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Grandiose Premiere

Frauen an die Macht! Wasserburger Bürgerspiel hat sich emanzipiert

Demo-Stimmung beim Bürgerspiel: Frauen an die Macht!
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Demo-Stimmung beim Bürgerspiel: Frauen an die Macht!

Wenn „Omas für die Gleichberechtigung“ aufmarschieren, ein Schiff hoch oben über der Bühne „schwimmt“ und sogar das „Fuck“-Schimpfwort fällt, das eher ins heute als ins gestern passt, ist Bürgerspiel-Zeit in Wasserburg. Über einen unvergesslichen Premieren-Abend.

Wasserburg – Kann ein historisches Stück, das Geschehnisse aus dem 16. Jahrhundert thematisiert, modern sein? Das geht, hat der Theaterkreis Wasserburg bei der Bürgerspiel-Premiere am Donnerstagabend (4. Juli) bewiesen. Das bekannte Original von Eugen Ortner rund um Handelsherr Gumpelzhaimer und um die der Panscherei verdächtigten Wein-Wirtin Regina, um Liebeswirren und Stadthandelsgeschichte, hat Spielleiter Christian Huber neu interpretiert: Im Fokus stehen nicht die Herren am Inn, sondern die Frauen. Sie emanzipieren sich im Laufe der 90-minütigen Vorstellung: ein unterhaltsames Spektakel, das geschickt Historie und Moderne vereint.

Der Gumpelzhaimer (Herbert Binsteiner) berät sich im Badezuber mit dem Hauptmann (Steps Lossin).

350 Premierenbesucher, darunter viele Ehrengäste wie Landrat Otto Lederer, amüsierten sich prächtig, trotz kühler Temperaturen und einem bedrohlich schwarzen Himmel über der Wasserburger Frauenkirche. Es blieb jedoch bei einigen wenigen Tropfen, quasi vertrieben durch die tief fliegenden Wasserburger Schwalben, wenn auch mancher Gast auf der Tribüne Mitleid hatte mit den Darstellern. Der Gumpelzhaimer (Herbert Binsteiner) beispielsweise verbrachte eine halbe Stunde nackt auf der Bühne: im Badezuber. Einen Striptease erlebte das Publikum trotzdem nicht, weil der Handelsherr in letzter Sekunde bemerkte, dass 350 Augenpaare auf ihn gerichtet waren.

Trommelten fleißig auf: Musikanten der Stadtkapelle.

Ein Riesenspaß. Die humoristischen Szenen und Einlagen zogen sich wie ein roter Faden durch die Inszenierung, die bewusst auch damit spielte, dass der Platz vor der Frauenkirche nicht ausreichend Raum bietet für die früher üblichen großen Auftritte mit Pferden, Kutsche und Kanone. Der „Salzscheiben-Toni“, brillant: Andreas Schuur, galoppierte mit einem imaginären Ross vor: „Früher war mehr Pferd“, fand er seufzend.

Die Wasserburger Frauen setzen sich in Bewegung und bewegen dabei viel.

„Früher war´s auch nicht besser“: Das Motto des Bürgerspiels 2024 passte perfekt, denn die Fans des Stücks, die schon mehrere Aufführungen in den vergangenen Jahrzehnten gesehen haben, stellten unisono fest: Heuer ist das Historien-Theater, trotz abgespeckter, kürzerer Version, noch attraktiver als früher. Das liegt an einer durchgehend fulminanten Leistung der Laien-Schauspieler und Statisten sowie Musiker, denen die Spielfreude bei der Premiere nach monatelanger Vorbereitung deutlich anzusehen war, an perfekter Abstimmung der Szenen, liebevoll herausgearbeiteten Figuren wie dem „Zeiss“ (Marcel Sitz), einem ostdeutschen, erfindungsreichen Freund des Salzscheiben Tonis, und an vielen Anspielungen auf Wasserburg und den Altlandkreis. Zahlreiche Nachbarorte bekamen ihr Fett weg: Schnaitsee, Obing, Trostberg, Pfaffing und Griesstätt beispielsweise.

