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Wer hat wen gerammt?

Wüster Streit um Verkehrsunfall am Bernauer Kreisel: Beweist ein Video die Unschuld des Angeklagten?

Zwei Autos stehen auf der Straße. Ein Auto hat einen Schaden vorne erlitten.
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So in etwa könnte der Schaden ausgesehen haben. Bei einem Streit soll ein Autofahrer einem anderen ins Fahrzeug gefahren sein. 7000 Euro Schaden sind entstanden.

Wer war der Verkehrsrowdy? Ein Autofahrer aus Österreich soll nach einem Streit am Bernauer Kreisel einen anderen Fahrer gerammt haben. Ein Video soll die Unschuld des Österreichers beweisen. Warum der Fall das Schöffengericht vor Herausforderungen stellte.

Bernau/Rosenheim Heftiger Streit am Bernauer Kreisel artete aus. Rosenheimer Schöffengericht verurteilte einen österreichischen Monteur zu 21 Monaten Haft mit Bewährung. Bereits am 13. Juli 2023 stand der 59-jährige Monteur aus Oberösterreich vor dem Rosenheimer Schöffengericht. Der Vorwurf: Beleidigung, Nötigung, Sachbeschädigung, unerlaubte Entfernung vom Unfallort und vor allem „gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“ (Paragraf 315b Strafgesetzbuch). Dieser wird mit einer Gefängnisstrafe nicht unter einem Jahr geahndet.

Der sachliche Vorwurf: Am 15. September 2022 gegen 19.50 Uhr habe er das Tatopfer auf der A8 vor dem Bernauer Berg zunächst rechts überholt, anschließend mehrfach willkürlich bis zum Stillstand abgebremst und so zu einer Notbremsung gezwungen. Danach sei er wegen eines absehbaren Staus auf die Abbiegespur nach Bernau gewechselt. Dabei habe er erneut das hinter ihm fahrende Fahrzeug des Zeugen willkürlich zum Abbremsen gezwungen und schließlich vor dem Bernauer Kreisel völlig zum Stillstand ausgebremst.

7000 Euro Schaden

Dort habe er das Auto verlassen, sei auf den Wagen mit dem Tatopfer zugegangen und habe auf den Rückspiegel und die Motorhaube eingeschlagen. Den Fahrer hinter ihm, der daraufhin ebenfalls den Wagen verließ, habe er mit groben Worten beleidigt. Schließlich sei er wieder in sein Auto gestiegen, um dann rückwärtsfahrend dessen Wagen mit seiner Anhängerkupplung zu rammen. Dabei sei dessen Stoßfänger und der Kühler derart beschädigt worden, dass der Kühler Flüssigkeit verlor und nachgefüllt werden musste, damit das beschädigte Auto zur Werkstatt gebracht werden konnte. Dabei war ein Schaden von knapp 7000 Euro entstanden.

Vor Gericht erklärte der Angeklagte, es stimme, dass er den Wagen des Mannes rechts überholt habe. Alles andere sei freilich genau andersherum passiert. Der Mann habe mit seinem Fahrzeug in der Folge ihn bedrängt, beleidigt und genötigt. Keine Rede könne davon sein, dass er den Wagen seines Kontrahenten beschädigt habe.

Im Übrigen habe er den ganzen Vorfall mit seiner Dashcam aus dem Wagen heraus gefilmt, was zweifelsfrei seine Unschuld beweise. Der Vorsitzende Richter Matthias Knoblauch war durchaus ungehalten, dass der Angeklagte erst zur Verhandlung mit dem Beweismittel ankam. Das Tatopfer sprach gar von gefälschtem Beweismittel.

Ein gefälschtes Video?

Der Richter verlangte die Herausgabe des Filmes, um diesen gutachterlich untersuchen zu lassen. Gleichzeitig wurde ein verkehrstechnisches Gutachten in Auftrag gegeben, das sowohl die Stichhaltigkeit der Aussagen im Lichte der Dashcam Aufnahmen, als auch die weiteren Umstände des Vorfalles überprüfen sollte. Bis dahin wurde das Verfahren ausgesetzt.

Am 31. Oktober 2024 traf man sich nun erneut vor dem Schöffengericht. Dieses Mal unter dem Vorsitz von Richterin Isabella Hubert. Die Argumente wurden erneut ausgetauscht, wobei der Geschädigte jetzt zugestand, möglicherweise auch Beleidigungen geäußert zu haben. Der Angeklagte seinerseits erläuterte, dass sein Schaltgetriebe schwergängig und hakelig sei, weshalb er – um den ersten Gang sauber einzulegen – gewohnheitsmäßig durchschalte, weshalb auch das Licht des Rückwärtsganges kurzzeitig aufgeleuchtet haben könne. Keinesfalls aber habe er sein Fahrzeug zurückgesetzt und schon gar nicht mit der Absicht den anderen Wagen zu beschädigen.

