Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Neue Fertigungslinien in Wasserburg

Mehr Fläche, mehr Mitarbeiter: Die Pläne von Recipharm – Was die Abnehmspritze damit zu tun hat

Blick durch eine Scheibe in den reinsten Reinraum, den es gibt und in dem Fotografieren nicht möglich ist: Dort arbeiten bei Recipharm in Wasserburg Fachkräfte unter extrem sterilen Bedingungen. Der neue Geschäftsführer Lucian Cira ermöglicht einen Blick von außen in hochkomplexe Abläufe.
+
Blick durch eine Scheibe in den reinsten Reinraum, den es gibt und in dem Fotografieren nicht möglich ist: Dort arbeiten bei Recipharm in Wasserburg Fachkräfte unter extrem sterilen Bedingungen. Der neue Geschäftsführer Lucian Cira ermöglicht einen Blick von außen in hochkomplexe Abläufe.

Recipharm in Wasserburg ist das größte Pharmaunternehmen im Landkreis: In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Umsatz verdoppelt. Nun braucht die Firma 100 neue Mitarbeiter und zusätzliche Flächen. Warum Beschäftigte im Reinraum hier eigens lernen müssen, wie man besonders langsam arbeitet.

Wasserburg – Auf den ersten Blick erinnert die Produktionshalle der Wasserburger Pharmafirma Recipharm an Bilder aus der internationalen Raumstation ISS: Die Mitarbeiter verschwinden unter weißen Anzügen, Helmen und riesigen Handschuhen. Die Fachkräfte bewegen sich in Zeitlupe, so als befänden sie sich in der Schwerelosigkeit des Alls. Doch so ist es nicht: Die Frauen und Männer in der unförmigen Schutzkleidung mischen Rezepturen für Medikamente, füllen diese ab in Injektionsfläschchen – in Reinräumen, in denen die Luft bis zu 50.000-mal reiner ist als im häuslichen Wohnzimmer.

Jede zu schnelle Bewegung muss verhindert werden, denn sie könnte die Luft aufwirbeln und feinste Partikel freisetzen, berichtet der neue Geschäftsführer von Recipharm, Lucian Cira. Wer hier arbeitet, erhält nach seinen Angaben eine fünfmonatige Spezial-Ausbildung, bei der nicht die Schnelligkeit bei der Produktion im Fokus steht, sondern ganz bewusst die Langsamkeit, zumindest bei den Handgriffen. Sterilität ist das A und O des Firmenerfolgs, sagt Cira, der seit dem 1. Januar die Geschäftsführung innehat. In 50 Jahre Recipharm habe es nicht ein einziges Mal eine Reklamation als Folge einer Kontamination gegeben, berichtet der 37-Jährige stolz.

Lucian Cira, 37, setzt als neuer Geschäftsführer von Recipharm Wasserburg auf Wachstum.

100 neue Mitarbeiter gesucht

Recipharm befindet sich nach seinen Angaben stark auf Wachstumskurs. Mindestens 100 neue Mitarbeiter möchte das Unternehmen am Standort Wasserburg einstellen, berichtet Personalleiterin Kyra Werndorff. Bis zum Jahresende 2024 solle sich die Mitarbeiterzahl von derzeit 450 auf 500 bereits erhöht haben. In den vergangenen fünf Jahren habe Recipharm den Umsatz verdoppelt. Trigger für diese positive Entwicklung sei vor allem die Corona-Krise gewesen, so Cira. Als eines von etwa 20 Werken weltweit konnte das Wasserburger Pharmaunternehmen die modernen Impfstoffe gefriergetrocknet liefern. Ein Meilenstein in der Bekämpfung der Pandemie. Denn die ersten Impfstoffe, die auf den Markt gekommen seien, hätten ein großes Problem gehabt: eine komplizierte Kühlkette. Der Transport habe damals bei minus 80 Grad stattfinden müssen, erklärt der Geschäftsführer. Die Gefriertrocknung habe eine Temperierung von minus 20 Grad ermöglicht, ein großer Fortschritt. Recipharm habe deshalb dazu beigetragen, dass die für die Bekämpfung von Corona so wichtigen Impfstoffe besser und schnell verfügbar gewesen seien.

Blick durch eine Scheibe in den Reinraum. Links zu erkennen: eine Mitarbeiterin in Schutzkleidung.

Gefriertrocknung als Kerntechnologie

Die Gefriertrocknung von Infusions- und Injektionslösungen ist die Kerntechnologie am Standort Wasserburg. Seit dem ersten Tag der Gründung im Jahr 1974, damals noch Madaus, gelte Recipharm als der Experte in diesem Bereich, berichtet Cira. 2024 und 2025 werde der Pharmakonzern den Standort Wasserburg in diesem und weiteren Bereichen erneut ausbauen: Unter anderem gehen nach Angaben des Geschäftsführers neue Fertigungslinien an den Start, die auf die Produktion von Fertigspritzen setzen. Auch die hochwertigen neuen Biologika, biotechnologisch hergestellte Mittel wie die Abnehmspritze oder moderne Krebsmedikamente, können dann in Wasserburg hergestellt werden, betont Cira. 2025 soll auch eine modulare Produktlinie für Spritzen und Fläschchen eingeführt werden, in denen kleinere Chargen aus der Arzneimittel-Entwicklung beprobt werden, berichtet er.

Die Produktionserweiterung braucht Platz. Recipharm hat deshalb laut Cira die alte Straßenmeisterin in direkter Nachbarschaft gekauft, will Richtung Friedhof Am Herder erweitern: unter anderem um ein Schulungszentrum. Der Bebauungsplan sei bereits mit der Stadt Wasserburg abgestimmt worden, berichtet der Geschäftsführer.

