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Pettinger wegen versuchten Mordes aus Eifersucht angeklagt

Chemiker: „Nur wenige überleben Flusssäure“ - und was dem Rosenheimer wohl das Leben rettete

Ein 41-jähriger Mann aus Petting soll für die Säure-Attacke in Rosenheim verantwortlich sein. Rechts im Bild sein Verteidiger Stefan Neudecker. Rechts im Bild das Mehrparteienhaus im Rosenheimer Norden, in dem die Säure-Attacke passierte.
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Ein 41-jähriger Mann aus Petting, hier mit seinem Verteidiger Stefan Neudecker, soll für die Säure-Attacke in Rosenheim verantwortlich sein. Rechts im Bild das Mehrparteienhaus im Rosenheimer Norden, in dem die Säure-Attacke passierte.

Rosenheim/Traunstein - Auch wenn er von praktisch allen Zeugen als friedliebend und deeskalierend beschrieben wurde: ein 41-jähriger Pettinger versuchte mit hochgiftiger Säure aus Eifersucht einen Mann aus Rosenheim zu töten, so die Staatsanwaltschaft. Viele Indizien sprechen gegen ihn. Mit einem ganz zentralen Zeugen wurde am heutigen Montag die Beweisaufnahme abgeschlossen.

Update, 17.20 Uhr - Chemiker: „Nur wenige überleben Flusssäure“ 

Gleich mehrere Spezialisten und Kenner sagen jetzt zu jener Flüssigkeit aus, mit der der 32-jährige Rosenheimer überschüttet wurde: der Flusssäure. Der Augenarzt des Geschädigten fasst sich kurz: „Flusssäure gilt unter allen Säuren als die heftigste für die Augen.“ Laut Gutachterin konnte der Mann seine Augen anfangs weder ganz öffnen, noch ganz schließen. Auch hier im Gerichtssaal greift der 32-Jährige das ein oder andere Mal zu seinen Augentropfen.

Ganz deutliche Worte findet auch ein Chemiker des Landeskriminalamts: „Es gibt wenig schwere Verläufe mit Flusssäure – weil es nur wenige überleben.“ Schon eine handtellergroße Fläche der Säure auf der Haut, die unbehandelt bleibt, bedeute den Tod. Der Geschädigte wurde wohlgemerkt mit einem halben Liter überschüttet. „Als ich das nasse T-Shirt des Mannes gesehen habe, bin ich davon ausgegangen, dass man das nicht überleben kann“, so der Chemiker vom LKA. 

„Dass er sich sehr bald nach der Tat das T-Shirt vom Leib gerissen hat, hat ihm das Leben gerettet“, ist sich der Gutachter sicher. Das Gericht hatte ihn eigentlich gebeten, sicher verpackte Flusssäure als Anschauungsmaterial mit nach Traunstein zu nehmen – doch er verweigerte sich: „Es gibt keine Chemimkalie, vor der ich größeren Respekt habe, als Flusssäure.“ 

Flusssäure wird nur in speziellen Industriezweigen eingesetzt, zum Beispiel bei der Bearbeitung von Glas oder in der Chip- und Halbleiterproduktion. Privatpersonen können es nicht bestellen, „ich habe es als Privatperson selbst bei drei Firmen probiert, zum Testen, aber vergeblich“, so der Gutachter. Nur Firmen dürften es bestellen. Fest steht aber: In seiner Firma hätte es der Angeklagte sicher nicht gebraucht. 

Auch der psychiatrische Gutachter äußert sich nochmal kurz zum 41-jährigen Angeklagten aus Petting. Er konnte bei ihm keine psychiatrische Störung erkennen. Er sei kein Eigenbrötler, sondern, ganz im Gegenteil, gut integriert und sozial umgänglich. Der Prozess wird für heute beendet. Fortgesetzt wird am 25. Februar ab 9 Uhr. Dann werden die Plädoyers gehalten und auch das Urteil wird gesprochen. 