Das Dashcam-Video wurde im Laufe der Verhandlung mehrfach begutachtet und bewertet, ganz deutlich war dabei jedoch eine grobe Beleidigung durch den Tatopferzeugen zu hören. Alles wartete gespannt auf die Erklärungen und Beurteilungen des Gutachters. Andreas Thalhammer erläuterte auf seine gewohnt präzise und dennoch für jedermann verständliche Darlegung die messbaren und beweisbaren Fakten und Schlüsse. Zunächst widerlegte er die Behauptung des Zeugen, dieses Video sei manipuliert worden. Es handle sich fraglos um das Original, welches in zwei Etappen den Vorgang gefilmt habe. Drei Umstände, so seine Erklärung, hatten die Aufklärung des Vorfalles erschwert. Zum Zeitpunkt seiner Expertise sei das Fahrzeug des Angeklagten längst verkauft worden und überhaupt nicht mehr zur Verfügung gestanden.

Video wegen Regen und schlechter Qualität unklar

Der Wagen des Geschädigten war längst repariert. Messbare Spuren des Kollisionsherganges seien also überhaupt nicht mehr zur Verfügung gestanden. Die Belegfotos für die Versicherung durch die DEKRA seien qualitativ nicht auswertbar gewesen. So waren einzig die Aufnahmen der OnBoard-Kamera verfügbar gewesen. Diese wiederum sei jedoch relativ grobpixelig und dazu habe es während des gesamten Geschehens teils heftig geregnet.

Deutlich und allgemein verständlich legte er, belegt durch die Videoaufzeichnungen, dar, dass es sicher keine überflüssigen Abbremsungen auf der Autobahn gegeben habe, auch sei das Zeitfenster für eine absichtliche Rückwärtsfahrt des Angeklagten problematisch. Insgesamt vermöge er – anhand der vorhandenen Daten und Bilder – nicht mit ausreichender Gewissheit zu sagen, welcher von beiden Wagen den Zusammenstoß verursacht habe. Dass es den Zusammenstoß gab, ist aus dem Film durchaus ersichtlich. Aber wegen des prasselnden Regens auf der Frontscheibe vor der Kamera sei der Verursacher unmöglich zu benennen.

Angeklagter noch nicht vorbestraft

Die Staatsanwältin reduzierte in ihrem Schlussvortrag die Anklagepunkte wegen der unbewiesenen angeblichen Nötigung auf der Autobahn. Beharrte aber darauf, dass den Zeugen zu glauben sei, die keinen Anlass gehabt hätten, hier zu lügen. Sie beantragte den Angeklagten zu einer Haftstrafe von 21 Monaten zu verurteilen. Weil er bislang noch nirgendwo vorbestraft sei, könne die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Darüber hinaus solle er mit einer Buße von 5000 Euro belegt werden.

Der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Frank erklärte von vorneherein, dass er einen Freispruch erwarte. Diese Zeugen, so sein Einwand, hätten das Gericht mit Lügen bedient. Nachweislich stimme es nicht, dass das Video seines Mandanten – wie vom Zeugen behauptet – manipuliert worden sei. Es stimme ebenfalls nicht, dass sie von seinem Mandanten auf der A8 zum abrupten Bremsen gezwungen worden seien. Auch die Behauptung, dass sie seinen Mandanten nicht beleidigt hatten und sich eine Person auf dem Beifahrersitz befunden habe, sei nicht wahr. Eine ganze Reihe von Vorwürfen seien mittlerweile zurückgenommen oder widerlegt worden.

Geldbuße von 2600 Euro

Fakt sei, dass sein Mandant wesentlich zur Aufklärung beigetragen habe. Fakt sei, dass es nicht sein Verschulden sein könne, wenn widrige Umstände einen Beweis für die Ursache des Zusammenstoßes verhindern. Es gebe keinen Beweis gegen seinen Mandanten. Deshalb sei dieser freizusprechen. Das Gericht verurteilte den Angeklagten, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt.

In der Urteilsbegründung erklärte die Richterin, dass sie den Ausführungen der Geschädigten Glauben schenke. Verwechslungen und irrige Eindrücke mögen der damaligen psychischen Situation der Geschädigten geschuldet sein. Insgesamt sei es einfach unglaubhaft, dass der Fahrer eines erst zwei Monate alten sehr teuren Wagens an diesem mutwillig oder aus kurzem Zorn heraus derartigen Schaden in Kauf nimmt. Darüber hinaus handle es sich in jedem Fall für eine Unfall-Flucht, egal wer nun wen gerammt hat. Sie setzte die Strafe zur Bewährung aus und verhängte eine Geldbuße von 2600 Euro. Die Verteidigung legte Berufung gegen das Urteil ein.

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