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Ex-Leiter der Bremer Mordkommission und „Tatort“-Berater

Schrauben-Terror von Feldkirchen-Westerham: Was Top-Profiler Axel Petermann über den Fall denkt

Seit Jahren legt ein Unbekannter an den Abfahrten zum Feldkirchen-Westerhamer Weiler Weidach händeweise Spax-Schrauben aus. Zu möglichen Motiven hat sich auf Anfrage des OVB jetzt der deutschlandweit bekannte Kriminalist Axel Petermann geäußert.
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Seit Jahren legt ein Unbekannter an den Abfahrten zum Feldkirchen-Westerhamer Weiler Wertach händeweise Spax-Schrauben aus. Zu möglichen Motiven hat sich auf Anfrage des OVB jetzt der deutschlandweit bekannte Kriminalist Axel Petermann geäußert.

Die Wertacher beschreiben die Lage rund um den Schrauben-Terror zurzeit zwar als „ruhig“. Sie befinden sich aber dennoch in Habachtstellung. Unterdessen hat das OVB beim bekannten Kriminalisten Axel Petermann nachgefragt, was hinter den Taten stecken könnte.

Feldkirchen-Westerham – Schlägt er bald wieder zu? Oder hat er sich vielleicht doch komplett zurückgezogen? Die Wertacher, die seit Jahren damit konfrontiert sind, dass ein Unbekannter die Zufahrten zu ihrem Weiler mit Spax-Schrauben sabotiert, bleiben trotz der derzeitigen Ruhe in Habachtstellung. „Zu prüfen, ob dort Schrauben liegen, ist mittlerweile in eine Art Routine übergegangen“, sagt Kabarettist Stefan Kröll, der selbst im Feldkirchen-Westerhamer Ortsteil Wertach lebt und zu den Vorfällen eine Art Sprecherrolle der Dorfgemeinschaft übernommen hat. Kröll: „Was wir allerdings nicht machen ist, dass wir jetzt jeden Tag Angst haben, dass es wieder losgeht. Denn das macht keinen Spaß.“

Rund 80 Reifen hat der Unbekannte auf dem Gewissen

Mit Spaß hat das, was dort seit rund vier Jahren in unregelmäßigen Abständen immer wieder passiert, auch überhaupt nichts zu tun – sondern mit einem Eingriff in den Straßenverkehr, der lebensgefährlich sein kann. 2019 hatte der bislang unbekannte Täter erstmals auf den beiden von der Staatsstraße 2078 abgehenden Zufahrten nach Weidach händeweise kleine Spax-Schrauben verteilt, erst nach einem Bericht im OVB hatte der Spuk dann ein Ende. Rund 80 Reifen von Anwohnern waren den spitzen Hinterlassenschaften bis zu diesem Zeitpunkt zum Opfer gefallen.

Doch die Ruhe war nicht von Dauer. Anfang März 2023 hatten die Wertacher erneut haufenweise Schrauben – pro Fund waren es jeweils zwischen 30 und 60 Stück – an den Abzweigungen gefunden. Letztmals hatte der Täter bislang wohl am 25. März 2023 zugeschlagen. „Wir haben dort bislang keine Feststellungen mehr gehabt“, sagt Johann Brumbauer, Leiter der Polizeiinspektion Bad Aibling, auf Anfrage des OVB. Man habe bislang keine neuen Erkenntnisse zu den Vorfällen gewonnen, stünde aber im Austausch mit der Bevölkerung in Wertach.

Brumbauer verrät zwar auch. dass es in den vergangenen Wochen einen ähnlichen Vorfall gegeben habe. Der habe sich aber nicht auf die beiden Zufahrten nach Wertach bezogen. Wo das ganze stattgefunden hatte und was dort passiert war, dazu machte der Dienststellenleiter keine weiteren Angaben. Verkehrsteilnehmern, die dort an der Staatsstraße 2078 im Bereich Wertach unterwegs seien, riet der Polizeibeamte aber, „etwaige Schäden an Reifen unbedingt zu melden und zur Anzeige zu bringen“.

Denn die Ermittler, ebenso wie die Wertacher, hoffen natürlich, dass der Unbekannte doch noch überführt werden kann. Und dann auch klar wird, aus welchen Motiven heraus der Schraubenwerfer gehandelt hat. Eine verschmähte Liebe? Hass auf die dortigen Landwirte? Ein Streit bei einem Vereinsfest zwischen einem Wertacher und dem Unbekannten? Die Dorfgemeinschaft hatte sich über verschiedene denkbare Motive Gedanken gemacht – ohne dabei aber auf einen grünen Zweig zu kommen. „Nichts macht für uns irgendwie Sinn“, hatte es Kröll nach der erneuten Attacke im Frühling gegenüber dem OVB formuliert. Sicher war und ist sich der Kabarettist nur in einem Punkt: „Ein Wertacher ist es nicht.“