Update, 16.15 Uhr - Opfer: „In Rosenheim komm‘ ich nicht mehr zur Ruhe“

Die Wohnung in der Rosenheimer Pernauerstraße hat der Geschädigte zwar noch, ist aber wieder fort zu seinen Eltern gezogen. „In Rosenheim komm‘ ich nicht mehr zur Ruhe.“ Auch ans Arbeiten, vor allem am PC, oder ans Autofahren ist noch lange nicht zu denken. Der Augenarzt des 32-Jährigen meint: Ziel sei erstmal, den jetzigen Zustand des Auges zu erhalten und eine Verschlechterung zu verhindern (Siehe Update: Was Flusssäure dann mit ihm anrichtete)

Groß unter die Leute will der 32-Jährige nicht mehr gehen. „Die Leute sehen, dass ich was mit den Augen habe. Das ist unangenehm.“ Einen Hund habe er sich jetzt zugelegt, das sei seine vorrangige Beschäftigung. Wie so oft schaut der Angeklagte starr in Richtung der Richter – nicht zu den Zeugen, nicht zum Geschädigten, nicht zu den Zuschauern. Und auch heute hält er an seinem Schweigen fest. 

Die ersten zwei Tage machte sich der Geschädigte in der Augenklinik Gedanken: Wer könnte das gewesen sein? Der einzige, der ihm irgendwie in den Sinn kam, war der 41-jährige Mann auf der Anklagebank. Mit seiner Ex-Freundin war er regelmäßig in den Bergen unterwegs, sie erzählte ihm vom Ende der Beziehung, sie berichtete ihm auch, dass der Angeklagte um sie kämpfe. Auch auf mehrmalige Nachfrage der Richter fallen ihm sonst keine Feinde oder Neider ein. 

Aber hatten Sie jemals was mit dem Angeklagten zu tun?“, fragt Richter Ziegler. Der Geschädigte verneint. Er hat ihn nie gesehen. Der Angeklagte besorgte sich wohl eine neue Telefonnummer, um ihn zu kontaktieren. Als „Silvia“ gab er sich aus, erschlich sich so seine Wohnadresse. „Ich dachte, es wäre eine Bekannte von einer Ausbildung“, so der Geschädigte. „Silvia“ hätte auch viele Namen aus seinem Freundeskreis gewusst. Jetzt sagt er: „Ich war zu gutgläubig und bin drauf reingefallen.“

Jetzt werden Gutachter und Mediziner noch Näheres zur Gefährlichkeit der Flusssäure aussagen – jener Flüssigkeit, mit der der Pettinger den Mann in Rosenheim wohl überschüttete.  

Update, 15 Uhr - Opfer ahnte vor Tat: „Gleich passiert was Schlimmes“ - Was Flusssäure dann mit ihm anrichtete

Jetzt muss der Geschädigte aussagen. Der Mann ist 32 Jahre alt, wirkt eigentlich fit und sportlich – und doch hat ihn der 13. Mai 2024 komplett zurückgeworfen. Er kann es kurz und knapp zusammenfassen, was passierte: „Am Abend hat es an der Wohnungstür geklingelt. Ich dachte, es wäre vielleicht ein Nachbar oder ein Paketbote.“ Doch dann war da eine Person in schwarzer Trainingsjacke mit Sturmhaube über dem Kopf.

„Da wusste ich: Gleich passiert was Schlimmes“, so der Holztechniker. So kam es dann auch: Ohne ein Wort zu sagen, wurde ihm eine Flüssigkeit darüber geschüttet. Er schätzt sie auf maximal einen Liter. „Ich hab nur noch mit dem Fuß die Tür zugetreten, mir das Gesicht abgewaschen, die 112 angerufen, geduscht und dann klingelte schon die Polizei.“ Als die Beamten meinten, sie könnten die Wohnung nicht betreten, weil es zu stechend rieche, habe er Panik und Atemnot bekommen. 

Es folgte ein wochen-, monatelanges Hin und Her in Kliniken: Eine Not-Operation an den Augen war nötig, ein Katheter wegen eines Nierenschadens, Hauttransplantationen wegen den Verätzungen, zum Beispiel an den Füßen. „Ich konnte nichts sehen. Und ich wusste noch immer nicht, was da eigentlich passiert ist. Ich war fassungslos“, beschreibt der Mann sein Erleben der ersten Tage nach der Tat. Auch sprechen konnte er wegen einer Verätzung der Zunge nicht.

„Nach fünf Wochen wurde ich in die Reha verlegt. Da konnte ich immer noch nichts sehen“, sagt der 32-Jährige. Nochmal vier Wochen später konnte er dann den Rollstuhl selbst lenken. Heute ist er wieder zu Fuß unterwegs und kann sich im Gerichtssaal zurechtfinden. Die Sehkraft des rechten Auges liegt bei nur fünf Prozent. „Damit sehe ich nur Umrisse.“ Für eine Brille ist das Auge noch immer zu gereizt, eine extrem komplizierte Hornhaut-Operation ist frühestens 2026 möglich. 

