Vorwürfe „vollkommen aus der Luft gegriffen“?
Nach Hausbesetzung in Rosenheim: Wie realistisch sind die Forderungen der Aktivisten?
Mehr als eine Woche ist es her, seit drei Aktivisten eine leerstehende Immobilie an der Münchener Straße in Rosenheim besetzt haben. In der Stadt wird seitdem über die Forderungen des „Kollektivs Häuser besetzen“ diskutiert. Doch wie einfach lassen sich diese umsetzen? Und was sagen eigentlich Grüne und CSU?
Rosenheim - Die Plakate sind verschwunden, die Graffiti übermalt und die Farbspritzer, welche die Rauchbomben hinterlassen haben, sind entfernt worden: Am ehemaligen Hotel „Goldener Hirsch“ erinnert nichts an die Ereignisse der vergangenen Woche. Am Donnerstag 13. April, hatten drei Personen die leerstehende Immobilie an der Münchener Straße besetzt. Mit Bannern und einer Versammlung vor dem Gebäude machten die rund 20 Aktivisten auf ihre Forderungen aufmerksam - darunter kostenloser Wohnraum für alle, eine Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen wie Vonovia, eine Studie zum Leerstand in Rosenheim sowie eine Zweckentfremdungssatzung für die Stadt.
Abmilderung der Wohnungsnot
Nachdem sich SPD und AfD direkt im Anschluss an die Ereignisse äußerten, hielten sich Grüne und CSU mit ihrer Meinung vorerst zurück. Jetzt haben die beiden Fraktionen eine Stellungnahme abgegeben. „Es ist eine Illusion zu glauben, irgendeine Kommune in der Metropolregion München könnte einen entspannten Immobilienmarkt oder gar kostenlosen Wohnraum für alle bieten“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der CSU-Stadtratsfraktion und des CSU-Kreisvorstandes Rosenheim-Stadt. Die Städte könnten lediglich versuchen, mit ihren „begrenzten Möglichkeiten die Wohnungsnot abzumildern“.
In Rosenheim seien von 2018 bis 2021 252 Wohngebäude mit 624 Wohneinheiten fertiggestellt worden. 2022 und 2023 kamen der Fraktion zufolge insgesamt 95 erteilte Baugenehmigungen hinzu. „Der Vorwurf, man würde das Thema nicht ernst nehmen, ist daher vollkommen aus der Luft gegriffen“, kritisiert die CSU. Darüber hinaus ist die Fraktion der Auffassung, dass es neben allen staatlichen Anstrengungen insbesondere für Privatleute wieder attraktiver werden müsse, Wohnraum zu schaffen. „Enteignungsphantasien oder Hausbesetzungen sind hier kontraproduktiv und schaffen keine einzigen Quadratmeter bezahlbaren Wohnraum“, heißt es in der Stellungnahme.
Grüne distanzieren sich von Aktion
Dass ein Hausfriedensbruch kein Mittel ist, um seinen Protest zum Ausdruck zu bringen, unterstreicht auch Peter Rutz, Fraktionsvorsitzender der Rosenheimer Grünen. „Wir distanzieren uns daher deutlich von der Aktion des betreffenden Kollektivs in Rosenheim“, teilt er mit. Dennoch gehöre „bezahlbarer Wohnraum“ zu einem der größten Brennpunktthemen in der Stadt. „Der Frust und Unmut über die Hilflosigkeit bei vielen Betroffenen ist daher auch verständlich.“ Er appelliert an die Stadtverwaltung, sich mit dem Problem der Leerstände im Bereich Wohnungen „im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu befassen“.
Neben dem kostenlosen Wohnraum haben die Mitglieder des Rosenheimer Kollektivs „Häuser besetzen“ auch eine Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen wie Vonovia gefordert. Dieser besitzt in Rosenheim 240 Wohnungen. Bleibt die Frage, ob sich diese Forderung rechtlich überhaupt umsetzen lässt.
„Die Frage ist umstritten und seitens der Rechtsprechung noch nicht geklärt“, teilt ein Sprecher des Bayerischen Justizministeriums auf OVB-Anfrage mit. Ähnlich äußert sich Fabian Thiel, Professor für Immobilienbewertung aus Frankfurt am Main. Zwar sei nach Artikel 15 des Grundgesetzbuches eine Vergesellschaftung von Grund und Boden möglich, jedoch sei nach wie vor nicht klar, ob Immobilienunternehmen unter „Grund und Boden“ fallen. Ein Zwischenbericht der Berliner Expertenkommission zum Thema „Vergesellschaftung“ habe nun zumindest herausgefunden, dass eine Wohnbebauung vergesellschaftungsfähig ist. „Im Einzelnen ist das meines Erachtens aber noch strittig“, sagt der Experte.
Linke richten Leerstandsmelder ein
Um schnelle Abhilfe zu schaffen, haben die Rosenheimer Linken jetzt einen Leerstandsmelder eingerichtet. „Die Stadt spricht davon, dass es in Rosenheim keinen Leerstand gebe - das ist zynisch. Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, wird ihn an vielen Ecken finden“, sagt Martin Bauhof, Vorsitzender des Kreisverbands Rosenheim. Aus diesem Grund haben die Linken jetzt, die Mailadresse leerstand@rosenheim.me eingerichtet. „Hier können Rosenheimer Bürger Wohnungen, Häuser und Gewerbeimmobilien melden, die seit mindestens drei Monaten ohne offensichtlichen Grund leer stehen“, heißt es in der Pressemitteilung. Bisher seien Meldungen zu 35 leer stehenden Gebäuden eingegangen. Die Angaben sollen jetzt verifiziert und später an den Oberbürgermeister übergeben werden.