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Nach Beißvorfall in Traunstein – Diskussion um Einführung des Hundeführerscheins

„Hunde sind eben keine Hamster“: Wie sinnvoll ist der Hundeführerschein?

Collage: Hundetrainerin Andrea Aß und Hundehalterin aus Berlin, Ulrike Kumpe zum Thema Hundeführerschein.
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Nach Beißvorfall in Traunstein: Macht der Hundeführerschein Sinn? Wir haben die Hundetrainerin Andrea Aß (links) aus Höslwang gefragt. In Berlin wurde der Hundeführerschein bereits eingeführt: Hundehalterin Ulrike Kumpe (rechts) lebt in der Hauptstadt und übt Kritik an der Umsetzung. Sie zeigt auf, warum Berlin kein Vorbild sein kann.

„Bitte, Danke, ausweichen, Kacka wegmachen“ – Ein Minimum an Verhaltensregeln, und selbst das sei, so die Hundetrainerin Andrea Aß aus Höslwang nicht mehr Standard. Seit der Pandemie sind die Zahlen an Hundehaltern enorm gestiegen - scheinbar aber nicht der gute Umgang mit den Vierbeinern. Am Karsamstag wurde in Traunstein ein 62-jähriger Fahrradfahrer Opfer einer Beißattacke. Kann ein verpflichtender Hundeführerschein helfen?

Traunstein/Höslwang/Berlin –`Der will doch nur spielen, der tut nix‘: Ob Hundebesitzer oder nicht. Wer hat das nicht schon mal gehört, nachdem ein mit Schlamm überströmter Labrador in gestrecktem Galopp an einem hochspringt und seine Lebensfreude zu aufdringlich kundtut. Manchmal endet es aber nicht nur mit einem Schreck und verdreckter Kleidung: Ein Traunsteiner Fahrradfahrer wurde am Karsamstag (8.April) von einem freilaufenden Hund in die Wade gebissen.

Hundeführerschein: „Das Erkennen und Beurteilen von Gefahrensituationen“

„Also als Trainer frage ich dann immer, hat es geblutet?“ Was die Hundetrainerin, Andrea Aß damit sagen möchte: Es fehlen oft Informationen zu den Umständen und der Schwere der Verletzung. Hat der Hund gebissen oder nur gezwickt und wie kam es dazu: „Ja, es war ein Fahrradfahrer, wahrscheinlich war es ein Hund, der überfordert war, noch nicht weiß, wie er damit umgeht, ist dem hinterher und hat ihn dann quasi gefangen. Dann steht in der Zeitung, der Hund hat gebissen.“ Beim Hundeführerschein würde unter anderem genau das im Vorfeld bei den Hundebesitzern trainiert werden: „Das Erkennen und Beurteilen von Gefahrensituationen mit Hunden.“ Und deshalb ist Andrea Aß grundsätzlich für die Einführung eines verpflichtenden Hundeführerscheins.

„Jeder Hund, der falsch gehalten wird, kann zur Gefahr werden“

Die umgehende Einführung des verpflichtenden Hundeführerscheins - das fordert nun erneut auch die Tierrechtsorganisation PETA, die nach dem Beißvorfall in Traunstein erklärt :„Jeder Hund, der falsch gehalten oder behandelt wird, kann zu einer Gefahr für Mensch und Tier werden – unabhängig davon, ob er einer ‚Rasse‘ angehört oder ein ‚Mix’ ist.“ Beim Hundeführerschein würden Halter, so PETA weiter, lernen ihren vierbeinigen Freund besser einzuschätzen und zu erfahren, was in kritischen Situationen zu tun sei: „Gefährliche Zwischenfälle – zum Beispiel Beißunfälle – können auf diese Weise vermieden werden.“

In einigen Bundesländern ist der Sachkundenachweis schon Pflicht

PETA erwähnt auch den positiven Effekt in den Bundesländern, in denen der Hundeführerschein bereits eingeführt wurde: „Als erstes deutsches Bundesland hat Niedersachsen einen Sachkundenachweis für Hundehalter beschlossen.“ Dort würden sich, so PETA, nach drei Jahren nachweislich weniger Vorfälle ereignen. Auch in Berlin sind Hundehalter seit 2017 ebenfalls dazu aufgefordert einen Hundeführerschein zu machen. Chiemgau24.de hat mal in der Hauptstadt nachgefragt, wie der Hundeführerschein dort ankommt:

