Sie haben den besonderen Blick
Wenn Stadtführer ihre City mitplanen: Wasserburg zeigt, wie es geht
Das ist Demokratie: Bürger unterbreiten einen Vorschlag, die Stadtpolitik nimmt ihn an. So geschehen in Wasserburg. Hier haben die Stadtführer eine Idee für ihre Stadt entwickelt. Es geht um die gute Stube, den Marienplatz. Denn der ist eher eine Straße als ein Platz.
Wasserburg – Die Stadtführer von Wasserburg gehörten bekanntlich zu den Kritikern der neuen Bushaltestellen am Marienplatz. Sie befürchteten weniger Platz für ihre Besuchergruppen und eine Störung der Sicht auf das historische Rathaus. „Wir haben eben einen speziellen, sehr wertschätzenden Blick auf die Stadt“, begründete der Sprecher der Stadtführer, Gerd Riedmeier, die Kritik rückblickend im Bauausschuss des Stadtrates.
Doch darum ging es ihm und seinen Kolleginnen beim Auftritt in öffentlicher Sitzung gar nicht mehr. Statt zurückzublicken, schauten sie nach vorne. Im Fokus: der nun folgende Umbau der provisorischen Haltestellen in barrierefreie feste Anlagen. Auch am Marienplatz, die guten Stube von Wasserburg. Er ist Ausgangs- und Mittelpunkt der Führungen.
Wasserburger Stadtführer schlagen vor: „Machen wir einen richtigen Platz draus“
Die Planungen für die Umbauten würdigte Riedmeier als „zurückhaltend und sensibel“ gegenüber der historischen Bausubstanz. Doch er regte im Namen seiner Kolleginnen und Kollegen an, die Baumaßnahme zu nutzen, um grundsätzlich über eine Umgestaltung des Areals nachzudenken. Ziel: ein richtiger Platz. Der fehle hier. Das zeige sich deutlich, wenn so wie am vergangenen Samstagmorgen acht Gruppen gleichzeitig Aufstellung nähmen. Dann fehle es an Platz, der Verkehr sorge für eine unruhige Atmosphäre, „es herrscht ein Durcheinander“, so Riedmeier. Ob der Bereich nicht beruhigt werden könne, fragte er an. „Vielleicht können wir noch drei Parkplätze zwicken“, schlug er für das Areal vor den Arkaden nahe der Terrasse des Cafés V vor. Sein Traum: eine Erweiterung der Platzfläche, Durchfahrt nur in Schrittgeschwindigkeit. Die Stadt nehme für den barrierefreien Bau der beiden Haltestellen über 100.000 Euro in die Hand, „machen wir doch gleich einen richtigen Platz daraus“, so der Vorschlag der Stadtführer.
Idee der Stadtführer kommt gut an
Bürgermeister Michael Kölbl (SPD) zeigte sich von der Idee angetan: „Vom Grundsatz her gut“, fand er ihn. In der Tat werde der Marienplatz von der Straße durchschnitten. Bettina Knopp (Grüne) sprach von einer „wunderbaren Idee“. Norbert Buortesch (Bürgerforum) bedankte sich, dass die Stadtführer nach dem „Aufschrei“ gegen die Bushaltestellen nun aktiv an der Weiterentwicklung teilnehmen würden. „Ich kann mir das total gut vorstellen mit dem Platz.“ Friederike Kayser-Büker, SPD-Fraktionsvorsitzende, sprach ebenfalls von einer schönen Initiative, nur die Barrierefreiheit der beiden Haltestellen dürfe nicht geopfert werden. Markus Pöhmerer (Wasserburger Block) forderte für die große Platzlösung auch eine „vernünftige WC-Anlage“.
Für den Marienplatz wird die Idee, ihn als Platz auszubauen, also nun weiterverfolgt. Die Machbarkeit soll geprüft, der Vorstoß mit einem Städteplaner besprochen, die Fördermöglichkeit abgeklopft werden, beschloss der Ausschuss einstimmig.
Debatte über Barrierefreiheit ausgelöst
Anders die Abstimmung zum barrierefreien Umbau der Bushaltestellen. Wolfgang Schmid (CSU) und Markus Pöhmerer (Wasserburger Block) stimmten gegen die Planung für den Standort Marienplatz. Schmid zeigte sich „erschlagen“ von den Kosten des Umbaus (75.700 Euro am Marienplatz, 13.000 Euro am Heisererplatz). Und erinnerte daran, dass die provisorischen Haltestellen auch funktionieren würden. „Können wir es nicht so lassen, wie es ist?“ Kölbl verwies auf das Ziel der Staatsregierung, den Freistaat komplett barrierefrei auszubauen, auch ein Wunsch des Ministerpräsidenten. „Ist mir wurscht“, entgegnete CSU-ler Schmid, der nicht nachvollziehen konnte, dass ein funktionierendes System einen Ausbau im sechsstelligen Kostenbereich benötige.
Der Bürgermeister erinnerte daran, dass die Stadt mit etwa zwei Dritteln Fördergelder rechnen könne. „Das sind doch auch Steuergelder“, so Schmid. Stadtbaumeisterin Mechtild Herrmann verwies auf die stark alternde Bevölkerung, die auf den ÖPNV angewiesen sei. Neue Bushaltestellen barrierefrei auszubauen, müsse eine Selbstverständlichkeit sein. Das unterstrich auch Kayser-Büker: „Geld für Kunstrasenplatz und Parkhäuser, aber nicht für die Barrierefreiheit?“ Auch Edith Stürmlinger (Bürgerforum) nannte den behindertengerechten Ausbau eine Selbstverständlichkeit.
Los geht es mit dem Heisererplatz
Er ist jedoch gar nicht so einfach. Eine Stunde lang rangen die Bauausschussmitglieder um Details des Umbaus: Es ging um Zentimeter, Pflaster, Steine, Farben, Borde, Materialien und Situierungen, um Überdachungen, Wegeführungen und Gestaltungsoptionen. Jetzt geht es in die Detailplanung. Fest steht: Zuerst ist der Heisererplatz an der Reihe. Die Bauzeit pro Straßenseite beträgt laut Roplan jeweils vier Wochen, eine einseitige Straßensperre je Seite sei für 1,5 bis zwei Wochen notwendig. Der Umbau der Haltestellen am Marienplatz werde 75.000 Euro, am Heisererplatz 123.000 Euro kosten.

