Geduldsprobe für Patienten
Hautarzt, Frauenarzt, Orthopäde: So lange müssen Sie auf Facharzt-Termine warten
Die Suche nach einem Facharzt-Termin kann zur Geduldsprobe werden. Ob Gynäkologie, Orthopädie oder Augenheilkunde – die Wartezeiten variieren stark. Gibt es Unterschiede für Privat- und Kassenpatienten? So ist die aktuelle Situation im Raum Wasserburg/Rosenheim. Was Experten zu den Gründen sagen.
Wasserburg – Die Suche nach einem Facharzt ist für viele ein Graus: Entweder sind die Mediziner vollkommen ausgebucht oder der Termin ist irgendwann im nächsten Jahr, so die häufige Erfahrung. Doch wie lange dauert es wirklich, bis man einen Termin bekommt? Kommt man als Privatpatient schneller dran? Und gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Fachbereichen? Wir haben online versucht, einen Termin zu ergattern.
Viele Ärzte bieten mittlerweile die Termin-Buchung online an, beispielsweise die gynäkologische Praxisgemeinschaft Dr. Irmgard Maier und Olga Trenkler in Wasserburg. Der nächste Termin als Bestandspatient ist Anfang Dezember (Stand: 1. Oktober 2024), also zwei Monate Wartezeit. Als Neuzugang ist die Online-Buchung ausgeschlossen, Anfragen sind nur telefonisch möglich, wird auf der Webseite der Gynäkologie mitgeteilt.
Viele Ärzte kurz vor dem Ruhestand
Ein großer Teil der Ärzte in Deutschland dürfte in den nächsten Jahren altersbedingt aus dem Berufsleben ausscheiden: Im Jahr 2023 waren gut 31 Prozent der Ärzte in der Human- und Zahnmedizin 55 Jahre und älter, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Grundlage von Ergebnissen des Mikrozensus mitteilt.
Der Anteil dieser Altersgruppe lag damit deutlich über dem bei allen Erwerbstätigen (26 Prozent). Insgesamt ist die Zahl der Ärzte in der Human- und Zahnmedizin binnen zehn Jahren zwar um gut 23 Prozent auf 502.000 im Jahr 2023 gestiegen. Doch auch der Anteil der Altersgruppe 55 plus hat bei den Medizinern zugenommen: Zehn Jahre zuvor hatte er in der Human- und Zahnmedizin noch bei 26 Prozent gelegen. Dagegen ist der Anteil der Ärzte im mittleren Alter gesunken: 48 Prozent waren 35 bis 54 Jahre alt, 2013 waren es noch 54 Prozent. Der Anteil junger Berufskollegen unter 35 Jahren hat sich kaum verändert und lag zuletzt bei 21 Prozent (2013: 20 Prozent), so das Statistische Bundesamt.
Ähnlich sieht es beim Orthopäden aus: Bei Dr. Jörg Schüler in Pfaffing ist online der nächste Kontrolltermin am 9. Dezember (Stand: 1. Oktober 2024) zu bekommen. Es gibt übrigens keinen Unterschied zwischen Kassenpatient oder „privat versichert“, zumindest nicht bei der Terminvergabe. Auch in der Facharzt-Praxis für HNO in Wasserburg gibt es die Möglichkeit zur Online-Terminbuchung. Der nächste freie Platz: 15. Oktober, also in zwei Wochen. Bei akuten Beschwerden können Patienten die offene Sprechstunde nutzen. In der Augenarztpraxis von Dr. Michael Walter beträgt die Wartezeit ebenfalls rund drei Wochen, der nächstmögliche Termin zur „allgemeinen Untersuchung“: 21. Oktober. Ähnlich sieht es im „Augencentrum Rosenheim“ aus. Dort ist der nächste Kontrolltermin am 29. Oktober möglich.
Nicht ganz so schnell geht es hingegen beim Hautarzt. Für ein Hautkrebs-Screening in der „Haut + Venen Praxisklinik“ in Rosenheim müssen Patienten über ein halbes Jahr warten. Der nächste freie Termin dafür ist erst Ende Mai. Und auch beim Endokrinologen sind die Wartezeiten lang: Bei Dr. Stefan Pörtl, Endokrinologe und Diabetologe in Rosenheim, ist der nächstmögliche Termin am 27. Dezember zu bekommen – also erst in drei Monaten.
