Heftige Szenen in Wasserburg
Streitlustiges Paar: 30 Mal muss die Polizei kommen – Warum sogar das Gericht die Streife ruft
30 Mal hat ein Paar mit lautstarken Streitigkeiten Polizei-Einsätze unter anderem in Wasserburg ausgelöst. Nun stand der Mann vor dem Schöffengericht Rosenheim. Auch hier spielten sich heftige Szenen ab. Über einen nicht alltäglichen Prozess, der sogar eine Polizeistreife auf den Plan rief.
Wasserburg – Aus dem kbo-Inn-Salzach-Klinikum, wo er derzeit eine Therapie im Maßregelvollzug erhält, wurde der 34-jährige Angeklagte beim Schöffengericht Rosenheim vorgeführt. Laut Anklage soll er seine Lebensgefährtin am 18. November des vergangenen Jahres gegen 23 Uhr in deren Wohnung in Wasserburg bedroht, verprügelt und mehrfach gewürgt haben.
Zunächst wollte er sich dazu nicht äußern, merkte aber an, dass sich die Situation anders abgespielt habe, als in der Anklage dargestellt. Erst auf Nachfragen der Vorsitzenden Richterin Isabella Hubert, man könne seine Sicht nicht beurteilen, wenn er nicht seine Version berichte, gab der Mann bruchstückhaft seine Erinnerung wieder. Demnach sei die Aggression von seiner Lebensgefährtin ausgegangen, die er vor Gericht als seine derzeitige Verlobte bezeichnete. Er habe sich letztlich nur zur Wehr gesetzt, zumal sie ihn mit einem Messer bedroht habe. Er habe aber dennoch nicht die Absicht, ihr zu schaden, geschweige denn, sie anzuzeigen.
Ungewöhnlicher Auftritt vor Gericht
Ungewöhnlich dann der Auftritt seiner Verlobten. Die 28-Jährige wurde von der Richterin darauf hingewiesen, dass sie als solche auch ein Aussageverweigerungsrecht habe. Diese wollte aber dennoch aussagen und begann damit, dass sie über ihre Krankheitsgeschichte berichtete. So leide sie nicht nur unter ADHS, Migräne, Depressionen und Angststörungen, sondern sei auch mit einer Fibromyalgie behaftet, was dazu führe, dass sie bei jedweder Aufregung heftige Schmerzschübe erleiden müsse. Deshalb würde sich auch erklären, dass sie an die Vorgänge dieser Nacht keine Erinnerung mehr habe. Fest stehe nur, dass der Angeklagte ein liebevoller Partner und Vater ihrer beiden gemeinsamen Kleinkinder sei.
Als sie dann aber Szenen, wenn auch nur ihren Partner entlastende, aus jener Nacht darstellte, platzte der Richterin sowie dem Staatsanwalt der Kragen. Beide erklärten ihr, dass sie unglaubwürdig und als Zeugin zur Wahrheit verpflichtet sei.
Unter Weinkrämpfen wollte sie dennoch nicht von ihrer Version abweichen, reagierte schreiend und fuchtelnd, bis Staatsanwalt Fiedler ihr androhte, sie einsperren zu lassen und zu diesem Zweck eine Polizeistreife einbestellte.
Polizei berichtet über viele Einsätze
Als schließlich auch ihr Partner auf sie einredete, dass sie ihn so nicht schützen könne und müsse, gab sie ihre Verweigerungshaltung auf. Sie fand zur Ruhe zurück und gab eine glaubwürdigere Schilderung jener Nacht ab. Wobei allerdings von einer Messerdrohung ihrerseits keine Rede war. Darauf angesprochen, wies sie eine solche Bedrohung weit von sich. Immer wieder versuchte sie aber zu erklären, dass der Angeklagte ein wertvoller Partner und Mensch sei, er müsse lediglich von seiner Alkohol- und Drogensucht loskommen. Aber dazu sei er im Inn-Salzach-Klinikum auf einem guten Weg. Auch sie selber sei um Hilfe bemüht und unterziehe sich ebenfalls einer Therapie.
Ein Polizeibeamter berichtete als Zeuge, dass dieses Paar an die 30 Male einen Polizeieinsatz verursacht habe, es zwölfmal zu Ermittlungen gekommen sei, diese aber jedes Mal im Sande verlaufen seien, weil die jeweiligen Anzeigen stets zurückgezogen worden seien.
Angeklater drogen- und alkoholabhängig
Der forensische Gutachter, Psychiater und Oberarzt des Inn-Salzach Klinikums, berichtete über die Krankengeschichte des Angeklagten, der drogen- und alkoholabhängig sei. Dabei überwiege aber inzwischen die Alkoholsucht. Der Proband sei ihm gut bekannt, weil er bereits mehrfach im Klinikum zu Entgiftung und Therapien aufgeschlagen sei. Auch zurzeit befinde er sich dort. Im Gegensatz zu früheren Aufenthalten zeige er sich erstmals tatsächlich glaubhaft willig, einen echten Therapieerfolg zu erzielen. Aus diesem Grunde empfahl er erneut den Maßregelvollzug anzuordnen, um diesen möglichen Erfolg nicht zu gefährden. Für den Tatzeitraum vermochte er eine eingeschränkte Schuldfähigkeit nicht auszuschließen.
In seinem Schlussvortrag verwies der Staatsanwalt auf die umfangreiche, auch einschlägige Vorstrafenliste. Auch bestritt er eine Notwehrsituation, wie sie der Angeklagte anführen wollte. Eine Strafrahmenverschiebung stellte er mit dem Gutachter fest, zumal der Angeklagte erheblich alkoholisiert gewesen sei. Dennoch beantragte er eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Eine weitere Therapie wollte er ihm aber nicht verweigern und beantragte die Therapie im weiteren Maßregelvollzug.
Partnerin ohne Strafverfolgungsinteresse
Die Verteidigerin, Rechtsanwältin Gabriele Sachse, stimmte dem Staatsanwalt insoweit zu, als es wohl keine Notwehrsituation gegeben habe. Die Erinnerung des Angeklagten spiele ihm da sicherlich einen Streich. Auch verwies sie darauf, dass es von Seiten seiner Partnerin keinerlei Strafverfolgungsinteresse gebe. Deshalb hielt sie eine Strafe von zwei Jahren und drei Monaten für ausreichend, ebenso wie die weitere Therapie im Strafregelvollzug.
Das Schöffengericht verurteilte ihn schließlich zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft und wollte ihm die Chance einer Therapie auch nicht verweigern.