„Hunde sind keine Hamster - Sie können Menschen gefährden“

„Die Idee von einem Hundeführerschein finde ich gut, damit sich mehr Halterinnen und Halter mit ihren Hunden und was auch die Bedürfnisse der Hunde sind, was die Körpersprache anbetrifft, auseinandersetzen. Ulrike Kumpe ist Hundehalterin, wohnt seit vielen Jahren in Berlin und ist dort Mitglied in einem Jagdhundeverein: „Hunde sind keine Hamster. Sie können Menschen gefährden und da ist es auch relativ egal, wie klein oder wie groß der Hund ist.“ Sie hat sich mit dem Hundeführerschein auseinandergesetzt, weil sie durchaus Interesse hatte, die Prüfung mit ihren Hunden abzulegen: „Es ist faktisch nicht möglich, herauszubekommen, wo man in Berlin diesen Hundeführerschein machen kann.“

Freilauf auf Hauptstraße - genug Motivation für Hundeführerschein?

Wenn in Bayern ein Hundeführerschein kommen sollte, dann, so Kumpe, sollte man die Rahmenbedingungen überdenken, denn: In Berlin liefe da einiges schief: „Der Hundeführerschein soll im Endeffekt Hundehalter motivieren, ihn zu machen, darüber, dass er dann seinen Hund in Nebenstraßen ohne Leine führen darf.“ In Berlin gilt seit 2017 im gesamten Stadtgebiet die Leinenpflicht. Nur wer den Hundeführerschein nachweisen kann, darf seinen Hund ableinen aber: „Grundsätzlich gilt in allen Parks und Grünflächen Berlins eine Leinenpflicht, ganz unabhängig vom Hundeführerschein. Und beispielsweise auf dem stadtbelebten Alexanderplatz würden die meisten Halter ihre Hunde ohnehin nicht unangeleint laufen lassen.“

Wer kontrolliert die Sachkunde?

Wer also in der Hauptstadt mutig genug ist, seinen Hund auf viel befahrenen Straßen ohne Leine zu führen, darf das – aber nur mit dem Hundeführerschein. Kontrollieren soll das in Berlin das Ordnungsamt: „Also grundsätzlich sind dafür natürlich die Ordnungsämter wie überall zuständig, die aber in Berlin überhaupt nicht die Kapazitäten haben und das nicht kontrollieren. Was hin und wieder kontrolliert wird, sind unangeleinte Hunde in Grünflächen, wo eben unabhängig vom Führerschein die Leinenpflicht immer gültig ist.“

Schon bevor der Hund einzieht vorbereitet sein

Wie könnte eine bessere Umsetzung aussehen? Ulrike Kumpe stimmt auch Hundetrainerin Andrea Aß zu, die sich eine verpflichtende Einführung eines Sachkundenachweises, schon bevor der Hund überhaupt angeschafft wird, wünscht: „So wie es die Österreicher ja schon machen, ein Vorabtest für jeden Besitzer, erst mal zu erfahren, was das überhaupt bedeutet, einen Hund zu haben. Weil ja viele mit einer rosa Brille sich dieses Welpen-Dasein und Hundeleben vorstellen und dann plötzlich wie von einer Lawine mit der Arbeit, die ein Hund mit sich bringt, überrollt werden.“ In Wien ist zum Beispiel seit 2019 ein theoretischer Sachkundenachweis schon bei der Anmeldung eines Hundes vorzulegen. Aß und Kumpe würden dieses Vorgehen in Kombination mit einem späteren Praxisteil, wenn der Hund eingezogen ist, sehr befürworten.

