Ein Blick auf die Hintergründe
„Laufen gegen eine Wand“: Warum der Wasserburger Kindergarten St. Jakob geschlossen wurde
Das Kinderhaus St. Jakob in Wasserburg steht vor dem Aus. Das Gebäude muss dringend saniert werden. Wer dafür aufkommen soll, darüber sind sich Kirche und Stadt uneins. Ein Blick auf die Hintergründe und die verzweifelte Suche nach Lösungen.
Wasserburg – Freie Kita-Plätze sind in Bayern eine Rarität. Entsprechend ungewöhnlich die Nachricht, dass in Wasserburg eine Gruppe mit 25 Kindern geschlossen wurde und das nicht etwa aus Personalmangel. Das Problem ist das Gebäude. Denn das Haus des katholischen Kindergartens St. Jakob ist so sanierungsbedürftig, dass keine Kinder mehr beherbergt werden können.
Fakt ist: Eine Gruppe war bis Oktober 2022 in der Ponschabaustraße untergebracht. Ein Wasserschaden beschädigte das Gebäude so sehr, dass etwa 25 Kinder übergangsweise ins Kinderhaus St. Konrad, dessen Träger ebenfalls die katholische Kirche ist, umziehen mussten. Im Herbst 2023 wurde die Kindergartengruppe St. Jakob ganz aufgelöst.
Bürgermeister Michael Kölbl machte im Jahresinterview die Kirche dafür verantwortlich. Die Stadt hätte eine hohe Investitionsförderung für die Generalsanierung in Aussicht gestellt, doch die Institution habe abgelehnt. „Schade“, sei diese Entscheidung, so der Rathauschef. „Das passt nicht ganz in die Zeit“.
„Wir wollen den Kindergarten erhalten“
Pfarrer Bruno Bibinger weist die Vorwürfe aber von sich. „Das stimmt so nicht.“ Die Darstellung, dass sich die Stadtkirche und Kirchenverwaltung nicht für den Kindergarten interessieren würden, sei „absolut falsch.“ Im Gegenteil: „Wir wollen den Kindergarten erhalten“, betont Bibinger. „Wir sehen auch den Bedarf.“ Insbesondere angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen seien Betreuungsplätze nicht nur in Wasserburg dringend nötig. Am liebsten, so erklärt der Pfarrer, würde er das Haus deshalb sogar erweitern und zusätzlich eine Krippengruppe anbieten wollen. Doch das Geld für eine Sanierung fehle.
Das bestätigt auch Kirchenpflegerin Susanne Fellner-Mandel. Seit 2017 sei die Stadtkirche auf der Suche nach einer Lösung für den Kindergarten St. Jakob „Es ist nichts Neues, dass wir dieses Gebäude sanieren müssen“, erklärt Fellner-Mandel. Denn das Haus habe keine funktionierende Heizung, ein zweiter Fluchtweg fehle und der Dachstuhl sei verschimmelt und müsse dringend erneuert werden. Immer wieder sei versucht worden, sich bei der Wärmeversorgung an die umliegenden öffentlichen Gebäude anzuschließen, beispielsweise an die gegenüberliegende Berufsschule oder an den Stadler-Garten. „Das Haus benötigt nicht viel Energie“, erklärt Bibinger. „Doch wir laufen immer wieder gegen eine Wand.“
Halbe Million Euro fehlen für die Sanierung
Entsprechend bleibe nichts anderes übrig, als eine umfassende Sanierung. „Die jüngsten Kostenschätzungen liegen bei 2,1 Millionen“, sagt Pfarrer Bibinger. Die Stadt hätte etwa 1,3 Millionen an Zuschüssen angekündigt. Zu wenig, wie Bibinger feststellt. „Wir haben viel in die Sanierung des Kinderhauses St. Konrad vor ein paar Jahren investiert, in der Kirchenverwaltung ist kein Geld mehr da“, sagt er. „Selbst wenn wir alles zusammenkratzen, fehlen uns etwa 700.000 Euro“.
Zumal die Investition nicht durch die Kita-Beiträge wett gemacht werden könne. „Beim Betrieb eines Kindergartens versucht man, kein Defizit zu erwirtschaften“, sagt Bibinger, „Dass wir dieses Geld wieder hereinbekommen, ist also nicht möglich.“
Kita-Gruppe musste aufgelöst werden
Robert Zeislmeier, Mitglied der Kirchverwaltung und des Ausschusses des Kita-Verbunds, bezeichnet die Darstellung von Bürgermeister Kölbl als „ein Unding“. Zumal seitens der Kirche auch vorgeschlagen wurde, die Kita-Gruppe nach der Schließung des Kinderhauses St. Jakob anderweitig zu erhalten. „Wir hätten eine Waldkindergartengruppe eingerichtet“, erklärt Zeislmeier. Ein Grundstück sei bereits ausgesucht worden. In einem Gespräch mit der Stadt habe es aber geheißen, der Bedarf sei nicht vorhanden. „Jetzt hört sich das plötzlich aber ganz anders an“, kritisiert Zeislmeier.