„Traurige Realität“
In Deutschland warten viele Patienten lange auf einen Termin beim Facharzt. Die Wartezeiten variieren stark, je nach Region und Fachgruppe. Die Ursachen sind komplex, wie Dr. med. Klaus Stefan Holler, HNO-Arzt und Sprecher des Bayerischen Facharztverbands, im Interview berichtet.
Herr Holler, wie lange dauert es in der Regel, bis Patienten einen Termin beim Facharzt bekommen?
Dr. med. Klaus Stefan Holler: Das ist von Region zu Region und von Fachgruppe zu Fachgruppe unterschiedlich. In Fachgebieten, in denen nur wenige Kollegen niedergelassen sind, können Wartezeiten von mehreren Monaten auftreten. Generell liegen die Wartezeiten auf einen Facharzttermin in Deutschland noch niedriger als im europäischen und internationalen Ausland.
Gibt es Unterschiede zwischen den Fachgruppen?
Holler: Es ist inzwischen traurige Realität, dass die Wartezeiten über alle Fachgruppen zunehmen, da die Tätigkeit in der Praxis durch Budgetierung, überbordende Bürokratie und dysfunktionale Digitalisierung immer unattraktiver gemacht wurde und weniger Arztsitze nachbesetzt werden können. Die jungen Kollegen bleiben lieber an der Klinik und lassen sich anstellen, als das Risiko einer Selbständigkeit auf sich zu nehmen. Schuld hieran sind die Krankenkassen und die Gesundheitspolitik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Koalitionen eine gegen niedergelassene Fachärzte gerichtete, ideologisch getriebene Politik betreibt.
Gibt es Unterschiede zwischen Kassen- und Privatpatienten?
Holler: Natürlich gibt es diese. Bei Kassenpatienten besteht im fachärztlichen Bereich seit Jahrzehnten eine schädliche Budgetierung, 20 bis 25 Prozent der Leistungen werden nicht bezahlt. Ein einfaches Beispiel: Wenn 100 Leute beim Wirt Schnitzel essen und nur 80 dies bezahlen, geht dies auf Dauer nicht gut und niemand kann sich dies leisten. Auch Fachärzte sind auf ein faires Honorar angewiesen, um ihre Praxis führen zu können. Aufgrund der politischen Rahmenbedingungen und der steigenden Kosten und Bürokratie fallen Kompensationsmöglichkeiten weg, sodass schlicht und ergreifend weniger Termine für GKV-Patienten zur Verfügung stehen, weil immer weniger Kollegen bereit sind, umsonst zu arbeiten.
Welche Auswirkungen hat es, wenn Patienten lange auf Termine warten müssen?
Holler: Im ungünstigsten Fall können sich Erkrankungen verschlechtern. Die momentanen Rahmenbedingungen sind sowohl für unsere Patienten als auch für uns niedergelassene Fachärzte ein Desaster. Diese Probleme sind der Politik und den Kassen bekannt, es besteht jedoch keine Bereitschaft, etwas dagegen zu unternehmen. Krankenhäuser und der öffentliche Gesundheitsdienst werden mit hohen dreistelligen Millionenbeträgen subventioniert, wogegen die fachärztliche Versorgung der Bevölkerung bei Politikern landauf, landab keine Beachtung findet, und dies, obwohl der Großteil der Behandlungen in Deutschland ambulant und überwiegend im fachärztlichen Bereich durchgeführt wird.
Wie schätzen Sie den Fachkräftemangel in Ihrer Branche ein? Was kann man tun, um ihm entgegenzuwirken?
Holler: Der Fachkräftemangel ist ein wachsendes Problem und wird sich verschlimmern, dies gilt sowohl für den fachärztlichen Nachwuchs in der Praxis als auch für unsere medizinischen Assistenzberufe. Entgegengesteuert werden könnte einfach. Sofern Gesundheitspolitik und Kassen endlich überfällige Maßnahmen ergreifen würden und eine Facharztpraxis wieder ein gefragter Arbeitsplatz wird, könnten diese Probleme schnell gelöst werden und es stünden mehr Termine zur Verfügung. Bei sturem, ideologischem Beibehalten der momentanen Situation wird sich das Versorgungsangebot für die Patienten kontinuierlich weiter verschlechtern.