Skeptische Stimme zum Zwang eines Sachkundenachweises

Es gibt aber auch Gegenstimmen zum verpflichtenden Hundeführerschein: Der Präsident der bayerischen Tierärztekammer, Dr. Karl Eckert ist zwar für einen Hundeführerschein, aber nur auf freiwilliger Basis: „Diese Problematik, wenn wir sagen, es müssen alle einen Hundeführerschein machen, da habe ich jetzt schon meine Bedenken, wie kann das überhaupt gehen. Die Frau, nennen wir sie einfach mal Frau Huber, die im dritten Stock wohnt mit ihrem kleinen, lieben Zwergpudel, die braucht den Hundeführerschein nicht. Und genau da setze ich meine Bedenken an.“

Der Präsident der bayerischen Landestierärztekammer, Dr. Karl Eckert, ist skeptisch, wenn es um die verpflichtende Einführung des Hundeführerscheins geht. Er hat Bedenken bei der Umsetzung und hält nichts vom Zwang.

Erst wenn der Hund auffällig ist, muss was passieren?

Eckert spricht sich zwar für mehr Sachverständnis im Miteinander zwischen Hund und Mensch aus: „Prinzipiell bin ich absolut dafür, man sollte viel mehr Ahnung haben, wenn man mit einem Tier umgeht.“ Den Zwang einer Sachkundeprüfung sieht Eckert nur bei bereits auffälligen Hunden beziehungsweise ihren Haltern als sinnvoll: „Sobald irgendein Hund auffällig wird, oder irgendjemand anmacht, richtig anmacht, dann muss ich sagen, ok, personenbezogen oder hundebezogen, da muss jetzt was passieren. Der muss jetzt so einen Hundeführerschein machen. Und vielleicht für die Allgemeinheit auch, vielleicht könnte man da Anreize schaffen.“

Finanzielle Anreize: München macht es vor

Die Stadt München zum Beispiel schafft Anreize: Wer den freiwilligen Sachkundenachweis in Form des Hundeführerscheins erbringt, muss ein Jahr lang keine Hundesteuer zahlen. Gibt es denn bei uns in Bayern bereits die Möglichkeit, einen Hundeführerschein zu machen und lohnt es sich? Zwei Organisationen sind legitimiert, die Prüfung abzunehmen: der Internationale Berufsverband der Hundetrainer & Hundeunternehmer e.V (IBH) und der Berufsverband der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen e.V.(BHV).

Nur Hundeschulen, die vom BHV oder IBH zugelassen sind, dürfen Prüfung anbieten

Da liegt auch der Hund begraben bei der vergeblichen Suche von Ulrike Kumpe: In Berlin bieten nach unseren Recherchen lediglich zwei Hundeschulen die Abnahme der Prüfung in Zusammenarbeit mit dem IBH oder dem BHV an. In unserer Region kann man unter anderem zur Hundeschule von Andrea Aß gehen. Dort haben die Mensch-Hund-Teams die Möglichkeit an einem vorbereitenden Kurs teilzunehmen oder sich aber auch extern anzumelden.

Die stolzen Hundebesitzer nach bestandener Prüfung des Hundeführerscheins. Sie haben bei Andrea Aß einen Kurs besucht und im Anschluss den externen Prüfer des Berufsverbands der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen e. V. (BHV) überzeugen können, im Hund-Mensch-Team gut zu funktionieren.

Rollstuhl und Rollator: Der Hund sollte ruhig bleiben

Der Hundeführerschein: Noch ist die Diskussion nicht vom Tisch. Würde euer Hund die Prüfung schaffen? Andrea Aß gibt für chiemgau24.de einen Einblick in Teile der Prüfungsinhalte: „Es werden zum Beispiel Begrüßungssituationen dargestellt. Das heißt, jemand winkt dir wild und schreit hallo. Dann kommt auch ein Hundeteam spontan mal um die Ecke. Wobei wir als Prüfer und Veranstalter für all diese Ablenkungen verantwortlich sind. Ich muss schauen, dass an diesem Tag alles vorhanden ist: Von Rollstuhl über Scooter, über Kinderwagen, Fahrrad. Da kommt eine Frau mit Krücken oder wir haben meistens einen riesen Regenmantel an, der flattert. Um dem Prüfer zu zeigen, der Hund ist mit seinem Halter in der Lage, diese Situationen zu meistern.“

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