Landwirte sorgen für Kontroverse
„Verpisst euch“? Wo die Bauern-Proteste zur Eskalation führten und ein Bürgermeister verwickelt war
„Nicht mit uns“: Mit diesen und anderen Plakaten rollten die Landwirte zum Wochenstart durch die Straßen und sorgten für kilometerlange Staus, auch um den Chiemsee. Obwohl die Veranstalter eine positive Bilanz des Protestauftakts ziehen konnten, stießen die Aktionen nicht überall auf Verständnis.
Prien/Bernau/Marquartstein/Traunstein – Am Montag (8. Januar) fanden bundesweit Protestaktionen der Landwirte statt, um gegen die Sparmaßnahmen der Bundesregierung zu demonstrieren. In Traunstein schlossen sich den Demonstrationen auch Handwerker an. Rund 500 Fahrzeuge rollten durch Traunstein, und anschließend kamen etwa 2000 Teilnehmer am Traunsteiner Stadtplatz für eine Kundgebung zusammen. „Die teils erheblichen Verkehrsbehinderungen waren unvermeidlich, der Tag verlief aber ohne besondere Vorkommnisse“, hieß es von der Pressereferentin der Stadt Traunstein.
Auch rund um den Chiemsee wurde fleißig demonstriert. So zog eine Kolonne von Lastwagen und Traktoren am späteren Montagnachmittag durch Bernau und Prien. Am Straßenrand versammelten sich streckenweise Zuschauer und applaudierten dem vorbeifahrenden Protestzug. „Ich habe grundsätzlich Verständnis für die Protestaktionen“, berichtet der Priener Bürgermeister Andreas Friedrich, „in vielen Bereichen ist die derzeitige Bundesregierung gefühlt sehr weit weg von den Problemen und Sorgen der Menschen.“ Trotz der Proteste habe sogar der Winterdienst nicht gelitten, den die Bauern durchführen.
„Es sterben schon so viele Höfe“
„Es sterben schon so viele Höfe aufgrund der ganzen Vorschriften“, meint Bürgermeisterin Irene Biebl-Daibler der Gemeinde Bernau. Daher sei es wichtig, dass man sich in der aktuellen Situation hinter die Landwirte stelle. Die Landwirtschaft sei prägend für die Region. Die Stimmung der Landwirte vor Ort sei laut der Bernauer Bürgermeisterin aufgrund der „Hauruckaktion“ der Bundesregierung aufgeheizt. „Hätte man langfristig Veränderungen angekündigt, kann ich mir vorstellen, dass es anders gelaufen wäre“, schätzt Biebl-Daibler.
„Einige Schüler mussten länger warten“, so die Bürgermeisterin, ansonsten habe es aufgrund der Demonstrationen etwa bei Rettungskräften oder Pflegediensten keine Schwierigkeiten gegeben. „Alles ist im Verhältnis ruhig gelaufen“, hieß es auch von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Insgesamt sei es allerdings ein „personalintensiver und fordernder Einsatz“ gewesen. Neben Staus und kleineren Blockadeaktionen kam es laut derzeitigen Erkenntnissen zu keinen größeren Problemen. Doch nicht allerorts stießen die Aktionen der Bauern auf positive Resonanz.
Fußgängerübergang blockiert
In Marquartstein kam es am Montag (8. Januar) gegen 12 Uhr zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Bürgermeister Andreas Scheck und Protestierenden, als zwei Traktorfahrer nahe dem Rathaus einen Übergangsbereich einer Fußgängerampel mit ihren Fahrzeugen blockierten. „An dieser Stelle queren gerade auch um die Mittagszeit hunderte Schüler“, heißt es in einer Stellungnahme des Bürgermeisters. Scheck habe die Traktorfahrer aufgefordert, den Übergang freizumachen, da keine derartige Demonstration bei der Gemeinde genehmigt sei.
„Ich sehe viele Belastungen für die Landwirte in letzter Zeit“, erklärt Scheck, „aber auch die Bauern müssen sich an die Regeln halten, wie alle anderen.“ Die Blockade habe zu riskanten Ausweichmanövern geführt, bei denen Autofahrer die Gehwege und die Aufstellbereiche der Fußgängerampel zum Vorbeifahren nutzten.
Einer der Fahrer veröffentlichte anschließend ein Video auf WhatsApp, in dem er beschrieb, dass der Bürgermeister sie als „Klimakleber“ und mit „verpisst euch“ beschimpft hatte. Dies entspreche laut Scheck so nicht den Tatsachen. Er habe die „Einzelaktion“ zwar als illegal bezeichnet und mit Aktionen der Klimakleber verglichen, von „verpissen“ sei allerdings keine Rede gewesen.
Video sorgt für Aufruhr
Das Video hatte zur Folge, dass wenige Zeit später laut Bürgermeister rund 50 Landwirte mit ihren Traktoren zum Rathaus kamen und Scheck teilweise als „Bauernhasser“ und „Feind der Landwirte“ beschimpften. Im Gespräch mit den Demonstranten konnte sich die Situation allerdings friedlich klären lassen.
Generell seien die Proteste nach Matthäus Michlbauer, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes von Traunstein, positiv und ohne größere Zwischenfälle verlaufen. „Ich denke, wir haben eine breite Rückendeckung der Bevölkerung und kommen sympathisch rüber“, so Michlbauer. Durch die Pläne der Bundesregierung sieht er eine überproportionale Belastung der Landwirte im Vergleich zur restlichen Bevölkerung.