Nun soll der Mann dazu aussagen, wie es ihm heute geht - und was er vom Angeklagten überhaupt wusste. 

Update, 14.20 Uhr - SMS nach Anschlag: „Am Abend noch das ein oder andere erledigt“

Auch heute ist das Interesse an diesem Prozess hoch: Die Zuschauerreihen sind praktisch dicht geschlossen, über 30 Menschen sind im Traunsteiner Gerichtssaal. Heute soll der Geschädigte aussagen. Zuerst werden aber noch einige SMS verlesen, die der Angeklagte in der Woche vor der Tat an eine Bekannte verschickte. 

Auch ein paar Sprachnachrichten sind dabei – unter anderem eine vom 13. Mai 2024 um 23 Uhr: „Bin meinen Arbeitstag gemütlich angegangen, mit Bürosachen und Organisatorisches. Und am Abend hab‘ ich auch noch das ein oder andere erledigt, damit kann ich ganz zufrieden sein.“ Was er damit meinte? Der Pettinger wird schließlich beschuldigt, das Säure-Attentat gegen 21.30 Uhr begangen zu haben.

Bei allen anderen SMS zwischen dem 41-Jährigen und seiner Bekannten geht es um Belangloses: Bergtouren, Reparaturen, Polarlichter... Verteidiger Stefan Neudecker wollte, dass die SMS auf den Tisch kommen. Wohl um zu zeigen, dass der Angeklagte bereits wieder an anderen Frauen Interesse zeigte. Schließlich war das Tatmotiv laut Staatsanwaltschaft Eifersucht. Aber Richter Volker Ziegler sagt mit Blick auf die SMS: „Leidenschaft schaut anders aus...“ 

Nun wird die Aussage des Opfers erwartet. Er steht dem Angeklagten heute vermutlich erst zum zweiten Mal gegenüber – das er erste Mal dürfte am 13. Mai 2024 an der Tür seiner Rosenheimer Wohnung gewesen sein. Noch immer dürfte ihm Vieles ein Rätsel sein. 

Vorbericht:

Alles dürfte sich in wenigen Sekunden abgespielt haben: Am Abend des 13. Mai 2024 läutete es bei einem Mann in der Rosenheimer Pernauerstraße an der Wohnungstür. Ein Maskierter stand vor ihm und überschüttete ihn, ohne ein Wort zu sagen, mit einer Flüssigkeit. Dann verschwand er wieder. Ein Auge des Rosenheimers wurde verätzt, das Gesicht und die Oberarme verbrannt. Später stellte sich heraus: Es war hochgiftige Flusssäure, die sogar Glas angreift.

Geschädigter aus Rosenheim wird als Zeuge aussagen

Der Prozess um diese Säure-Attacke vor dem Traunsteiner Landgericht biegt am Montag (17. Februar) Richtung Zielgerade. Laut Vorsitzendem Richter Volker Ziegler könnte die Beweisaufnahme abgeschlossen werden. Der Geschädigte selbst muss noch als Zeuge aussagen, dazu werden Gutachten erwartet. Dabei wird der Angeklagte nochmal im Mittelpunkt stehen: Es ist ein 41-Jähriger aus Petting. Er soll aus Eifersucht gehandelt haben. Rund zwei Monate vor der Tat ging die Beziehung zu seiner damaligen Freundin - ebenfalls Rosenheimerin - in die Brüche. Vermutlich sah er im Opfer den Schuldigen für das Beziehungsende.

Von allen Zeugen, die ich vernommen habe, hätte ihm keiner so eine Tat zugetraut“, sagte der Ermittlungsführer der Kripo vor Gericht. Alle aus dem Freundes- und Bekanntenkreis beschrieben den 41-Jährigen als hilfsbereit, friedliebend und deeskalierend. In Petting hatte er ein hohes Ehrenamt inne. Die beiden Männer - Angeklagter und Opfer - kannten sich wohl nicht persönlich. Laut Kripo legte er sich eine zusätzliche Handynummer zu, kontaktierte den Geschädigten, gab sich ihm gegenüber als Frau aus und erschlich sich so seine Wohnanschrift in Rosenheim.

Urteil wohl am 25. Februar

Der Pettinger hat bisher vor Gericht nur geschwiegen. Angeklagt ist er wegen versuchten Mordes und Körperverletzung. Die Verhandlung am heutigen Montag beginnt um 13 Uhr. Plädoyers und Urteil sind für 25. Februar vorgesehen. rosenheim24.de wird aktuell aus dem Gerichtssaal berichten. (xe)

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