Eine Einschätzung, die der deutschlandweit bekannte Kriminalist und Fallanalytiker Axel Petermann (70) nicht teilen kann. Petermann war jahrelang Leiter der 1. Mordkomission der Kriminalpolizei Bremen, langjähriger Berater bei TV-Krimiproduktionen wie verschiedenen Tatort-Folgen und beschäftigt sich auch heute noch, beispielsweise für zahlreiche Dokumentationen, mit spektakulären Kriminalfällen. Auf Anfrage des OVB hat er auch eine kurze Einschätzung zum Schraubenwerfer von Feldkirchen-Westerham gewagt, auch wenn er natürlich sagt: „Aus dieser Entfernung und ohne Kenntnis der Örtlichkeiten ist es natürlich schwierig.“

„Vielleicht fahren ihm zu viele Auswärtige durch den Ort“

Dennoch hält er es für nicht ausgeschlossen, dass der Täter selbst aus dem kleinen Wertach Weiler, in dem rund 80 Menschen leben, stammt. Infrage kämen seiner Einschätzung nach Personen, die zwar „nicht direkt Querulanten“ seien, aber gerne sich über Dinge beschweren und aufregen würden. „Vielleicht fahren ihm zu viele Auswärtige durch den Ort, vielleicht ärgert er sich aber auch darüber, dass Verkehrsteilnehmer dort zu schnell unterwegs sind“, gibt der Fallanalytiker zu bedenken.

„Vollpfosten!“: Reifen-Opfer geht mit Schraubenwerfer hart ins Gericht

Manuela Faltermeier musste jüngst wegen eines Plattens an einem ihrer Autoreifen die Werkstatt ansteuern. Die Kolbermoorerin ist als Pflegekraft sechs Mal die Woche auf der Staatsstraße zwischen Kolbermoor und Feldkirchen-Westerham unterwegs. Kurz vor Pfingsten war es passiert. Eine Spax-Schraube steckte in einem Autoreifen der Pflegerin.

Sie ist sich sicher, dass es sich dabei um die Hinterlassenschaften des unbekannten Schraubenwerfers handelt. „Ich war damals genau in diesem Bereich unterwegs“, erinnert sich die Pflegerin. „Ich vermute mal, dass in den Grünstreifen einfach noch einige der Schrauben liegen, die nicht aufgesammelt worden sind, und dann – beispielsweise bei einem Windstoß wieder auf die Straße geweht werden.“ Bei der Schraube, die der Mechaniker dann im Reifen ihres Autos entdeckte, hatte sich nach Angaben von Faltermaier um das selbe Modell gehandelt, das die Wertacher immer von den Straßen geräumt hatten.

Wenigstens finanziell hatte sie noch Glück: „Die Werkstatt konnte den Reifen flicken“, erzählt sie gegenüber dem OVB. Ein neuer Reifen hätte sie nach eigenen Angaben rund 500 Euro gekostet. Wobei sich die Pflegerin aber noch nicht einmal wegen der Kosten so ärgert, sondern wegen der Auswirkungen, die derartige Taten haben könnten. „Dort sind viele Urlauber mit ihren Kindern unterwegs, zudem Feuerwehr und Krankenwagen im Einsatz“, sagt Faltermaier. „Wenn da bei voller Fahrt ein Reifen platzt, da möchte ich mir gar nicht ausmalen, was da passieren kann.“

Sie selbst hat aus ihrem Platten jedenfalls Konsequenzen gezogen und fährt mittlerweile über Vagen nach Feldkirchen-Westerham. Dass der Unbekannte seine Taten endgültig eingestellt hat, glaubt sie indes nicht. „Ich habe die Befürchtung, dass es rund um die Sommerferien wieder losgehen könnte“, vermutet die Kolbermoorerin, die den Schraubenwerfer unverblümt als „Vollpfosten“ bezeichnet.

Und selbst wenn der Unbekannte nicht in Wertach wohne – Petermann hält es auf jeden Fall für nicht unwahrscheinlich, dass er zumindest aus der Region komme. „Vielleicht ist es einfach jemand, der die mediale Aufmerksamkeit sucht, die er dadurch ja zwangsläufig bekommt“, sagt der 70-Jährige, der sich jahrzehntelang mit den Gedanken und Motiven von Gewalttätern aller Art beschäftigt hat. „Vielleicht hat er einfach eine Freude daran, wenn dann immer wieder der ADAC anrücken muss.“

Für Petermann keinesfalls gesichert ist hingegen die Vermutung, dass es sich bei dem unbekannten Schraubenwerfer wirklich nur um eine Person handelt. „Die Vorkommnisse sind ja sicherlich in der Region Stammtischgespräch, wo auch über Details gesprochen wird, beispielsweise darüber, dass es sich um kleine Spax-Schrauben handelt“, so Petermann. „Für einen Nachahmungstäter wäre es also ein Leichtes, die Vorgehensweise relativ genau zu kopieren.“

Wertacher trauen dem Frieden noch nicht

Gewissheit, was hinter den Attacken steckt, wird es allerdings erst geben, wenn der Täter gefasst ist – oder eventuell auch niemals, wenn der Unbekannte seine Attacken endgültig eingestellt haben sollte. Doch auch wenn die Wertacher derzeit zwar von einer „ruhigen Lage“ sprechen, trauen sie dem Frieden noch nicht. „Wir bleiben natürlich weiter aufmerksam“, sagt Kröll, der dennoch hofft, dass „bei dem Unbekannten vielleicht ein kleines bisschen Vernunft eingetreten ist und er die Chance zur Umkehr ergriffen hat“.

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