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Seit zehn Jahren schwer lungenkrank

Wenn die Luft ausgeht: So lebt Annette Hendl aus Soyen mit ihrem Sauerstoffgerät

Annette Hendl mit ihrem tragbaren Sauerstoffgerät. Es wiegt circa fünf Kilo.
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Annette Hendl mit ihrem tragbaren Sauerstoffgerät. Es wiegt circa fünf Kilo.

Annette Hendl aus Soyen lebt seit zehn Jahren mit einem unheilbaren Lungenleiden. Mittlerweile hat sie die zweite Selbsthilfegruppe gegründet. Warum sie anderen hilft, obwohl sie selbst schwerkrank ist, und wieso sich Betroffene mit ihrem Leiden bis heute alleingelassen fühlen.

Soyen – „Ich habe meiner Krankheit die Freundschaft gekündigt. Nicht sie bestimmt, wo meine Lebensreise hingeht, sondern ich, auch wenn ich mein Schicksal nur bedingt beeinflussen kann“: So beginnt das neue Buch „Leben mit Sauerstoff-Langzeittherapie“ von Annette Hendl aus Soyen. Seit über zehn Jahren hat sie das Asthma-COPD-Overlap-Syndrom, kurz ACOPD, und ist ständig auf Sauerstoff angewiesen. Ihre Erfahrungen, wie sie mit der Krankheit lebt, hat die 60-Jährige nun niedergeschrieben.

„Die Sauerstoffflasche war ein Geschenk zum 50. Geburtstag“, meint Hendl ironisch. Alles fing an, weil sie unter einem Reflux litt, das bedeutet, dass Magensäure in die Speiseröhre aufsteigt. Daraus können Beschwerden oder organische Komplikationen entstehen. Der Reflux habe bei ihr Asthma ausgelöst, außerdem riss dadurch ihr Zwerchfell, ihr Magen wurde hochgedrückt, berichtet Hendl. Zwei Mal wurde sie deswegen schon operiert. Noch einmal ist dies wohl nicht mehr möglich, was der 60-Jährigen große Sorgen bereitet, da wieder ein Riss entdeckt wurde. „Da muss man einfach abwarten, was passiert“, erklärt sie.

Die vielen Erkrankungen, die bei ihr diagnostiziert wurden, führten letztendlich zu einem permanenten Lungenschaden. Der Arzt teilt ihr mit, dass sie ab sofort Sauerstoff benötige. Ein großer Schock. Die Angehörigen wurden informiert, der 40-Liter-Tank war schon geliefert worden, als Hendl daheim ankam. „Und dann stand ich da. Das Gerät wurde kurz erklärt, das war´s. Ansonsten wurde davon ausgegangen, dass man die Handhabe alleine hinbekommt“, erzählt sie.

Viele Fallstricke

Doch wie die Praxis zeigte, ist das gar nicht so einfach. Über viele Jahre hinweg sammelte Hendl Erfahrungen damit. Es gebe so vieles zu beachten. „Mit der tragbaren Sauerstoffflasche, die rund fünf Kilo wiegt, kann ich ungefähr fünf Stunden unterwegs sein. Im Sommer, wenn es richtig heiß ist, aber nicht. Dann reicht die Luft nur etwa vier Stunden, da der Flüssigsauerstoff, der Minus 183 Grad kalt ist, das Gerät wie einen Kühlschrank abtaut“, sagt sie. „Das weiß ich nur, weil ich es selbst erlebt habe. Fast wäre mir der Sauerstoff ausgegangen – und dann?“, fragt sie. Im Winter könne der Schlauch, der vom Gerät zur Nase führe, kalt und steif werden. Auch beim Tragen „sehr unangenehm“.

Ein weiterer Fallstrick: Die Haut unter der Nase könne sich entzünden, weil dort permanent der Schlauch, die sogenannte Nasenbrille, sitzt. Auch die Schleimhaut trockne durch die Sauerstoffzufuhr mit der Zeit aus und es könne zu Nasenbluten kommen. „Da sollte man auf keinen Fall eine fetthaltige Creme auftragen. Das Fett reagiert mit dem Sauerstoff und kann verpuffen. So ist es bei vielen schon zu schweren Verbrennungen gekommen“, erklärt die 60-Jährige.

