Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Mitbewohner im Seniorenheim getötet

Totschlag oder nicht? Urteil gegen Demenzkranken (93) gefallen: „Es ist bitter“ und Fragezeichen bleiben

Prozessbeginn gegen dementen 93-Jährigen
+
Am Landgericht Traunstein wurde einem 93-Jährigen vorgeworfen, seinen Mitbewohner in einem Seniorenheim im Altlandkreis Wasserburg, getötet zu haben. Nun fiel das Urteil.

Dritter Prozesstag bei der Verhandlung gegen einen Demenzkranken (93), der seinen Mitbewohner in einem Seniorenheim im Wasserburger Land getötet haben soll. Wie das Urteil ausfiel und warum es dennoch viele Fragezeichen gibt.

Wasserburg/Traunstein – „Es ist eine Verhandlung über tragische Umstände, die wir hier hatten. Das tragischste ist wohl, dass wir den eigentlichen Verantwortlichen, die Demenzerkrankung, hier nicht vor Gericht stellen können.“ Treffender hätte es Staatsanwalt Christian Merkel in seinem Schlussplädoyer kaum ausdrücken können. Denn dieser Satz fasste die gesamte Verhandlung rund um die Sicherungsverwahrung von B. zusammen. 93 Jahre lang führte der Beschuldigte B. ein friedvolles Leben. Nichts hatte er sich zu schulden kommen lassen, bis ihn eine Demenzerkrankung heimsuchte und er im Streit seinen Mitbewohner K. angriff, worauf dieser verstarb.

Es war der dritte und letzte Prozesstag am Landgericht Traunstein vor der fünften Strafkammer unter Vorsitzendem Richter Volker Ziegler. Der Vorwurf, der im Raum stand: Totschlag. Ende Januar soll ein 93-jähriger demenzkranker Mann seinen Mitbewohner, einen 84-Jährigen, im gemeinsamen Zimmer in einem Seniorenheim im Wasserburger Land getötet haben. Der Beschuldigte gilt aufgrund seiner Demenz als schuldunfähig, es ging lediglich eine Unterbringung in der Forensik. Wie es zu dem Vorfall kam und was genau passiert war, das hatte das Gericht schon an den vergangen zwei Prozesstagen versucht zu klären. Fragezeichen verblieben jedoch auch an diesem letzten Tag.

Kampf zwischen Zimmergenossen führte zum Tod

Klar ist: Es hat wohl einen Kampf zwischen den beiden Zimmergenossen B. und K. gegeben. Ein Zeuge der Spurensicherung sprach von Blutspuren, die im Zimmer des 93-Jährigen und des 84-Jährigen festgestellt wurden. Der sachverständige Gutachter Dr. Matthias Eppler vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München verlas den Obduktionsbericht und listete eine ganze Reihe von Verletzungen sowohl am Körper des Beschuldigten, als auch am Körper des Opfers auf. Sichelförmige Hautabschabungen, die auf ein „Einkrallen“ mit Fingern und Fingernägeln hindeuten, seien an beiden Körpern festgestellt worden. Das Opfer K. habe zudem zwei Rippenbrüche und Verletzungen im Schulterbereich, außerdem viele Wunden im Gesicht aufgewiesen. Auch im Mund habe es Wunden gegeben, die durch ein Einführen der Finger zu erklären seien.

Aber ob es einen Streit gab und wenn ja, wer diesen Streit begonnen hatte und warum, das blieb auch an diesem Tag unklar. Bissverletzungen am Körper des Beschuldigten – er hatte mehrfach angegeben, von K. „gebissen“ worden zu sein, weshalb er sich habe wehren wollen – konnte Dr. Eppler nicht feststellen.

Deutlich wurde allerdings, dass der 84-Jährige K. aufgrund des Kampfgeschehens zu Tode kam. Wie, das konnte aber auch der Gutachter nicht mit Gewissheit sagen. Ein Tod durch Ersticken sei möglich, Blut in den Atemwegen würde dafür sprechen, allerdings sei ein Verschluss von Mund und Nase nicht nachweisbar. Entsprechend könnte es auch sein, dass es zu einem stressbedingten Herzstillstand beim vorerkrankten K. gekommen sei, der mindestens schon einen Herzinfarkt gehabt habe und dessen Gefäße stark verkalkt gewesen seien, so Dr. Eppler. Der Vorsitzende Richter verwies angesichts dieser unklaren Umstände darauf, dass es sich auch um eine Körperverletzung mit Todesfolge statt um Totschlag handeln könnte.

Gutachterin sieht Wiederholungsgefahr

Eine Wiederholungsgefahr eines solchen Vorfalls attestierte die forensisch-psychiatrische Gutachterin Dr. Susanne Lausch dennoch. Sie sprach von verminderter Kritik- und Empathiefähigkeit beim Beschuldigten B., von wenig Impulskontrolle, Frustrationstoleranz und Steuerungsfähigkeit, alles bedingt durch die Demenzerkrankung. Gleichzeitig sei B. körperlich jedoch noch sehr fit. Sie habe ihn erst vergangene Woche, nachdem der Beschuldigte am zweiten Verhandlungstag im Gerichtssaal kollabiert war, noch einmal begutachtet und festgestellt: Der 93-Jährige sei für sein Alter sehr vital, habe auch noch ordentlich Kraft. Eine physische Einschränkung sei kaum festzustellen. „Ähnliche Taten, wie im vorliegenden Fall, vor allem bei Personen des unmittelbaren Umfelds, die die Wünsche und Ziele von B. durchkreuzen, sind deshalb zu erwarten“, schloss die Psychiaterin ihre Einschätzung. Auch eine andere Unterbringung, die zu weniger Freiheitsentzug als die Forensik führe, schloss die Gutachterin aufgrund fehlender Alternativen aus. Die Betreuungsdichte sei beispielsweise in Seniorenheimen mit geschlossenen Einrichtungen nicht hoch genug.

Schlussendlich plädierten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung für eine Verurteilung aufgrund von Körperverletzung mit Todesfolge, die im Zustand der Schuldunfähigkeit durchgeführt worden sei. Um die Allgemeinheit zu schützen, müsse der Beschuldigte aber weiterhin forensisch im kbo-Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg untergebracht werden. Der Vorsitzende Richter Volker Ziegler folgte diesen Anträgen. „Es ist bitter“, erklärte Staatsanwalt Merkel. Es sei ein massiver Eingriff in das Freiheitsrecht, immerhin sei nicht auszuschließen, dass B. sein restliches Leben in der Forensik verbringen müsse. „Aber es geht um den Schutz von Pflegekräften und anderen Bewohnern.“

Kommentare