Auch, um das Gebäude Sankt Jakob zu erhalten, seien bereits verschiedene Vorschläge gemacht worden, erzählt Pfarrer Bibinger. „Wir hätten das Haus oder das Grundstück auf Erbpacht zur Verfügung gestellt, sodass die Stadt hier nach eigenen Wünschen sanieren oder neu bauen kann, aber das wurde abgelehnt“, so Bibinger.
„Wir finden es wirklich sehr schade, dass das Kinderhaus St. Jakob zu ist“, verdeutlicht Pfarrer Bibinger. Die vergangenen 70 Jahre sei es eine beliebte Einrichtung gewesen. Die Lage sei nicht zu übertreffen, der große Garten sei ein wahrer Abenteuerspielplatz für die Kinder. Auch für das Leben im Burgerfeld sei das Gebäude wichtig. „Es ist ein toller Ort und ein tolles Haus“, sagt Bibinger. „Wir würden uns wünschen, dass es weiter so bleibt.“ Doch die Stadtkirche brauche mehr Geld. „Vielleicht findet sich ein privater Investor oder eine Firma, die einspringt“, sagt Bibinger. Klar ist jedoch: Mehr Finanzen von außerhalb seien nötig. „Anders geht es nicht“, verdeutlicht der Pfarrer.
Das sagt Bürgermeister Michael Kölbl
Bürgermeister Michael Kölbl betont bei einem Pressegespräch im Rathaus gemeinsam mit der katholischen Kirche, dass auch die Stadt großes Interesse habe, das Kinderhaus St. Jakob wieder mit Leben zu befüllen. Konkrete Pläne und Kostenschätzungen würden der Verwaltung noch nicht vorliegen. „Sollte es zu einer Sanierung kommen, haben wir jedoch den Förderhochsatz in Aussicht gestellt“, erklärt Kölbl. Dieser liege bei 5.700 Euro pro Quadratmeter förderfähige Fläche, werde also im Fall von St. Jakob auf etwas mehr als eine Million Euro sich belaufen. Kölbl betont, dass dieser Zuschuss eine freiwillige Leistung der Stadt sei, gesetzlich müsse hier keine finanzielle Unterstützung gegeben werden. Eine höhere Summe könne jedoch rechtlich nicht zur Verfügung gestellt werden.
Dass die Stadt selbst als Projektträger auftrete und das Grundstück im Erbbaurecht übernehmen werde, wie seitens der Kirche angeboten, lehnt der Bürgermeister ab. Dies sei weder finanziell noch personell zu stemmen, erklärt er.
Eine Diskussion um eine Waldkindergartengruppe habe es ebenfalls gegeben. Die Stadt hätte der Kirche dafür ein Grundstück „Am Herder“ bei der Kapelle „Maria Rast“ zur Verfügung gestellt. Die katholische Kirche wäre als Träger der Gruppe aufgetreten. Da eine Waldgruppe einen größeren personellen Aufwand und somit auch mehr Kosten habe – für eine solche Gruppe müssen drei statt zwei Mitarbeitende eingestellt werden – hätte die Stadt sogar ausnahmsweise eine Defizitübernahme in Aussicht gestellt.
Das Ordinariat habe jedoch gefordert, dass – sollte die Waldkindergartengruppe entstehen – eine Defizitübernahme der Stadt Wasserburg für alle katholischen Kita-Einrichtungen – also für die Kindertagesstätte St. Jakob und St. Konrad – notwendig sei, so Kölbl. Ansonsten könne die Kirche einer solchen Gruppe nicht zustimmen. Dies wurde jedoch von der Stadt abgelehnt. „Unsere Linie ist klar: Wir sind grundsätzlich bereit, die Höchstsumme in Bauten und Sanierungen zu investieren. Außerdem geben wir andere Zuschüsse. Aber: Wir übernehmen keine Defizite.“
Darüber hinaus gebe es in Wasserburg genügend Kindergarten-Plätze, insbesondere mit der neuen Kita der Adventisten, die noch in diesem Jahr fertiggestellt werden soll. „Nur bei Krippenplätzen ist es eng“, sagt Kölbl. Sollte sich die Situation rund um die Kindergartenplätze akut verschlechtern, könne die Waldgruppe relativ unkompliziert eröffnet werden, so der Rathauschef.



