„Es gibt keine Knautsch-Zone“
Nach tödlichem Unfall in Schonstett: Wie gefährlich ist E-Bike-Fahren wirklich?
Der tödliche Unfall eines 85-Jährigen Pedelec-Fahrers aus Amerang wirft die Frage auf: Wie gefährlich ist das Fahren mit motorisierten Rädern, gerade für Senioren? Wie viele Todesfälle es beim Radfahren in der Region in den vergangenen Jahren gab und wie sie verhindert werden können.
Schonstett/Wasserburg - Zu einem tödlichen Verkehrsunfall ist es am 1. Juni zwischen Schonstett und Evenhausen gekommen. Ein 85-jähriger Ameranger war mit seinem Pedelec unterwegs. Als er die Kreisstraße RO 35 überqueren wollte, übersah der Rentner einen Pkw. Trotz Vollbremsung des Autofahrers stießen die beiden Unfallbeteiligten zusammen. Der 85-Jährige wurde mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen, verstarb jedoch in den Abendstunden an seinen schweren Verletzungen.
Wie gefährlich ist also eine Fahrt mit dem Pedelec oder E-Bike, gerade für ältere Menschen? Bernd Meerstein, Mitglied beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Wasserburg und begeisterter E-Bike-Fahrer, weiß, dass es oft brenzlige Situationen beim Radfahren geben kann. „Das hat aber nichts mit dem E-Bike zu tun“, verdeutlicht der 77-Jährige. „Mit dem Rad ist man eben ungeschützt und wird auch schon mal schnell übersehen“, sagt er.
Meerstein selbst fährt seit rund zehn Jahren mit elektrischem Antrieb. Generell sei aber nicht die Geschwindigkeit das Problem, sondern die Notwendigkeit, das Gleichgewicht zu halten. „Mein E-Bike wiegt etwa 30 Kilo“, schätzt er. „Wenn ich schnell reagieren, abbremsen oder ausweichen muss, ist es schwierig, die Balance zu halten.“
Als er anfing, E-Bike zu fahren, hätte er dieses Problem noch nicht gehabt. „Das merke ich einfach, je älter ich werde“, meint Meerstein. Er mache Übungen, um sein Gleichgewicht zu trainieren. Auch sein Gehör habe deutlich nachgelassen. Im Verkehr beeinträchtige es ihn aber nicht, da er immer ein Hörgerät trage, erklärt er. Trotzdem sei das Pedelec für ihn ein großer Gewinn. „Die Wasserburger Altstadt liegt wie in einem Kessel, ohne elektrischen Antrieb würde ich den Köbinger Berg nicht schaffen – es ist so schon schwierig“, sagt er.
Radfahrer und Fußgänger gehören zu gefährdetsten Verkehrsteilnehmern
Auch der Bundesverband des ADFC weist daraufhin, dass Radfahrer und Fußgänger zu den gefährdetsten, weil „ungeschützten Verkehrsteilnehmenden“ gehören. „Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten“, so der Verein. Radfahrer sollten im Straßenverkehr selbstbewusst auftreten, aber gleichzeitig defensiv agieren, stets vorausschauend fahren und mit Fehlern anderer Verkehrsteilnehmer rechnen. Der Verein appelliert: „Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen.“ Aus bestimmten Winkeln könnten Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befänden. Das könne bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen.
Wie die Verkehrspolizei Rosenheim auf Anfrage mitteilt, haben sich im Landkreis Rosenheim im Jahr 2021 insgesamt 704 Unfälle unter Beteiligung von Radfahrern, egal ob motorisiert oder nicht, ereignet, dabei wurden vier Personen tödlich verletzt. Im Jahr 2022 habe es 750 Radfahr-Unfälle gegeben, mit drei tödlich verletzten Beteiligten.
Überblick über die Entwicklung
Laut Statistischem Bundesamt verunglücken auf Kleinkrafträdern besonders häufig Jugendliche und Senioren: Zur Altersgruppe der 15- bis 17-Jährigen gehörten 25,9 Prozent aller verunglückten und 23,2 Prozent aller getöteten Fahrer und Mitfahrer von Kleinkrafträdern. 9,2 Prozent der verunglückten und 41,1 Prozent der tödlich verletzten Benutzer von Kleinkrafträdern waren 65 Jahre oder älter. Bei den verunglückten Fahrradbenutzern war der Anteil der Senioren noch höher: Jeder fünfte (19,3 Prozent), der auf einem Fahrrad zu Schaden kam, war im Alter von 65 oder mehr Jahren. Bei den tödlich verletzten Fahrradfahrern war sogar mehr als die Hälfte (59,7 Prozent) in diesem Alter, teilt das Statistische Bundesamt weiter mit.