Viele Einsätze – zu wenig Aktive?
„Wer löscht morgen?“ So sieht die Zukunft der Feuerwehren im Wasserburger und Haager Land aus
Etwa ein Drittel weniger Feuerwehrleute soll es laut einer Studie bis zum Jahr 2024 in Bayern geben. Warum sich Rosenheims Kreisbrandrat Richard Schrank für den Südosten jedoch „keine Sorgen“ macht, wie häufig die Feuerwehren im Wasserburger und Haager Land ausrücken und was sich in Zukunft ändern muss.
Wasserburger Land/Rosenheim – Sie kommen, wenn es brennt, bei Hochwasser und vollgelaufenen Kellern oder zu Verkehrs-Unfällen: die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren. Sobald der Alarm ertönt, eilen die Mitglieder los – egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Diese Arbeit erledigen die Floriansjünger ehrenamtlich. Doch wie lange wird es noch genügend freiwillige Helfer geben? Und was muss in Zukunft getan werden, damit es genug Nachwuchs gibt?
Studie: „Wer löscht morgen?“
Mit diesen Fragen hat sich ein Team aus Wissenschaftlern der Technischen Hochschule Nürnberg befasst. In einer Studie von 2024 mit dem Titel „Wer löscht morgen?“ haben Doris Rosenkranz, Edmund Görtler und Enya Buchner die Zukunft der Freiwilligen Feuerwehren in Bayern analysiert und kamen zu dem Ergebnis: „Im Jahr 2041 wird die Zahl der Aktiven bei den Freiwilligen Feuerwehren um mindestens ein Drittel niedriger sein als heute.“ In einzelnen Regionen könne der Rückgang sogar noch höher sein, heißt es in der Studie.
Die Gründe dafür seien, dass eine „große Anzahl an ehrenamtlich Aktiven die gesetzliche Altersgrenze erreichen wird“ und dass „sich durch den Rückgang der Kinderzahlen in Bayern das Potenzial zukünftiger Aktiver verringert“. Sprich: Es werden mehr Personen aus dem aktiven Dienst ausscheiden, als junge Anwärter nachkommen – und das, obwohl die Zahl der aktiven Mitglieder inzwischen in den vergangenen Jahren bayernweit um 1,2 Prozent gestiegen ist.
Engpässe wird es eher in Bayerns Norden geben
Auch Rosenheims Kreisbrandrat, Richard Schrank, meint, dass der Erhalt für manche Feuerwehren in Bayern schwierig werden könne. Jedoch werde sich das je nach Region sehr unterschiedlich gestalten. „Es wird wahrscheinlich eher im Norden Bayerns zu größeren Engpässen kommen“, sagt er. Aber auch bei kleinen Feuerwehren im Süden könne es eng werden. Für seinen Verantwortungsbereich – der Landkreis Rosenheim – macht sich der 60-Jährige jedoch keine Sorgen.
Derzeit gibt es im Landkreis laut Schrank 116 Freiwillige Feuerwehren. Im Einzugsgebiet der Wasserburger Zeitung sind es 54. Sowohl bei den Mitgliedern, als auch bei den Einsätzen gehen die Zahlen bei letzteren weit auseinander. Laut den Angaben von 23 Feuerwehren aus dem Wasserburger und Haager Land hat eine jede von ihnen im Schnitt etwa 54 aktive Einsatzkräfte, wovon rund sechs Frauen dabei sind. Zudem sind etwa zwölf Jugendliche pro Einheit tätig, wobei nicht jede Feuerwehr eine Jugendgruppe hat.
Am meisten Einsätze hatte die Wasserburger Wehr
2023 sind die Einsatzkräfte in der Region im Durchschnitt 45 Mal ausgerückt. Heuer waren es bis zum Stichtag am 1. November etwa 38 Einsätze. Spitzenreiter war in beiden Jahren die Wasserburger Wehr. Das Schlusslicht bildete die Feuerwehr aus Schambach.
Auch wenn Schrank positiv in Zukunft blickt, wird der Rausfall der Generation „Babyboomer“ dennoch eine Lücke hinterlassen. „Hier müssen die Kommunen dann vermehrt für den Dienst werben“, sagt der Kreisbrandrat. Denn die Feuerwehr gehört als „kommunale Einrichtung“ zur Sicherheitsbehörde der Gemeinden, erklärt der 60-Jährige. Geleitet werde sie vom Kommandanten. Daneben gibt es bei vielen Feuerwehren auch einen Verein mit einem Vorsitzenden als „Sozusagen Chef“. „Der Feuerwehrverein gestaltet sich gleich wie ein Trachten- oder Schützenverein“, erläuter Schrank. Diese Struktur sei historisch in Bayern so gewachsen.
Kommune soll Feuerwehrdienst attraktiver gestalten
Demnach sei auch die Kommune dafür verantwortlich, den Feuerwehrdienst attraktiv zu gestalten. Manche Gemeinden würden zum Beispiel geringfügig Beschäftigte für Aufgaben, wie das Schreiben von Einsatzberichten, anstellen, sagt Schrank. Oder sie würden aktive Mitglieder tageweise für den Feuerwehrdienst anstellen. Denn letztlich sei das Ehrenamt sehr zeitaufwendig und viele Einsatznachbereitungen müssten die Floriansjünger in ihrer Freizeit nachholen, weiß Schrank, der lange als Kommandant tätig war. „Das waren bestimmt drei Abende in der Woche, die ich bei der Feuerwehr verbracht habe. Entweder es wurde gemeinsam geübt oder Büroarbeiten waren zu erledigen“, erinnert sich der Kreisbrandrat.