Erweiterung am Standort Wasserburg geplant

Der Mutterkonzern mit Hauptsitz in Schweden, einer der fünf größten pharmazeutischen Auftragsentwickler und -hersteller der Welt, setzt nach seinen Angaben auf den Standort Wasserburg, den wichtigsten im global tätigen Unternehmensverbund. Im Tagesgeschäft kann Recipharm Wasserburg „relativ unabhängig und flexibel agieren“, so Cira, die Investment- und Budgetplanung sei natürlich abzusprechen. Fest stehe: Recipharm wolle in der Innstadt wachsen – massiv. Denn die Entwicklung neuer pharmazeutischer Produkte sei ein Zukunftsfeld. Das habe die Pandemie deutlich gezeigt, auch die Notwendigkeit, die deutsche Pharmabranche unabhängiger zu machen, um die Versorgung sicherzustellen.

Recipharm setzt bei der Abfüllung auf die Automatisierung.

Natürlich bereite die Wirtschaftskrise auch Recipharm Probleme, betont Cira. Die steigenden Energie- und Materialkosten würden Sorgen bereiten, ebenso wie Lieferengpässe. Deshalb gehe kein Weg an noch effizienteren Abläufen und Prozessoptimierungen vorbei. Hier befinde sich Recipharm in einem dauerhaften Prozess. Bis 2030 will das Unternehmen nach eigenen Angaben außerdem so weit wie möglich weg vom Gas, mit Hilfe von Wärmepumpe und Wärmerückgewinnung. Bereits heute produziere Recipharm zu hundert Prozent mit Ökostrom, Partner seien die Stadtwerke Wasserburg. Sie beliefern alle vier Recipharm-Werke in Deutschland, berichtet Cira. Nur ein Problem hat der Standort, sagt er: Beim Kampf um Fachkräfte stehe das Unternehmen in Konkurrenz zum pharmazeutisch stark geprägten Großraum München. Die ÖPNV-Anbindung von Wasserburg mit eigenem Bahnhof in Reitmehring sei gut, „doch dann müssen die Pendler in den Stadtbus umsteigen, um Wasserburg zu erreichen.“ Auch bezahlbarer Wohnraum für Mitarbeitende werde dringend gesucht. Ein hauseigenes Problem will Cira angehen: den historisch bedingten Streit bei Recipharm um Tariflöhne. Die Bezahlung per hauseigenem Tarifvertrag, vergleichbar mit dem Flächentarif, stehe ganz oben auf der Agenda, betont der Geschäftsführer.

Drittgrößter Arbeitgeber in Wasserburg

Weitere Herausforderung: Die Pharmabranche sei von Natur aus ein Industriezweig, der stark reguliert werde. Die bürokratischen Hürden seien vor allem in Europa sehr hoch, bedauert Cira. Umso besser gestalte sich die Zusammenarbeit auf lokaler Ebene mit der Stadt Wasserburg und Bürgermeister Michael Kölbl. Die Beziehung seien sehr gut, auch zum Landkreis, wo Recipharm das größte Pharmaunternehmen darstellt.

Blick auf eine Fertigungslinie.

Cira macht im Gespräch mit der Redaktion deutlich, dass er sich als Geschäftsführer in Wasserburg gut unterstützt und wohlfühlt. Das hat auch persönliche Gründe, denn der 37-Jährige stammt aus Rumänien. Der Apotheker ist in Siebenbürgen aufgewachsen, sein Wunsch war auch in Deutschland ein Arbeitsplatz nah an den Bergen. Nach Stationen in führenden Positionen unter anderem bei Sandoz und Teva Ratiopharm passt das Angebot, die Recipharm-Geschäftsführung in Wasserburg zu übernehmen, sehr gut, berichtet er. Der 37-Jährige ist mit einer Ärztin verheiratet und hat zwei Kinder, fünf und elf Jahre alt. Seinen Führungsstil beschreibt er als kollegial. „Meine Tür ist immer offen, jeder kann mich ansprechen.“ Er sei außerdem „ziemlich direkt“ in der Kommunikation. Außerdem könne er „sehr fordernd sein“, berichtet er schmunzelnd. „Ich bin kein Fan von Bürokratie. Wenn ich was besprochen habe, gibt es kein Ja und Aber, sondern stets ein klares Ergebnis.“

50 Jahre Recipharm: So feiert das Arzneimittelwerk das Jubiläum in Wasserburg

Zum 50-jährigen Bestehen gibt es am Standort Wasserburg ein großes Familienfest, verrät Geschäftsführer Lucian Cira. Es findet am 6. Juli statt. Eingeladen seien die Firmenfamilie, außerdem Geschäftspartner, Auftraggeber und Wegbegleiter der vergangenen 50 Jahrzehnte.

Recipharm hat in den vergangenen 50 Jahren auch unruhige Zeiten hinter sich. 1974 wurde das Unternehmen als Wasserburger Arzneimittelwerk gegründet, ins Leben gerufen durch die Madaus AG. 2004 folgte die Übergabe an Mayne Pharma, ein australisches, global tätiges Unternehmen, seit 2010 hat sich die Lage nach dem Kauf durch Recipharm mit Stammsitz des Konzerns in Schweden stabilisiert. Heute ist das Pharmaunternehmen mit 450 Mitarbeitenden drittgrößter Arbeitgeber in Wasserburg.

Kommentare