Votum aus Siegsdorf wertlos
PV-Anlage Vogling kommt nach „Entmachtung“ des Gemeinderats: So ist das jetzt in ganz Bayern
Der Gemeinderat Siegsdorf hat eine Photovoltaik-Freiflächenanlage in Vogling eigentlich abgeschmettert. Doch gebaut werden kann sie trotzdem, wie das Landratsamt Traunstein erklärt. Das ist der Grund.
Siegsdorf/Traunstein – Es war eine lange und heftige Diskussion im Gemeinderat Siegsdorf. Am Ende wurde der Bauantrag für die Errichtung einer Photovoltaik-Freiflächenanlage (PV) im Gemeindegebiet von Vogling mit 11:9 Stimmen abgeschmettert. Das Problem daran: Die Entscheidung der Lokalpolitik ist komplett wirkungslos, die Zeit für die Aussprache war verschwendet. Das Landratsamt Traunstein begründet auf Anfrage des OVB, warum nicht einmal der am 4. Dezember 2024 eingereichte Bauantrag für das 0,97 Hektar große Solar-Projekt nötig gewesen wäre.
„Dieser Antrag hat sich inzwischen erledigt, da seit dem 1. Januar 2025 PV-Freiflächenanlagen entlang von Autobahnen und Bahnlinien, die nach dem Baugesetzbuch (BauGB) bundesrechtlich privilegiert sind, landesrechtlich nach der Bayerischen Bauordnung (BayBO) verfahrensfrei gestellt wurden“, teilt Presseprecher Michael Reithmeier mit. Baurechtlich privilegiert sind zur Förderung der Energiewende Solar-Anlagen in einem Radius von 200 Metern rund um übergeordnete Schienenwege und Autobahnen - weil dort die Auswirkungen auf das Landschaftsbild und die Menschen am geringsten sind. Und auch in der Region noch deutlich mehr Strom aus erneuerbaren Ressourcen erzeugt werden muss.
Nur Rückbauverpflichtung und Artenschutz-Prüfung nötig
Der Bauantrag der PV Vogling GmbH & Co KG auf einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche liegt komplett innerhalb des sogenannten „privilegierten Bereichs“ von 200 Metern zum Fahrbahnrand der Autobahn A8. Deshalb, so das Landratsamt Traunstein, habe man den Bauherrn aufgefordert, seinen Bauantrag zurückzunehmen. „Er muss lediglich eine Rückbauverpflichtungserklärung bei uns einreichen und naturschutzrechtliche Belange direkt mit der Unteren Naturschutzbehörde klären“, so Reithmeier zum OVB.
Das bedeutet zugleich die „Entmachtung“ des Gemeinderats von Siegsdorf in diesem Fall. Das hatte Siegsdorfs Bürgermeister Thomas Kamm schon zuvor befürchtet, war allerdings noch davon ausgegangen, dass zumindest das Landratsamt noch mitentscheiden darf. Aber auch das ist nicht der Fall. „Damit entfällt auch die Relevanz des Gemeinderatsbeschlusses zur Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens. Da das Vorhaben verfahrensfrei errichtet werden kann, ist ein gemeindliches Einvernehmen nicht erforderlich. Eine Prüfung durch das Landratsamt zur möglichen Ersetzung des Einvernehmens entfällt daher ebenfalls“, erklärt Reithmeier. Das bedeutet: Die lokale und regionale Politik in ganz Bayern hat bei derlei PV-Projekten praktisch nichts mehr zu sagen.
Bürgerentscheid in Übersee: Was wird mit anderen PV-Projekten im Chiemgau?
Das düfte die Diskussion um PV-Projekte in der Region weiter anfachen. In Übersee gibt es über ein 12 Hektar (120.000 Quadratmeter) großes Projekt am 6. April einen Bürgerentscheid, der aber selbst bei einem „Nein“ der Bürger nicht zum definitiven Aus für die PV-Anlage führen wird. Etwa acht Hektar des Solar-Projekts liegen nämlich im privilegierten Bereich. Zudem sorgt die neue Gesetzeslage für eine Zuspitzung der Flächen-Konkurrenz zwischen landwirtschaftlich genutzten Terrain und PV-Freiflächenanlagen.
„400 Euro bekommt man pro Hektar, wenn man ihn landwirtschaftlich verpachtet. 5000 Euro pro Hektar bei einer Verpachtung zu PV-Zwecken“, erklärt Übersees Gemeinderätin Birgit Gnadl, selbst Tierheilpraktikerin und Frau eines Landwirts.. Wer 20 Hektar landwirtschaftliches Gelände für die Solarstrom-Erzeugung verpachte, könnte also 100.000 Euro jährlich kassieren. Für 30 Jahre fest. Macht stolze drei Millionen Euro. Gnadls Fazit nach der Rechnung: „Die Flächen-Konkurrenz mit PV wird massiv kommen.“ Auch in Vogling wird knapp ein Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche künftig wohl für eine PV-Anlage verwendet.
