Erlebte Fahrradbranche eine Preisschlacht?
Schnäppchen-Alarm oder Mega-Nachfrage? Was Sie jetzt beim Radl-Kauf in der Region erwartet
Der Frühling ist da – und wie! Die Fahrradfans holen ihre Räder aus den Kellern oder wollen ein Neues kaufen. Gibt es angesichts von vermeintlich vollen Lagern eine „Preisschlacht“ und müssen Kunden mit lästigen Wartezeiten rechnen? Fahrradhändler und -hersteller aus der Region klären auf.
Von Anna Weinfurtner, Ludwig Meindl, Jörg Eschenfelder und Christa Latta
Wasserburg/Haag/Mühldorf/Waldkraiburg/Raubling – Überfüllte Fahrrad-Lager, hohe Rabatte für Kunden: Diese Stichworte sorgten noch vor wenigen Wochen für Sorgenfalten bei den Händlern und Schnäppchenlust bei den Kunden. Jetzt ist die Fahrrad-Saison eröffnet: Das frühlingshafte Wetter steigert die Lust am Fahren und Kaufen. In den Landkreisen Rosenheim und Mühldorf sprechen Fahrradhändler und -hersteller über ihre geschäftlichen Erwartungen und darüber, was die Kunden erwartet.
Befürchtete Preisschlacht unter Fahrradhändlern
Die Befürchtungen zu Beginn des Jahres, dass sich Fahrradhändler eine „Preisschlacht“ geben würden, seien nicht eingetreten, erklären Julia und Martin Huber von Hubers Fahrradwelt in Wasserburg. „Das schöne Wetter hat uns beim Abverkauf sehr zugespielt“, sagt Martin Huber. Die Lager seien zwar über den Winter gefüllt gewesen, bisher hätten sie jedoch schon viele Räder verkaufen können, so Julia Huber. Wer ein spezielles Modell haben möchte, muss nach ihren Angaben sogar etwas warten. „Man kann aber von heute auf morgen ein Fahrrad haben“, betont Martin Huber. Es gebe derzeit keine Lieferengpässe und das entsprechende Modell müsse nur beim Hersteller zusammen gebaut werden. Derzeit beliebt seien E-Mountain- und E-Trekking-Bikes sowie Gravelbikes (für schnelles Fahren auf Kies und Schotter, Anmerkung der Redaktion).
Mit hohen Rabatten können Kunden derzeit wohl nicht rechnen. Das liege auch daran, dass der Fahrradverkauf ein Saisongeschäft sei, betonen die Hubers. In einem halben Jahr müsse so viel Umsatz erarbeitet werden, dass Mitarbeiter davon ein ganzes Jahr bezahlt werden könnten, erklärt Julia Huber. Anders als beim Online-Handel würde der Kunde beim Kauf in einem Geschäft auch eine professionelle Beratung bezahlen, einen persönlichen Ansprechpartner haben und auf eine Fahrradwerkstatt zugreifen können, erklärt sie.
Fahrrad-Leasing
Für Julia und Martin Huber ist es wichtig, ihr Unternehmen breit aufzustellen. Sie kooperieren mit anderen Betrieben aus der Region und bieten auch ein Fahrrad-Leasing über den Arbeitgeber an, das nach eigenen Angaben etwa 50 Prozent des Umsatzes bei den Rädern ausmache. Außerdem wollen sie in Solar-Energie investieren, eine Kartonpresse anschaffen und Reifen recyclen. „Dadurch sparen wir in Zukunft Strom- und Entsorgungskosten“, sagt Martin Huber.
Bernhard Gruber vom Bike Service Gruber in Haag erinnert an die unbeständigen Zeiten in der Pandemie: „Unsere Lager waren gefüllt, wurden dann aber unter Corona leergekauft. Es war durch den Stillstand bei den Zuliefer-Firmen schwer, Fahrräder zu bekommen.“ Die Nachfrage halte auch nach Ende der Pandemie an, „sie ist nach wie vor enorm“. Und es gebe neue Trends: 2023 seien erstmals mehr E-Bikes als normale Räder verkauft worden. „Ich persönlich bin froh, dass das Lager voll ist, weil wir sehr gut abverkaufen.“ Es sei ausreichend Ware vorhanden, um Kunden aller Bedürfnisse und Altersgruppen gerecht zu werden, so Gruber.
Als Vollsortimenter keine Probleme
Auch Günther Lech, Mitinhaber von „Back to Bike“ in Mühldorf und Waldkraiburg, kann sich nach eigenen Angaben nicht beklagen. Die Verkaufszahlen seien noch in Ordnung, aber die Preise würden auf die Margen drucken. Gleichwohl ist er optimistisch: „Bis zum Spätsommer wird sich das wieder auf ein normales Niveau normalisieren.” Damit meint er „Corona-Niveau“. Als Vollsortimenter habe er keine Probleme. Absatzprobleme gebe es momentan eigentlich nur bei hochwertigen Mountainbikes ohne Elektro-Antrieb. Sein Fazit zu der aktuellen Situation: „Bei uns passt es.” Er gibt aber auch zu bedenken: „Die Branche war einfach verwöhnt.”
Josef Stiegler von Fahrrad Stiegler in der Mühldorfer Altstadt kann ebenfalls keinen Einbruch bei der Nachfrage nach Fahrrädern feststellen. „Der Verkauf läuft sehr gut, ich kann nicht jammern“, sagt er. Das Wetter sei lange Zeit noch zu unbeständig gewesen, aber die Radlfahrer ständen jetzt in den Startlöchern. Derzeit würden viele ihre Räder für die kommende Saison herrichten lassen.
Rabattaktionen bei alten Fahrrad-Modellen
Auch der Fahrradhersteller Corratec aus Raubling erwartet laut eigenen Angaben keinen Einbruch bei den Verkäufen. „Unser Lager ist entsprechend der erwarteten Nachfrage gefüllt und wir denken, dass es sich wie üblich leert“, sagt Jochen Vogt, Betriebsleiter bei Corratec. Die Preise für Fahrräder seien stabil. „Gerne zitierte Rabattaktionen mit 35 oder gar 40 Prozent betreffen in der Regel Waren anderer Hersteller aus den vergangenen Jahren“, erklärt er. Derzeit beliebt seien E-Bikes mit Tiefeinsteiger und Sporträder, wie nicht elektrische Gravelbikes. Außerdem seien Kunden zunehmend bereit, „mehr Geld für ein besseres Rad auszugeben“, sagt Vogt.