Um anderen Betroffenen zu helfen, hat Hendl vor zehn Jahren eine Selbsthilfegruppe in Mühldorf gegründet. Rund 30 Menschen nutzen dieses Angebot regelmäßig. 15 Betroffene, die nicht mehr kommen können, betreue Hendl per Hausbesuche und Telefonate. Patienten mit Lungenerkrankungen, wie Fibrose, Lungenemphysem, Asthma und COPD. Da die Gruppe großen Anklang findet, hat Hendl nun eine zweite unter dem Namen „Leben braucht Luft“ initiiert. Die Auftaktveranstaltung fand im Selbsthilfezentrum in Traunstein statt. Rund 35 Leute kamen. Kürzlich fand ein weiteres Treffen statt, bei dem „rund zehn Personen da waren. Es war aber ein heißer Tag, da trauen sich nur wenige aus dem Haus“, sagt sie.

Obwohl die Treffen und die Unterstützung, die Hendl den Betroffenen anbietet, sehr an ihren Kräften zehren, will die Soyenerin die Selbsthilfegruppen weiterführen. „Ich denke mir oft: Was hätte ich dafür getan, wenn ich jemanden gehabt hätte, der mir alles erklärt?“, erklärt sie. „Deswegen nehme ich das auf mich.“

Trotzdem könne sie selbst auch mehr Hilfe gebrauchen, beispielsweise vom Versorgungsamt. „Was ich für einen Handstand gemacht habe, damit ich einen Behindertenparkausweis bekomme, kann sich keiner vorstellen“, erklärt sie. „Ich bin nun mal nicht gut zu Fuß, für mich sind fünfzig Meter schon weit. Ohne Hilfsmittel wie einen Rollator oder Rollstuhl für sie unmöglich. „Wer keine kaputte Lunge hat, kann sich das wohl nicht vorstellen“, meint sie.

Krankenkasse zahlt einen Aufenthalt im Jahr

Auch Urlaube sind für Hendl schwierig umzusetzen. „Die Krankenkasse zahlt einmal im Jahr einen Aufenthalt. Dann wird ein Tank besorgt, der mit Sauerstoff aufgefüllt wird. Das kostet rund 150 Euro“, berichtet sie. „Das war´s für mich: Ich kann einmal im Jahr wegfahren. Ich kann weder meine Kinder oder Enkelkinder einfach mal besuchen“, beanstandet die Soyenerin. „Dass ich den Tank selbst auffüllen lasse, kann ich mir nicht leisten.“ Grundsätzlich könne sie das Haus auch nur fünf Stunden verlassen, weil dann „die Luft raus ist“ aus dem tragbaren Gerät. „Ich traue mich nicht einmal, nach München zu fahren, um dort mit einer Freundin Kaffee zu trinken. Wenn ich in einen Verkehrsstau gerate, dann habe ich ein großes Problem“, erklärt sie. „Mit diesen Problemen bin ich leider nicht allein. Die Dunkelziffer der Betroffenen mit so einer Therapie liegt bei weit über 300.000“, sagt sie.

Selbst wenn es Tanks gebe, die an öffentlichen Orten aufgestellt wären und an denen man theoretisch sein Gerät auffüllen könne, sei das keine Garantie. Das hat Hendl selbst erlebt, als sie auf einer Veranstaltung in München war. „Ich habe mich sehr gefreut, dass sowas angeboten wird. Vor Ort habe ich dann bemerkt, dass der Tank und meine Flasche nicht kompatibel waren. Für mich lebensbedrohlich, wenn mir buchstäblich die Luft ausgeht“, verdeutlicht die Soyenerin. Glücklicherweise gab es die Möglichkeit, ihr Gerät im 500 Meter entferneten Klinikum Großhadern aufzufüllen. Trotzdem besteht laut Hendl noch großer Verbesserungsbedarf.

Allen Widrigkeiten zum Trotz versucht die 60-Jährige bestmöglich mit ihrer Krankheit zu leben – mehr noch, sie hilft anderen Betroffenen und ihren Angehörigen, wo sie kann. Auch in ihrem neuen Buch gibt es zahlreiche Informationen und Tipps für alle, die mit Sauerstoffgerät leben müssen, sowie an Ärzte, Psychotherapeuten, Krankenpfleger(innen) und Angehörige, die mit der Thematik vertraut sind. Reisen, Schwimmen, Sicherheit im Umgang mit den Tanks: All das hat Hendl in ihrem Buch „Leben mit Sauerstoff-Langzeittherapie“ niedergeschrieben. Es soll Mut machen, das Leben mit einer Sauerstoff-Langzeittherapie als das zu sehen, was es ist: eine Chance, trotz allem weiterhin selbst bestimmt den Alltag zu meistern. Der Ratgeber ist erhältlich unter ISBN: 978-3-929480-61-0 oder oder portofrei unter 08071 - 7289511. Weitere Informationen gibt es online unter www.lebenbrauchtluft.de.

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