Helmut Huttmann war 27 Jahre Hausmeister der Chiemgau-Halle
Kanzler, Kabarettisten, Schlamm-Catcherinnen: „...nur den Stallgeruch brachten wir nie raus“
Er hat sie alle kommen und gehen sehen: Von Willy Brandt über Ottfried Fischer oder Karl Moik bis zu einer Gruppe Schlamm-Catcherinnen - und nicht zuletzt hunderttausende Kälber. Helmut Huttmann war Hausmeister der Traunsteiner Chiemgau-Halle zu ihrer besten Zeit. Wir haben ihn besucht.
Traunstein - Sie war jahrzehntelang sein Zuhause, jetzt muss Helmut Huttmann zuschauen, wie „seine“ Chiemgau-Halle abgerissen wird. Von 1980 bis 2007 war er Hausmeister in der Halle des Rinderzuchtverbands. Momentan wird sie von Baggern aus dem Weg geräumt. „Manchmal tut‘s schon bissl weh. Aber alles hat seine Zeit“, sagt Huttmann beim Besuch von chiemgau24.de. Und von jener Zeit der Chiemgau-Halle hat der 79-Jährige die allerbeste mitgemacht. Denn lange war sie viel mehr als nur der Marktplatz für Kälber und Großvieh.
Alte Chiemgau-Halle mit Stallgeruch: Gerümpfte Nasen und Steilvorlagen fürs Kabarett
Boxer, Rockstars oder die hohe Politik. Helmut Huttmann hat sie alle in Empfang genommen. Und immer wieder war die Chiemgau-Halle mit gut 1300 Besuchern voll bis unters Dach. „Nur den Stallgeruch, den haben wir nie rausgebracht“, lacht er. Viele Kabarettisten nutzten aber genau das als Steilvorlage. „Muss ich zum Bieseln in den Stall hinaus?“, habe beispielsweise Bruno Jonas gefragt. Und Ottfried Fischer meinte während seines Auftritts, eine Zugabe könne er dem Publikum heute nicht bieten - nur eine „Kuhgabe“.
Andere nahmen es weniger locker. Rainhard Fendrich habe bei der Ankunft in der „Viehhalle“ angewidert die Nase gerümpft. Und Karl Moik (“Musikantenstadl“) meinte: „In solchen Hallen haben wir begonnen, als wir noch ganz unten waren.“ Franz-Josef Strauß machte hier genauso Wahlkampf, wie der damalige Bundeskanzler Willy Brandt. Monika Gruber, Didi Hallervorden, „Nicki“, Andy Borg, Konstantin Wecker, Wolfgang Ambros oder Lisa Fitz - alle waren da. Und einst auch die noch junge „Spider Murphy Gang“. Huttmann: „Ich hab‘ die damals noch gar nicht gekannt. Aber da ging die Post ab. Und das waren wirklich nette Burschen.“
Würstl für die Kinder, Shopping für die Bäuerin: Kälbermärkte hatten früher Event-Charakter
Nach ihrem Bau 1975 war die Chiemgau-Halle der größte Veranstaltungsort in der ganzen Region - und bei Event-Managern, wie man sie heute nennen würde, entsprechend gefragt. Über 30 Mal im Jahr wurde die Chiemgau-Halle gebucht. Dreh- und Angelpunkt war sie aber immer für die Milchbauern. Hier trafen Landwirte aus dem nördlichen Landkreis auf ihre Kollegen aus den Bergregionen. „Und die Familien kamen mit. Für die Bäuerinnen war es noch was Besonderes. Viele hatten früher noch keinen Führerschein und konnten in Traunstein dann mal zum Einkaufen gehen. Und die Kinder haben sich in der Chiemgau-Halle über ein warmes Paar Wiener Würstl gefreut“, erzählt Huttmann mit einem Strahlen im Gesicht.
„Schauen, dass die Bude sauber ist. Das war meine Hauptaufgabe“, so Helmut Huttmann. Allein war er dabei aber nicht. Ihm zur Seite stand immer seine Frau Irmgard. 55 Jahre sind sie schon verheiratet. Nachts die Kälber versorgen, nach den Märkten putzen, Reparaturen, Umbauten für alle möglichen Veranstaltungen - und wenn mal wieder ein großer Name in der Chiemgau-Halle auftauchte, waren Helmut und Irmgard Huttmann für Garderobe oder Pausenverkauf zuständig. „Wir waren immer greifbar.“ Die vielleicht meiste Arbeit gab es aber nach der „Rocky Horror Picture Show“. Das ganze Klopapier und die Reiskörner, die vom Publikum geworfen wurden, „da haben wir fast geweint“.
Frauen-Schlammcatchen 1989: Schimpfende Zuschauer und protestierende Feministinnen
Was in Helmut Huttmanns Augen aber so richtig in die Hose ging: ein Frauen-Schlammcatchen in der Chiemgau-Halle. Ums Jahr 1989 müsste das gewesen sein. „Sieben oder acht Damen wurden da aus München hergefahren. Die wurden nicht mal vorbereitet, was das Programm sein wird. Und der Veranstalter hat in der Mitte einfach ein Planschbecken hingestellt, gefüllt mit Torf und Wasser. Das war‘s“, erzählt Huttmann. Von den geschätzten 800 Zuschauern hätten die allermeisten nur geschimpft. Passenderweise protestierten vor der Halle Feministinnen.
Umso schöner fand der Hausmeister dagegen die „Chiemgau-Festspiele“ von Hans Leonhardt: „Orpheus und Eurydike“, „Fidelio“, „Die Entführung aus dem Serail“, „Anatevka“ oder die „Zauberflöte“ - „das war immer ausverkauft. Und mir ist‘s kalt den Buckel runtergelaufen“, schwärmt Helmut Huttmann. Von 1987 bis 1998 war‘s, als die Chiemgau-Halle Heimat der Festspiele war. Auch an Auftritte der Shaolin-Mönche oder von Zauberern erinnert sich der 79-Jährige. Und er grinst: „Hinter der Bühne hab ich das ja alles mitbekommen, wie die ihre Tricks wirklich gemacht haben.“
Auch nach dem Auszug aus der Hausmeister-Wohnung: Die Huttmanns blieben an der Chiemgau-Halle
Etwa ab Mitte der 2000er-Jahre wurde es dann langsam stiller in der Chiemgau-Halle. Und als Huttmann 2007 in Rente ging und die Hausmeister-Wohnung in der Chiemgau-Halle aufgeben musste, war das neue Domizil schon gefunden: wieder an der Siegsdorfer Straße, schräg gegenüber der Halle. Heißt auch: Zirkusse, die Gewerbeschau „Truna“ oder das Frühlingsfest haben die Huttmanns immer vor der Nase. „Man kann sich über alles aufregen. Aber das haben wir nie getan“, ist sich das Ehepaar einig. Vielmehr freut er sich darüber, wie die jungen Leute jeden Tag aufs Volksfest gehen.
Helmut Huttmann ist kein Nostalgiker. Auch die neue Versteigerungshalle gefällt ihm gut. Und nach wie vor führt ihn sein Weg jeden Mittwoch hinüber zum Kälbermarkt. Freilich, die Jungbauern kennen ihn kaum noch. Aber zum Ratschen hat Helmut Huttmann, der jahrzehntelange Hausmeister der Chiemgau-Halle, noch immer jemanden gefunden.
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