Bundestagsabgeordneter zu Polizei-Einsatz
„Einschüchterungsversuch“ nach Anti-AfD-Demo Grassau? Staatsanwalt zu neuen Antifa-Vorwürfen
Der Streit um den Polizei-Einsatz nach der Anti-AfD-Demo von Grassau geht in die nächste Runde und sogar ein Bundestagsabgeordneter mischt mit. Wann stellten die Beamten die Widerstands-Anzeige gegen einen polizeibekannten Störer aus dem linken Spektrum? Die Staatsanwaltschaft Traunstein gibt Auskunft über den Ermittlungsstand.
Grassau - Eigentlich hat die Polizei in Grassau derzeit ganz andere Probleme als den epischen Streit um den Einsatz bei der Anti-AfD-Demo am 30. November. Im Ortsteil Mietenkam ist am Montag (9. Dezember) ein 35-Jähriger von einem Polizisten erschossen wurden, nachdem er den wegen einer mutmaßlichen Geiselnahme herbeigeeilten Beamten mit einem Messer attackiert hatte. Die ersten Ermittlungen ergaben, dass der Schütze als „Zeuge und nicht Beschuldigter“ anzusehen ist. Das hat die Staatsanwaltschaft Traunstein festgestellt.
Die Justizbehörde ist inzwischen auch im strittigen Fall des Polizei-Einsatzes bei der Anti-AfD-Demo eingeschaltet. Alles begann damit, dass ein polizeibekannter Aktivist aus der Rosenheimer Antifa-Szene der Polizei im OVB-Gespräch Gewalt bei seiner Festnahme nach einer offenbar gezielten Provokation vorgeworfen hatte: „Ich wurde mit dem Kopf gegen die Wand der Hefter-Halle geknallt. Das nächste, woran ich mich erinnere, dass ich mit Handschellen am Boden liege.“
Links-Aktivist auf „Krawall gebürstet“?
Neutrale Beobachter sagen, dass eine Gruppe von bis zu 20 Links-Aktivisten aus der Anti-AfD-Demo ausscherte und einer davon „auf Krawall gebürstet“ gezielt die Auseinandersetzung mit den Sicherheitskräften gesucht habe. Auch die Version der Polizei klingt deutlich anders als die der Antifa. Der Mann habe widerrechtlich versucht, sich Zugang zur Wahlkampfveranstaltung der AfD im kleinen Heftersaal zu verschaffen. Grassaus Polizeihauptkommissar Marcus Roth schildert, was danach passierte: „Der Störer wurde entfernt und hat sich so gewehrt, dass die Polizei Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte erstattete.“
Und genau hier beginnt der neue Streit. Die Antifa-Organisation noROpression vermutet darin eine Racheaktion der Polizei. Die Anzeige wegen Widerstands gegen den festgenommenen jungen Mann sei nach ihren Angaben erst gestellt worden, nachdem der vermeintlich brutale Polizei-Einsatz zum öffentlichen Thema geworden sei. Links-Aktivistin Janina König, die die Festnahme beobachtet haben will, sagt: „Das nun gegen den Aktivisten ermittelt wird, und nicht gegen die gewalttätigen Beamten, ist ein Skandal!“
Linken-Abgeordneter Gürpinar stellt Fragen
Auch der Rosenheimer Bundestagsabgeordneten der Linken, Ates Gürpinar, stellt sich in der Mitteilung von noRopression auf die Seite der Antifa-Aktivisten: „Sollte sich dieser Verdacht erhärten, ist dies getrost als Einschüchterungsversuch im Kampf gegen Rechts zu werten. Das ist insbesondere in heutiger Zeit höchstbedenklich. Nach meinen bisherigen Informationen erfolgte eine Anzeige erst, nachdem Beschwerden über das Vorgehen der Polizei bekannt wurden. Wieso werden in Zeiten des massiven Rechtsrucks diejenigen ins Visier genommen, die sich damit nicht abfinden?“
Grassaus Polizeichef Roth kontert jedoch im OVB-Interview: „Ich war Einsatzleiter an dem Tag und die Vorwürfe stimmen weder vom zeitlichen Ablauf noch in der politischen Dimension.“ Die Einsatzkräfte hätten die Pflicht, sich politisch neutral zu verhalten. Der Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sei noch am Tag der Demo erhoben worden. „Wenn ein Polizeibeamter einen Anfangsverdacht auf eine Straftat hat, dann ist es unsere Pflicht zu ermitteln. Wir haben da gar keine Wahlmöglichkeit“, so Roth: „Die Staatsanwaltschaft entscheidet dann, ob ein Verfahren eröffnet wird.“
Die Staatsanwaltschaft antwortet
Genau dieses Procedere bestätigt die Staatsanwaltschaft in Traunstein. „Von der Polizeiinspektion Grassau wurden, wie diese uns mitteilte, bereits Ermittlungen durchgeführt und insbesondere dienstliche Stellungnahmen der beteiligten Polizeibeamten, die in diesem Verfahren Zeugen sind, eingeholt“, erklärt Oberstaatsanwalt Rainer Vietze auf Anfrage des OVB. Die „Strafanzeige gegen einen Teilnehmer der Gegenveranstaltung wegen des Verdachts des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ sei zwar bisher noch nicht eingegangen, aber die voraussichtlich zuständige Staatsanwältin habe sich bereits „über den Sachverhalt informiert“.
„Über den genauen Ablauf, wann eine Strafanzeige erstellt beziehungsweise ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, kann hier aktuell keine Aussage getroffen werden, da die Akte noch nicht bei uns eingegangen ist“, so Vietze. Auf telefonische Nachfrage wurde durch einen Beamten der Polizeiinspektion Grassau mitgeteilt, dass zunächst über die Frage der Anordnung des Sicherheitsgewahrsams für den Störenfried entschieden wurde.
„Erst als im Anschluss eine Rücksprache mit den eingesetzten Beamten möglich war, haben sich aus deren Aussage für die Polizei zureichende tatsächliche Anhaltpunkte dafür ergeben, dass der Beschuldigte sich wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte strafbar gemacht haben könnte. Deshalb ist eine Strafanzeige erstellt worden“, so Vietze. Nach Eingang der Akte werde der von den Polizisten wiedergegebene Sachverhalt durch die Staatsanwaltschaft rechtlich bewertet werden.
Anklage oder Verfahren einstellen?
Die Polizei ist – genau wie die Staatsanwaltschaft – befugt, Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. Die Staatsanwaltschaft trägt dann die Verantwortung für das Ermittlungsverfahren und beaufsichtigt die Ermittlungen der Polizei. Vietze: „Die polizeiliche Tätigkeit dient ebenso wie die eigene Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft der Vorbereitung der staatsanwaltschaftlichen Entscheidung darüber, ob nach Abschluss der Ermittlungen Anklage zu erheben, Strafbefehl zu beantragen oder das Verfahren einzustellen ist.“
Es bleiben also bewegte Tage für die Grassauer Polizei - nicht nur, weil die ganze Region über den Todesschuss im Ortsteil Mietenkam diskutiert.