Leinen los
„Nahui!“ – Wie Gottfried Held die Inn-Schifffahrt in Wasserburg wiederbeleben will
Es rührt sich wieder was an der Anlegestelle am Inn: Das Fahrgastschiff „Christine“ ist zwar in Rente, doch Wasserburgs „Kapitän“ Gottfried Held tourt wieder über den Inn – in einem kleinen Boot. Der Mann am Steuerrad will die Innschifffahrt wiederbeleben.
Wasserburg – „Nahui in Gott‘s Nam!“, ruft Gottfried Held vergnügt den Passanten zu, die neugierig an der Anlegestelle an der Roten Brücke stehen. Touristen muss er erklären, was der traditionelle Gruß der Inn-Schifffahrer bedeutet: „Packen wir es an!“ Drei Jahre lang war der Ausruf „Nahui!“ nicht mehr zu hören in Wasserburg, seit einigen Wochen heißt es endlich wieder „Leinen los.“ Der Kapitän ist zurück auf „See“, das heißt auf dem Inn. Allerdings nicht mehr mit der „Christine“, dem bekannten Fahrgastschiff in Wasserburg, sondern mit dem kleinen Schiff „Blaufelchen“. Doch obwohl hier nur bis zu zwölf Personen Platz haben, ist die Resonanz beachtlich, freut sich der Wasserburger. Werbung hat er bisher keine gemacht und trotzdem geht es regelmäßig auf Bootstour über den Inn. Touristengruppen fragen an, Firmen und Familien buchen eine Fahrt.
Held war selbst in der Pandemiezeit, in der er übergangsweise nicht fahren durfte und später aufgrund der hohen Auflagen darauf verzichtete, präsent am kleinen „Wasserburger Hafen“. Auch am heutigen Morgen ist der 68-Jährige in Aktion: Mit dem Dampfstrahler reinigt er die Schiffskörper. Das Hochwasser hat viel Dreck angespült. „Das hier ist der schönste Arbeitsplatz auf der Welt“, schwärmt der Skipper, während er seinen Blick über den wieder ruhigeren Inn Richtung Altstadtfassade schweifen lässt. Er trägt Gummistiefel, das für ihn typische, blau-weiß gestreifte Arbeitshemd und Hosenträger. Die Haare wehen im leichten Wind. Ein Wasserburger Original, immer bereit für ein Gespräch über seine Stadt, den sie so prägenden Fluss und die Schifffahrt.
Sie hat Held, im Hauptberuf Töpfer mit Werkstatt am Brucktor, Anfang der 90er Jahre wiederbelebt. Er hatte sich ein Holzboot gebaut, mit dem er auf dem Inn unterwegs war, und regelmäßig Anfragen erhalten: „Nimmst du uns mal mit?“ Das ging nicht, wasserrechtlich gesehen, deshalb wandte er sich an den damaligen Wasserburger Bürgermeister Dr. Martin Geiger. Dieser fand die Idee gut und versprach Unterstützung bei den übergeordneten Behörden, erinnert sich Held. Doch er musste feststellen: So einfach geht es nicht. Der Genehmigungsprozess erwies sich als sehr kompliziert und aufwendig, mit viel Auf und Ab. Und kuriosen Auflagen wie ein am Steg stehendes Feuerwehrfahrzeug, „falls es mal brennt an Bord“, wie Held schmunzelnd erzählt.
Er ließ sich nicht entmutigen und kaufte sein erstes Schiff, Baujahr 1956, erbaut am Starnberger See, jahrelang im Einsatz auf dem Forggensee. Helds Anträge wurden trotzdem zuerst abgelehnt. Mit dem damaligen Rathauschef ging es deshalb nach München zur Regierung von Oberbayern. Irgendwann setzte das Team Geiger-Held dann doch die Genehmigung durch, stets auch tatkräftig unterstützt von den Inn-Kraftwerken. Mittlerweile waren fünf Jahre vergangen, Held hatte fleißig mit größeren Schiffen geübt.
Eine Bootsfahrt, die ist lustig
Im Sommer 1992 ging es dann endlich offiziell los: mit der „Christine“, die vorher am Bodensee gefahren war, und Held von der Chiemsee-Schifffahrt Fessler übernommen hatte. Bei einem Kapitän von der Fraueninsel durfte der Wasserburger mit dem noch heute auf dem Chiemsee im Einsatz befindlichen Schiff „Maximilian“ trainieren, gemeinsam mit Bootsführern von den Innkraftwerken den Führerschein machen. Bei der ersten offiziellen Fahrt saßen der damalige Landrat Max Gimple und der damalige Wasserburger Bürgermeister Geiger und viele Vertreter der Stadt mit im Boot. „Recht lustig war`s“, erinnert sich Held lächelnd.
