Nach Vorfall in Pernauerstraße in Rosenheim
Schockierende Neuigkeiten zur Säure-Attacke: Warum nun wegen versuchten Mordes ermittelt wird
Es war eine Tat, die für Entsetzen sorgt: Am 13. Mai hat in Rosenheim ein 40-Jähriger einem Mann an dessen Wohnungstür Säure ins Gesicht geschüttet. Ein dringend Tatverdächtiger wurde jetzt gefasst. Der Zustand des Opfers (31) ist weiterhin ernst. Auch, weil die Säure viel gefährlicher ist, als anfangs gedacht.
Rosenheim – Dr. Florian Eyer hat in seiner beruflichen Laufbahn schon viel erlebt. Er arbeitet als Chefarzt der Abteilung für Klinische Toxikologie am Universitätsklinikum rechts der Isar der Technischen Universität München und behandelt auch immer wieder Menschen, die mit Säuren in Berührung gekommen sind.
Schwere Verletzungen im Gesicht und am Körper
Doch ein Fall, wie der, der sich am Montag, 13. Mai, in Rosenheim zugetragen hat, dürfte auch dem Experten noch nicht so oft untergekommen sein. Gegen 21.30 Uhr muss es gewesen sein, als ein vermummter Täter an der Wohnungstür eines 31-jährigen Rosenheimers klingelte und ihm unvermittelt ein „flüssiges Säuregemisch“ ins Gesicht schüttete. Der Mann erlitt dabei schwere Verletzungen im Gesicht und am Körper, wie das Polizeipräsidium Oberbayern Süd mitteilte.
Bei der Flüssigkeit, die der Täter verwendet hat, handelt es sich entgegen der ersten Vermutung nicht um Salzsäure, sondern um Flusssäure, teilt Staatsanwalt Wolfgang Fiedler auf OVB-Anfrage mit. Diese Säure – auch Fluorwasserstoffsäure genannt – ist eine farblos, stechend riechende Flüssigkeit, die auf der Haut stark ätzend wirkt.
Säure führt zu schwerwiegenden Verletzungen
„Die Säure ist nach Einschätzung der Experten des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA) höchst gefährlich – auch schon in kleinen Mengen“, sagt Fiedler. Selbst auf einer Fläche von zehn auf zehn Zentimetern verursache die Flüssigkeit egal an welcher Körperstelle schwerwiegende Verletzungen. Die unter Umständen auch zum Tod führen können, sagt Fiedler. Vor allem, wenn die Säure wie im Fall des Rosenheimers in die Augen gelangt.
Von bleibenden Schäden ist auszugehen
„Der gesundheitliche Zustand des 31-Jährigen ist weiterhin ernst“, bestätigte das Polizeipräsidium Oberbayern Süd in einer Pressemitteilung. So werde sich der Rosenheim noch mehreren Operationen unterziehen müssen. Schon jetzt sei jedoch davon auszugehen, dass er bleibende Schäden davontragen wird.
Anderthalb Wochen nach dem Angriff gelang es der Polizei einen dringend tatverdächtigen 40-jährigen Deutschen festzunehmen und dem Ermittlungsrichter vorzuführen. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Traunstein – Zweigstelle Rosenheim – lautet auf versuchten Mord. „Vor allem wegen der Gefährlichkeit des verwendeten Stoffes“, erklärt Staatsanwalt Wolfgang Fiedler.
Bestellung über das Internet?
An einen anderen Fall, in dem Flusssäure verwendet wurde, kann sich Wolfgang Fiedler nicht erinnern. Häufiger sei der Einsatz von Salzsäure, da diese leichter zu beschaffen sei. Zwar könne Flusssäure über das Internet zum Beispiel von Unternehmen erlaubnispflichtig im Internet gekauft werden, dabei gebe aber Kontrollen.
Unfälle in Betrieben
Etwas häufiger mit Flusssäure zu tun, hat Chefarzt Dr. Florian Eyer. „Flusssäure-Verätzungen sehen wir relativ regelmäßig, vielleicht zwölfmal pro Jahr“, sagt er auf OVB-Anfrage. Fast immer handele es sich dabei um Unfälle in Betrieben. In der Regel seien Hände oder Füße betroffen, selten das Gesicht.
Gelangt Säure ins Gesicht, kann es laut dem Experten zu schweren Verätzungen der Haut- und Schleimhäute führen. Insbesondere die Augen seien gefährdet. „Es kann zu entstellenden Narben kommen“, erklärt der Chefarzt. Gelangt die Säure zudem in den Mund-Nasen-Raum könne dies zu Verätzungen der Speiseröhre und des Magens führen. „Die Gefahren sind Schwellungen der Atemwege bis zum Ersticken, Schäden an den Schleimhäuten mit Blutungen oder gar Perforationen“, sagt er.
Schleimhäute abspülen
Er rät dazu, Haut und Schleimhäute direkt nach dem Kontakt mit klarem Wasser abzuspülen. „Am besten unter der Brause. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass das Abwasser nicht die gesunden Hautpartien berührt“, sagt Florian Eyer. Die Augen sollten vorsichtig mit Wasser von innen nach außen gespült werden. Anschließend sollten sowohl der Rettungsdienst als auch der Giftnotruf verständigt werden.
„Bei einer Hautverätzung durch Flusssäure gibt es noch ein ‚Antidotgel‘, das aus Calciumgluconat besteht und das man auftragen würde, nachdem man gespült hat“, sagt der Experte. Im Krankenhaus angekommen, kümmern sich die Ärzte dem Chefarzt zufolge um eine Dekontamination, sichern die Atemwege, intubieren, falls notwendig und spülen die Augen aus. Zudem werden – falls notwendig – weitere Kontrolluntersuchungen durchgeführt.
Ermittlungen laufen weiter
Nach derzeitigem Ermittlungsstand deutet für Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei vieles auf eine Beziehungstat hin, wenngleich die Ermittlungen und Untersuchungen zu den genauen Hintergründen der Tat noch andauern.