Titanic-Szene: die Tochter des Gumzelhaimers (Magdalena Haneberg) und der verliebte Kirchenmaler (Michael Binsteiner).

Western-Melodien und eine Titanic-Szene auf dem Innschiff, das die Bühne optisch prägte, gehörten zur musikalischen Umrahmung. Die Stadtkapelle, angeführt von Georg Machl, nervte den Hauptmann (Steps Lossin) mit ihrer Trommelei, nicht aber das Publikum. Am lautesten traten die Frauen auf: Sie zogen für ihre Rechte und die Gleichberechtigung, aber auch für aktuelle Themen wie die Rettung des Staudhamer Sees demonstrierend über die Bühne, dabei Plakate schwingend. Und natürlich gab es auch viele Liebeleien: Die Tochter des Gumpelzhaimers (Magdalena Haneberg), unerschrocken, tough, verkörperte ein Frauenbild, das früher sicherlich nicht so präsent in der Gesellschaft war: eine selbstbewusste junge Dame, die weiß, was sie will. Den Wieser Hans mochte sie erst, dann nicht mehr, aber den jungen Italiener erstaunlicherweise doch. Beide Rollen spielte Michael Binsteiner: den etwas schmierigen italienischen Frauenheld ebenso wie den schüchternen Kirchenmaler.

Der Prinz ist in der Stadt: Georg Gäch als Prinz Wilhelm hat den Wasserburger was zu sagen.
Spielleiter Christian Huber (links) bekam viel Applaus für seine Umsetzung des historischen Stücks.

Auch das gibt es nur beim Wasserburger Bürgerspiel: einen Bürgermeister, der einen Bürgermeister verkörpert: Werner Gartner, Stellvertreter von Rathauschef Michael Kölbl, trat in seiner Paraderolle auf. Aufschneiderisch und doch eher hilflos dem Frauenaufstand ausgeliefert zeigten sich der Hauptmann und seine Stadtknechte. Sie bildeten zur Freude des Publikums einen eher überforderten Haufen. Und die Frau des Gumpelzhaimers (Brigitte Oberkandler) zeigte sich diesmal weniger eindimensional als in vorherigen Inszenierungen: Sie wandelt sich im Laufe der Aufführung von der ein strenges Regime in der Familie und der Stadt führenden Matrone zur Verfechterin der Frauenemanzipation.

Das Ehepaar Gumpelzhaimer sinniert: Brigitte Oberkandler und Herbert Binsteiner in der Schluss-Szene.
Hatten die Lacher auf ihrer Seite: der Salzscheiben Toni (rechts), gespielt von Andreas Schuur, und sein Freund, der Zeiss alias Marcel Sitz

Viele Massenszenen bereicherten den Platz vor der Frauenkirche. 110 Akteure standen hier auf der Bühne, 160 sind insgesamt auf und hinter dem imaginären Vorhang im Einsatz. „Gemeinsam können wir große Dinge bewegen“, zeigte sich Theatervorsitzender Sepp Christandl nach der Schluss-Szene überzeugt. „Ein kurzweiliger Abend, eine gelungene Modernisierung des historischen Stücks. Es hat viel Spaß gemacht“, zog Bürgermeister Michael Kölbl Bilanz. Landrat Otto Lederer sprach von einer „großartigen Aufführung“, die auf einer tollen Grundidee basiere: einem historischen Stück ein modernes Gewand zu geben, ohne den geschichtlichen Rahmen zu vernachlässigen. Der Vorsitzende des Wirtschaftsförderungsverbandes (WFV) Wasserburg, Andreas Bonholzer, brachte es treffend auf den Punkt. „Das war überragend gut. Typisch Wasserburger Leben halt: früher wie heute.“

Der Herold (Wasti Friesinger) verkündet die Neuigkeiten.

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