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Der Angeklagte Samer O. am vergangenen Dienstag vor der Traunsteiner Landgericht. Bei einer Schleusungsfahrt am 13. Oktober 2023 soll er auf der A94 bei Ampfing sieben Menschen getötet haben.
Ampfing/Traunstein - Der Prozess gegen Samer O. neigt sich vor dem Traunsteiner Landgericht langsam dem Ende entgegen. Am heutigen Montag dürfte es der vorletzte Verhandlungstag sein. Vorgeworfen wird ihm der Mord an sieben Flüchtlingen bei einer Schleusungsfahrt über die A94 bei Ampfing.
Update, 13.15 Uhr - Gerichtsmediziner muss Leichen beschreiben
Samer O. war bei seiner Schleusungsfahrt am 13. Oktober von Niederösterreich über die Grenze bei Burghausen und weiter über die A94 anscheinend sehr wohl bewusst, was er tat. Ein Zeuge der Kripo Mühldorf, der sein Handy auswertete, sagt aus: Nur acht Minuten nach dem Horror-Unfall mit sieben Toten, in dem ganzen Chaos rund um die Unfallstelle, löschte er noch Whatsapp von seinem Handy.
„Um 3.28 Uhr wurde Whatsapp von seinem Handy gelöscht. Und der Unfall war exakt um 3.20 Uhr“, so der Zeuge: „Eine Datensicherung war nicht eingerichtet. Der ganze Nachrichtenverkehr ist unwiederbringlich weg.“ Dass er mit dem vorausfahrenden Scout-Fahrzeug kommunizierte, konnte aber auch über andere Wege bewiesen werden. Denn auch die drei Scouts konnten festgenommen werden. Gegen sie wird ab Mittwoch vor dem Landgericht verhandelt.
Nichts für schwache Nerven ist dann der Vortrag des Rechtsmediziners. Er gibt Auskunft über die Obduktionen der sieben Toten. „Wo genau die Leichen am Unfallort lagen, das können wir heute nicht mehr sagen. Aber fest steht, dass bei dem Auto beide Seitentüren ausgerissen wurden und die Insassen so hinausgeschleudert wurden.“
Völlig entstellt wurde die Leiche eines sechsjährigen Türken. Der Rechtsmediziner vermutet, dass das sich überschlagende Fahrzeug auf ihm landete. Auch hier muss er sämtliche Details nennen, wie sein Körper zugerichtet wurde. Außer dem Buben starben zwei weitere Türken im Alter von 29 und 35 Jahren, sowie vier syrische Staatsbürger, die 33, 34, 45 und 48 Jahre alt waren.
Von den Überlebenden wurde ein 23-jähriger Flüchtling am schlimmsten verletzt. Sein Gehirn traf es so schlimm, dass er heute nicht mehr sprechen kann und intensivmedizinisch versorgt werden muss. Er wird wohl für immer ein schwerer Pflegefall bleiben. Der Sachverständige vermutet, dass jene sechs Flüchtlinge, die im Kofferraum zusammengepfercht wurden, noch am besten davonkamen.
Im Prozess gegen den Schleuser Samer O. geht es am morgigen Dienstag (22. Oktober) ab 9 Uhr an die Plädoyers. Auch mit einem Urteil wird am Traunsteiner Landgericht gerechnet.
Update, 11.10 Uhr - „Es war eine Entscheidung Gottes“
Zwei Überlebende des Horror-Unfalls auf der A94 sagen als letzte Zeugen im Prozess jetzt aus: zwei Syrer im Alter von 31 bzw. 24 Jahren. Beide wurden schwer verletzt, erlitten Brüche der Oberschenkel und der Becken, verletzten sich in der Lunge oder den Wirbeln. Besonders die Aussage des 31-Jährigen, der jetzt im Landkreis Coburg lebt, sorgt im Gericht für Aufsehen.
„Wir wurden zu sechst in den Kofferraum gesetzt“, so der Mann. Wegen seiner schmächtigen Figur sahen die Schleuser für ihn diesen Platz vor. Und der Syrer erzählt weiter: „Wir konnten uns gerade mal hinknien, es war sehr eng. Und der Fahrer hat uns gesagt, wir sollen uns immer ducken, damit man unsere Köpfe nicht durch die Fensterscheiben sieht.“ Auch er bestätigt, dass, inklusive des Fahrers, insgesamt 23 Menschen in den Neunsitzer gequetscht waren.
Bei der vierstündigen Fahrt von Traiskirchen, südlich von Wien, bis zur Grenze habe der Fahrer nur einmal für eine Minute eine Pause gemacht. Als in Deutschland dann plötzlich Zivilpolizei hinter dem Mercedes Vito her war, hätten die Flüchtlinge von Samer O. gefordert, stehenzubleiben. Ohne Erfolg. „Nach dem Unfall schaffte ich es alleine nicht mehr aus dem Auto. Ein anderer hat mich rausgezogen.“
Als sich der Angeklagte bei dem 31-Jährigen entschuldigen will, entwickelt sich ein Streitgespräch. „Du hattest es in der Hand, Du hättest stehenbleiben können. Auch mein Cousin ist gestorben“, so der Zeuge – doch der Angeklagte hält dagegen: „Nein, ich hatte es nicht in der Hand. Es war eine Entscheidung Gottes.“
Es ist nicht das erste Mal, dass Samer O. seine Verantwortung in gewisser Weise von sich weisen will. Schon gegenüber einer Frau, die bei dem Unfall am 13. Oktober 2023 eines ihrer Kinder und ihren Mann verlor, sagte der Angeklagte: „Es war Schicksal.“ Man darf davon ausgehen, dass solche Aussagen vom Gericht eher strafschärfend ausgelegt werden.
Vorm Landgericht wird noch ein Kriminalpolizist aussagen und Gutachten werden vorgestellt.
Vorbericht
Mit rund 150 km/h lenkte Samer O. am 13. Oktober 2023 einen übervollen Mercedes-Kleinbus von der A94 bei Ampfing und brachte das Auto zum mehrfachen Überschlag. Von den 22 Flüchtlingen an Bord des „Vito“ starben sieben bei dem Unfall. Bereits zum Prozessbeginn gestand der Mann die Tat. Genauer äußerte er sich bisher aber noch nicht zu der Fahrt. Am Montag (21. Oktober) erscheinen vor dem Traunsteiner Landgericht die letzten Zeugen. Auch Gutachten werden noch präsentiert. Verhandlungsbeginn ist um 9 Uhr.
Sieben Tote bei Horror-Unfall auf A94 im Kreis Mühldorf am Freitag (13. Oktober)
Mord-Prozess um Schleuserunfall auf A94 bei Ampfing
Die Fahrt begann im niederösterreichischen Traiskirchen, bei Burghausen überquerte Samer O. die Grenze. Von einem Scout-Fahrzeug zum Ausspähen der Grenze wurde er begleitet. Gegen die dreiköpfige Besatzung des Scout-Fahrzeugs wird ab Mittwoch ebenfalls in Traunstein verhandelt. Eine Zivilstreife wollte den Neunsitzer auf der Autobahn kontrollieren, doch Samer O. hielt nicht an und beschleunigte bis auf 180 km/h. Alle Überlebenden wurden bei dem Unfall verletzt. Sie stammen aus der Türkei und Syrien.