte Strom würde in einer Kombistation vom Netzbetreiber abgenommen und in das öffentliche Netz eingespeist werden. Das Monitoring und die Anlagenüberwachung erfolgen über Fernregelung, es wäre also kein Wirtschaftsgebäude nötig. 

Ökologische Aufwertung oder Flächenverbrauch?

Der Solarpark soll mit einem Zaun eingegrenzt werden, der im unteren Bereich mindestens 15 Zentimeter frei bleibt – um allen Kleintieren den ungehinderten Zugang zu gewähren. Als Sichtschutz sollen im Westen, Norden und Osten freiwachsende zweireihige Hecken gepflanzt werden. Die nicht überbauten Flächen möchten die Betreiber ökologisch aufwerten und in ein mäßig genutztes artenreiches Grünland umwandeln. Saatgut aus dem Alpenvorland mit 50% Krautanteil und eine zwei- bis dreischürige Mahd oder Beweidung sollen eine teilweise landwirtschaftliche Nutzung gewährleisten.

Die Erschließung des Geländes erfolgte über eine Toranlage gegenüber der Einfahrt zur Voglinger Straße. Laut Antrag werden keine Wartungsräume oder eine Erschließung mit Wasser und Kanal erforderlich, da nicht mit längeren Aufenthaltszeiten des Personals zu rechnen sei. Es wird angenommen, dass die Betriebsfahrzeuge innerhalb des umzäunten Bereiches abgestellt werden. 

„Landwirtschaft wird wertvolle Fläche entzogen“

Der gemeindliche Bauausschuss hatte in seiner Vorberatung dem Gemeinderat mit 4:3 Stimmen geraten, dem Antrag nicht zuzustimmen und das gemeindliche Einvernehmen nicht zu erteilen. Begründet wurde die Ablehnung mit der Problematik im Hinblick auf die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes sowie die direkte Nähe zur bestehenden Siedlung. „Außerdem argumentieren die Gegner, dass der Landwirtschaft eine wertvolle Fläche entzogen wird“, sagt Kamm.

In einer regen Diskussion kamen die gespaltenen Meinungen und Ansichten des Rates deutlich zum Ausdruck. Bürgermeister Kamm und die beiden Ratsmitglieder Marlis Neuhierl-Huber und Willi Geistanger (Grüne) positionierten sich deutlich für die Anlage, weil regenerative Energie künftig notwendig sein wird und ein regionaler Betreiber hinter dem Antrag steht.

Peter Mayer (SPD), Dr. Jürgen Leikert (CSU), Martin Hunglinger und Tobias Zenz (UW) sowie Hans Geiger (BfS) konnten sich hingegen mit der Situation überhaupt nicht anfreunden. Beste landwirtschaftlich Flächen und die Nähe zur Siedlung, sowie die exponierte Lage stünden dem energiepolitischen Gewicht deutlich entgegen. Bernhard Kübler (SPD) konnte sich mit der Privilegierung, bei der die Gemeinde keine Gestaltungsmöglichkeiten hat, überhaupt nicht abfinden und stimmte aus diesem Grund dagegen.

Folgen für Kinder und Enkel

„Man konnte ja nur mit Ja oder nein stimmen, für viele war das schwierige Entscheidung“, sagt Kamm dem OVB: „Ich bin halt der Meinung, dass wir in unserer Gemeinde zehn Kilometer an der Autobahn haben. Dort sollte man etwas für die Energiewende tun. Ich bin über 60, mich wird es mit den Folgen des Klimawandels nicht mehr so treffen. Aber meine Kinder und Enkelkinder schon.“

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