In den ersten Jahren verspürte die Innschifffahrt in Wasserburg einen regelrechten Run. Die „Christine“ – 22 Meter lang, 4 Meter breit, ein Motor mit 220 PS, Platz für 70 Personen – war fast immer ausgebucht. „Die Leute haben vor allem in den Anfangszeiten in langen Reihen angestanden, um mitfahren zu können“, sagt der Kapitän. Fast 30 Jahre schipperte er die Schleife entlang bis zum Kraftwerk sowie nach Rieden, eineinhalb Stunden, von Mitte April bis Oktober fast täglich, außerdem gab es viele Sonderfahrten. Die Töpferscheibe drehte sich auch noch, die Kinder waren klein. Die Kapitänsfamilie musste oft auf den Steuermann verzichten, sagt Held.
Seit über 30 Jahren unfallfrei
Dramatische Zwischenfälle gab es nicht. Der Kapitän ist bis heute unfallfrei. Die Atmosphäre auf dem Fluss empfindet er bei Gewitter und Starkregen sogar als besonders eindrucksvoll. Denn der Faradaysche Käfig schütze vor Blitzeinschlag. Trotzdem kann Extremwetter die Fahrgäste beunruhigen oder sogar für Seekrankheit sorgen. So war es einmal auf einen Vorgängerschiff der „Christine“, ein Cabriolet für 30 Personen, Es regnete rein, eine Passagierin bekam Panik, erinnert sich Held.
Meistens ist jedoch genau das Gegenteil der Fall: Bei Ausflügen über den Inn ist dem Skipper schon mancher Gast eingeschlafen, so beruhigend wirken das Motorengeräusch und das sanfte Dahingleiten auf der Wasseroberfläche. Bei Hochwassergefahr legt Held außerdem nicht ab. Er traut sich zwar Fahrten bis zum Pegel von 5,70 Metern zu, doch das Problem sei dann das viele Treibgut, dass der Inn mit sich schleppe. Wenn der Fluss stark ansteigt, so wie Ende August, als sogar Pegel 4 erwartet worden war, hält Held nichts daheim im Bett. Dann übernachtet er auf der Pritsche in der „Christine“.
Doch wirklich ausgebremst hat ihn nur Corona. Held kam regelmäßig zum „Rost klopfen“ und waschen, doch seinem Lieblingsschiff, das schon etliche Jahrzehnte auf dem Buckel hat, bekam die Pause nicht. 2022, als die Pandemie für beendet erklärt wurde, blieben zuerst die Anfragen aus. Dann folgte eine weitere Durststrecke, im wahrsten Sinne des Wortes für den Inn: zu wenig Wasser. Nicht einmal 40 Tage hätte der Kapitän angesichts des Tiefgangs von 1,50 Metern, den das Schiff hat, fahren können.
Traum von einem großen Schiff
Heuer wagte er sich wieder aufs Wasser: mit einem kleineren Schiff, aus Alu gebaut, vorher im Einsatz bei den Fischern am Bodensee, ausgestattet mit einem 100-PS-Motor. Die „Blaufelchen“ hat bei den Wasserburgern und ihren Gästen wieder die Freude an Stadtrundfahrten geweckt. Die Resonanz ist laut Held so gut, dass er darüber nachdenkt, doch wieder größer einzusteigen. Zwei seiner drei Söhne ziehen in Erwägung, in die Schifffahrt einzusteigen. Sogar ein Schiff in Bremen ist ins Auge gefasst: 30 Meter lang, sechs Meter breit, für 250 Personen. Auch einsatzbar für Sonderfahrten aus Anlass von Feiern oder Hochzeiten. Held hat auch eine Gaststättenkonzession für einen Imbiss an Bord, sodass eine Bewirtung möglich wäre.
Doch es gibt zwei Probleme: die Finanzierung – schon bei der „Christine“ musste Held 500.000 DM investieren, bevor die erste Fahrkarte verkauft war – und die Anlieferung, denn für die Zufahrt des großen Schiffes an der Roten Brücke müssten aufwendige Verkehrsmaßnahmen stattfinden. Held und Söhne würden außerdem gerne elektrisch fahren, dazu müsste eventuell ein Umbau durchgeführt werden.
Noch acht Jahre gilt die aktuelle Konzession für die Fahrgast-Schifffahrt. Held hat seinen Traum von einem großen Ausflugsschiff deshalb noch lange nicht ausgeträumt. Er ist überzeugt, dass die Tourismusstadt Wasserburg von einem solchen Angebot profitieren würde. Umso größer sein Ärger, als es kürzlich im Stadtrat kritische Nachfragen zur Anlegestelle gab. Hier liegen nicht nur die kleine, derzeit aktive „Blaufelchen“, die nicht mehr betriebene „Christine“, sondern auch das Schiff „Eduard“, ebenfalls stillgelegt aufgrund eines Motorproblems, und ein Arbeitsboot. Ein „Schiffsfriedhof“, bemängelte Stadtrat Wolfgang Janeczka. Held ficht das nicht an. Er ist überzeugt: An diesem Platz wäre die Wiederbelebung der Ausflugsfahrten im größeren Stil möglich.
