Große Solidarität mit Landwirten
Bauernproteste: Berchtesgadener Talkessel hält zusammen
„Jetzt glangt's“: Mit diesem Motto machen sich am Montag über 200 Teilnehmer auf den Bauern-Protestzug vom Königssee-Parkplatz nach Berchtesgaden und zurück. Schon am Startpunkt wird die große Solidarität mit den Landwirten deutlich - nicht nur wegen der vielen Zuschauer.
Schönau am Königssee/Berchtesgadener - Bob Marleys „Get Up, Stand Up“ ertönt aus einer Lautsprecher-Box, während ein Fahrzeug nach dem anderen kommt. Schon einige Minuten vor dem offiziellen Aufstellungszeitpunkt am Montagnachmittag um 13.30 Uhr wird es auf dem Königssee-Parkplatz in Schönau immer voller. Die Stimmung ist friedlich, es wird gelacht und gescherzt. Über hundert Zuschauer versammeln sich am Ausgang des Parkplatzes. Sie alle sind hier, um ihre Solidarität zu zeigen. Das wird auch bei den Teilnehmern des Demonstrationszuges deutlich.
Denn es sind nicht nur die Landwirte, die mit ihren Traktoren anrücken. Das wurde schon morgens bei den anderen Demonstrationszügen im Landkreis klar, an denen sich knapp 400 Teilnehmer beteiligten. Zu den dutzenden Handwerker-Firmen, mehreren Fuhrunternehmen und Spediteuren am Königsee gesellen sich unter anderem eine Bäckerei, Metzgerei, Brauerei, Physiotherapie-Praxis und eine Forellenräucherei. Sogar mehrere Bagger und eine Müllabfuhr fahren mit. „Wir müssen uns überraschen lassen“, sagte Versammlungsleiterin Julia Weindl noch vor dem Start. Mit 130 Fahrzeugen hatten sie und ihre Helfer gerechnet. Am Ende werden es deutlich mehr sein.
Das waren die Bauernproteste im Berchtesgadener Land




Eindeutige Statements
Als die Demonstrationsteilnehmer in Berchtesgaden ankommen, die Bahnhofstraße in Richtung Marktplatz hinauffahren und am Verkehrskreisel am Haus der Berge wieder kehrtmachen, will der Zug einfach nicht enden. Vor allem für die kleinen Zuschauer am Straßenrand gibt es einiges zu bestaunen. Und für die Großen gibt es viele eindeutige Statements, wie auf den Plakaten und Bannern der Fahrzeuge zu lesen ist. Am Nachmittag runden mehrere Redebeiträge - unter anderem von Landwirten, einem Metzger und Gastronom sowie von den Bürgermeistern aus dem Talkessel - den Protesttag ab.
Wenn man sich den heutigen Tag in Deutschland anschaut, dann ist das einmalig.
„Es ist wichtig, dass unsere Botschaft auch wirklich bis nach Berlin durchdringt und auch ernst genommen wird“, betont Weindl. „Wenn man sich den heutigen Tag in Deutschland anschaut, dann ist das einmalig. Ich denke, eine solche Mobilmachung hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben.“ Die 42-Jährige habe in den vergangenen Wochen und Monaten viele Gespräche geführt und dabei immer wieder festgestellt: Es brodelt in der Gesellschaft. „Die Bürger und Bürgerinnen sind einfach nicht zufrieden mit der Ampelregierung. Sie entfernt sich immer weiter von der Mehrheitsmeinung, sei es beim Gebäudeenergiegesetz, bei der Migrationspolitik oder bei klimapolitischen Fragen.“
Sparpläne bringen Fass zum Überlaufen
Das Fass zum Überlaufen brachten dann die Sparpläne, bei der laut Weindl die Landwirte zur Verantwortung gezogen werden für den verfassungswidrigen Haushalt der Regierung. Dabei betont sie, dass sich die Landwirte schon lange vieles gefallen lassen. „Die haben ein breites Kreuz, aber irgendwann geht es einfach nicht mehr. Und wir haben einfach gemerkt, dass es nicht nur die Landwirte sind, die aufbegehren, sondern flächendeckend die Branchen aus dem Mittelstand.“ Weindl hatte schon im Vorfeld geschildert, weshalb ihr die Landwirtschaft am Herzen liegt.
Ihr ist es wichtig zu betonen, dass man sich bereits im Vorfeld von politischen Strömungen abgrenzen wollte. „Wir arbeiten eng mit den Behörden zusammen und verwehren uns dagegen, dass unser Protest politisiert wird. Deswegen sind auch keinerlei politischen Fahnen oder Zeichen erlaubt. Wir wollen nicht von links oder rechts instrumentalisiert werden, davon grenzen wir uns ganz klar ab.“ Doch hier im Talkessel kenne jeder jeden, so die 42-Jährige. Dementsprechend würden Fremde auch schnell auffallen, des Platzes verwiesen und zur Not auch aus der Demonstration ausgeschlossen. „Heute steht der Mittelstand auf der Straße.“
Weitere Aktion geplant
Weindl und ihr Orgateam, bestehend aus circa 20 Helfern, arbeiten eigenen Angaben zufolge eng mit dem Bayerischen Bauernverband und dem LSV Oberbayern zusammen. Am Mittwoch ab 10 Uhr findet eine Sternfahrt nach Bad Reichenhall statt, um sich an der dortigen Demonstration zu beteiligen. Darüber hinaus soll es noch weitere Aktion geben: Ob diese wieder ein größeres Ausmaß annehmen oder eher in kleinerer Form stattfinden, sei noch offen und auch abhängig von der politischen Entwicklung.
Beeindruckt zeigte sich auch der Berchtesgadener Bürgermeister Franz Rasp, der sich zusammen mit anderen Amtskollegen aus dem Talkessel die Proteste live vor Ort anschaute. „In den vergangenen 15 Jahren gab es sicher nichts Vergleichbares. Die Solidarität im Talkessel ist sehr groß und dieser Protest wird auch von der Breite der Einwohner mitgetragen.“ Er habe keinerlei Beschwerden über die Verkehrsbehinderungen erhalten, alle sei nach seinem Wissensstand unfallfrei und reibungslos abgelaufen. Und ins linke oder rechte Politikspektrum sei die Demo auch nicht entglitten.
Bürgermeister Rasp: „Werden wieder alle über einen Kamm geschert“
Rasp: „Viele Menschen ist es sauer aufgestoßen, dass bei den Haushaltsplänen der Regierung zuerst die Landwirte mit Streichungen bedacht wurden. Das zeigt einfach die Geringschätzung gegenüber den Landwirten, die ohnehin schon in einem schwierigen Umfeld agieren.“ Und hier im Berchtesgadener Talkessel gebe es überwiegend kleine Bauernhöfe, viele davon im Nebenerwerb geführt. Die Sparmaßnahmen träfen diese Betriebe deutlich härter als die Großbetriebe, die es in anderen Teilen Deutschlands gibt. „Hier werden wieder alle über einen Kamm geschert. Dabei wird das Grundproblem bei den Demonstrationen und Diskussionen darüber meiner Meinung nach gar nicht richtig thematisiert: Die erschreckend niedrigen Erzeugerpreise und der viel zu geringe Stellenwert von regionalen Lebensmitteln in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern.“
