Hochwasser 2013 in Kolbermoor und Rosenheim
Zehn Jahre nach der Katastrophe: So gut ist der Hochwasserschutz jetzt – das sind die Gefahren
Vor zehn Jahren hielt ein Jahrhunderthochwasser die Region in Atem. Ganze Stadtteile von Rosenheim und Kolbermoor wurden von den Fluten überschwemmt. Seitdem wurde viel Geld in die Schutzmaßnahmen an der Mangfall gesteckt. Doch Experten warnen vor Situationen, in denen diese noch immer nicht ausreichen.
Rosenheim – So ein Wochenende, wie das von Freitag, 31. Mai 2013, bis Montag, 3. Juni 2013, will Klaus Moritz nie wieder erleben. Kaum Schlaf, ein im Minutentakt klingelndes Telefon, phasenweise kein Strom und eine ständige Bedrohung durch Wassermassen. Der Leiter der Fachbereiche Hydrologie und Warndienste des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim (WWA) spricht von Ereignissen, die selbst keiner seiner Vorgänger je gesehen hatte – das Jahrhunderthochwasser 2013 an der Mangfall.
Erste Vorwarnung bereits am Donnerstag, den 30. Mai 2013
Bereits am Donnnerstag, 30. Mai, habe sein Team die bayernweit erste Vorwarnung vor einem möglichem Hochwasser herausgegeben. „Bei der Wetterlage war klar, dass am Wochenende viel Arbeit ansteht“, sagt Moritz. Eine von West nach Ost gerichtete Wolkenfront – eine sogenannte West-Wetterlage – staute sich am Alpenrand und sorgte für tagelangen Regen.
Dass das „schlimme Folgen“ haben könnte, sei Moritz am Samstagvormittag klar geworden, als er sich auf der Brücke am Rosenheimer Eisstadion einen Überblick über die Lage verschaffte. „Ab da an hatte ich Schweißperlen auf der Stirn, da klar war, dass noch mehr Wasser kommt“, erzählt der Fachbereichsleiter. Und die Prognose sollte Recht behalten. Bis in die Nacht auf Montag spitzte sich die Lage dramatisch zu.
Erste Überflutungen im Kolbermoorer Süden
„Das Hauptproblem war die Überflutung auf der Südseite in Kolbermoor zwischen den beiden Brücken“, sagt Christoph Wiedemann. Der Fachbereichsleiter Abteilung Planung und Bau beim WWA Rosenheim ist seit vielen Jahren für den Hochwasserschutz an der Mangfall zuständig. „An der Stelle gab es keinen Deich, sondern nur die Straße“, berichtet er. Und als der Fluss die Uferoberkante erreichte, flossen rund 80 Kubikmeter Wasser pro Sekunde nach Kolbermoor und weiter in die Rosenheimer Stadtteile Schwaig und Oberwöhr. Erst dort konnte das Wasser über den Auerbach zurück in die Mangfall.
Noch schwieriger sei die Situation am Schwarzen Weg im nördlichen Kolbermoor gewesen. „Dort bestand zwischenzeitlich die Gefahr, dass der Deich bricht“, sagt Moritz. Wäre das der Fall gewesen, hätte sich eine Flutwelle über den Aicherpark den Weg in die Rosenheimer Innenstadt gebahnt.
Kein Deichbruch in der Region
Es sei wichtig zu verstehen, dass entlang der Mangfall kein Deich gebrochen sei, sagt Moritz. Auch nicht in Rosenheim. „Das waren alles Falschmeldungen“, sagt der Fachbereichsleiter. Die Deiche seien „nur“ überronnen worden – ausschließlich in Kolbermoor. Und das sei ein großer Unterschied, da die Wassermengen eine viel zerstörerische Wucht hätten, wenn sie schlagartig entweichen können, als wenn sie kontinuierlich über das Ufer laufen.