Zudem müsse die Feuerwehr in Zukunft sowohl Quereinsteiger als auch den Nachwuchs mehr fördern, so Schrank. „In Bayern sollte man auch wie in anderen Bundesländern schon mit zehn Jahren der Jugendfeuerwehr beitreten dürfen. Die Kinder können dort schon spielerisch an die Aufgaben hingeführt werden“, erklärt er. Auch die Frauenquote ist laut Schrank in den vergangenen Jahren immer mehr gestiegen.
„Altersmannschaft“ wie beim THW
Schrank befürwortet auch eine Art „Altersmannschaft“. Diese sehe zum Beispiel vor, dass man ab einem gewissen Alter zwar keine Führungspositionen mehr einnehmen dürfe, aber man bei Einsätzen weiterhin mithelfen könne. „Das bringt mehrere Vorteile: Zum einen bringen erfahrene Kräfte Ruhe mit. Zum anderen sind sie eventuell schon in Rente und hätten auch vormittags und nachmittags Zeit und können sozusagen ‚Einsatz-begleitend‘ dabei sein“, erklärt der Kreisbrandrat. Zudem könnten sie bei der Ausbildung, Fahrzeug- oder Gerätepflege helfen. „Es gibt schließlich viele Aufgaben.“ Diese Art des Ehrenamts gebe es schon beim Technischen Hilfswerk (THW) oder bei den Feuerwehren in Österreich, berichtet Schrank.
Neben den Kommunen und dem Gesetzgeber könne auch die Bevölkerung dazu beitragen, dass das Ehrenamt bei der Feuerwehr attraktiv bleibe, sagt der Kreisbrandrat, und appelliert dabei an den Respekt untereinander. „Heuer wurde zum Beispiel ein Feuerwehrmann, der den Verkehr absperrte, von einem Pkw-Fahrer angefahren. So etwas ist natürlich unentschuldbar“, sagt Schrank. Auch verbale Beleidigungen oder bestimmte Handgesten gegenüber Einsatzkräften würden sofort angezeigt.
Studie: So kamen die Wissenschaftler zum Ergebnis
Wissenschaftler der Technischen Hochschule Nürnberg haben die Zukunft der Freiwilligen Feuerwehren analysiert und kamen zu dem Ergebnis, dass es bis 2041 ein Drittel weniger aktive Mitglieder geben werde.
Wie kamen die Wissenschaftler zu diesem Ergebnis? Dafür haben sie sich die derzeitige Altersstruktur in den Feuerwehren angeschaut. Laut der Studie sind die meisten Männer bei den Freiwilligen Feuerwehren entweder zwischen 23 und 35 Jahren oder zwischen 50 und 57 Jahren alt. Bei den Frauen sinkt der Anteil mit jeder Altersgruppe ab. „Im Moment ist von 100 Feuerwehrleuten bei den 18-Jährigen jede 4. Aktive eine Feuerwehrfrau, bei den 60-Jährigen jede 33. Person“, heißt es weiter.
Gleichzeitig haben die Wissenschaftler die Prognosen über die Entwicklung der Gesamtbevölkerung in die Analyse mit aufgenommen. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge die Altersgrenze des aktiven Dienstes erreicht hätten, wirke sich das stark auf die Anzahl an Aktiven in der Freiwilligen Feuerwehr aus. „Bis zum Jahr 2041 reduziert sich der Bestand an Aktiven altersbedingt – also rein aus demografischen Gründen – um ein Drittel, dies sind 75.000 Personen, die als Aktive weniger zur Verfügung stehen. Um dies aufzufangen, müssten also durchschnittlich pro Jahr fast 4.000 Aktive in Bayern neu hinzugewonnen werden“, heißt es in der Studie.
Als die Studie entstand, lag das Austrittsalter bei der Feuerwehr noch bei 65 Jahren. In Bayern soll jedoch das Alter an den Renteneintritt angepasst werden und auf 67 Jahre erhöht werden. Laut den Wissenschaftlern verschiebt die Anhebung die Entwicklung jedoch nur um ein paar Jahre nach hinten.
Mehr Verständnis aus der Bevölkerung erwünscht
Um mehr Verständnis von den Bürgern bittet auch Wasserburgs Erster Kommandant Timo Paul. „Wir verstehen natürlich, dass es ärgerlich ist, wenn eine Straße gesperrt ist und man dadurch einen Umweg auf sich nehmen muss, sagt der Floriansjünger. Auch Schrank kennt Situationen, in denen zum Beispiel Autofahrer keine Rücksicht nehmen wollen. „Oft hilft es, wenn man den Leuten dann erklärt, warum sie dort nun nicht vorbeifahren können. Handelt es sich zum Beispiel um einen Unfall, wäre man selbst auch froh, wenn die Rettungskräfte in Ruhe arbeiten könnten.“ Auch wenn diese Beschreibungen nur auf einen kleinen Bruchteil der Bevölkerung zutreffen würden, sei jede Beschimpfung gegen eine Einsatzkraft eine zu viel, verdeutlicht Paul. „Beleidigungen tragen nicht dazu bei, dass dieses schöne Ehrenamt attraktiv bleibt und wir genügend Nachwuchs finden“, verdeutlicht er.