Dass kein Deich gebrochen ist, liegt laut Christoph Wiedemann daran, dass seit 2000 viel in den Hochwasserschutz an der Mangfall investiert worden ist. Deshalb sei ein Großteil der Deiche im oberen Mangfalltal und in Rosenheim bereits 2013 für ein 100-jährliches Hochwasser gerüstet gewesen. Auch wenn nicht alle Deiche in Rosenheim auf dem neuesten Stand der Technik gewesen wären, waren sie zumindest so hoch, dass sie „hergehalten haben“. Kolbermoor sei hingegen einer der Abschnitte gewesen, die am wenigstens ausgebaut waren.
Hochwasserschutz für 88 Millionen Euro
Inzwischen sei der Ausbau des Hochwasserschutzes weit fortgeschritten. „Wir haben die Deiche auf einer Strecke von rund 17 Kilometer neu gebaut oder saniert“, berichtet Wiedemann. Für 88 Millionen Euro. Alle Dämme seien nun bei einem 100-jährlichen Ereignis hoch genug. Und zu weiten Teilen im Inneren mit statisch-tragendenen Beton- oder Stahlelementen so verdichtet, dass zumindest ein Bruch des Erdbauwerks kaum mehr möglich ist. Die wenigen fehlenden Innenverdichtungen sollen in den nächsten Jahren ergänzt werden.
Zudem sei bei der Deicherhöhung ein Klimafaktor einkalkuliert worden und selbst darüber gebe es „noch einen weiteren Meter Spielraum“. Ein „wesentlicher Bestandteil“ sei auch das Rückhaltebecken bei Feldolling, das 2025 fertiggestellt werden soll. „Dort können bei Hochwasser 6,6 Millionen Kubikmeter Wasser eingeleitet werden, die dann nicht die Mangfall hinabrauschen“, sagt Wiedemann.
Region für 100-jährliches Hochwasser geschützt
Deshalb sei er sich sicher, dass wenn ein ähnliches Hochwasser wie 2013 komme, in der Region nichts mehr passiert. „Gebäude werden jedenfalls nicht mehr überflutet“, sagt Wiedemann. 2004 lagen hingegen noch 18.600 Häuser im berechneten Überschwemmungsgebiet der Mangfall. „Die einzigen Flächen, die heute noch überflutet werden, sind landwirtschaftliche Flächen, die genau dafür eingeplant sind.“
Eine 100-prozentige Sicherheit gebe es aber nie, sagt Dr. Tobias Hafner, Leiter des WWA Rosenheim. Denn es könne ein immer noch schlimmeres Hochwasser-Ereignis eintreten, das über die Schutzmaßnahmen hinausgeht. „Die Wahrscheinlichkeit ein 500-jährliches Hochwasser zu erleben, liegt immerhin bei 15 Prozent“, sagt Hafner. Theoretisch gebe es sogar ein 10.000-jährliches Hochwasser. „Und selbst wenn man die Deiche 100 Meter hoch baut, obliegt jedem Bauwerk noch eine Versagenswahrscheinlichkeit.“ Derzeit sei aber ein Niveau beim Hochwasserschutz erreicht, „dass man sagen kann, dass technisch nicht mehr geht“.
Gefahr durch Starkregen und Grundwasserpegel
Die größere Gefahr für die Anwohner an der Mangfall geht Hafner zufolge von etwas anderem aus: lokale Starkregenereignisse und der Grundwasseranstieg bei Hochwasser. „Auch da laufen die Keller voll und das kann man nicht verhindern.“ Umso wichtiger sei es, dass die Leute nicht vergessen, dass sie an einem Fluss leben. „Trotz maximalen Hochwasserschutz muss ein Bewusstsein da sein, dass man auch sich selbst auf solche Fälle vorbereitet und zum Beispiel mit einer Versicherung vorsorgt“, sagt Klaus Moritz.. „Dann kann man auch bei einem Hochwasser wie 2013 ruhiger schlafen.“




