„Ich bin einfach froh, am Leben zu sein“
„Mein Mann ist mein Held“ - Wie Sabrina Döring aus Albaching den Kampf gegen den Krebs gewonnen hat
Sabrina Döring aus Albaching (41) hat den Krebs besiegt – zum zweiten Mal. Wie verzweifelt die zweifache Mama gegen die Leukämie gekämpft hat und wie es ihr und ihrer Familie heute geht.
Albaching – Auf die vergangene Zeit zurückzublicken, fällt Sabrina Döring immer noch schwer. Mehrmals kommen ihr die Tränen, wenn sie sich das Jahr vergegenwärtigt. Hinter ihr liegen kritische Monate, denn die Albachingerin ist im Herbst 2022 an Leukämie erkrankt – schon zum zweiten Mal.
Im Oktober 2014, kurz nach der Geburt ihres Sohnes Luis, erhielt sie erstmals die Schreckensnachricht. „Ich war müde und schlapp. Ich dachte, es liegt vielleicht an der Entbindung. Meine Mutter hat mich zum Arzt geschickt“, erinnert sie sich. Doch dann kam die Diagnose: Es ist Leukämie. „Ich rief sofort meinen Mann Ben an“, weiß die 41-Jährige noch gut.
Behandlung begann sofort
Die ganze Familie stand unter Schock, doch viel Zeit blieb den Angehörigen und Sabrina Döring nicht, die Nachricht erst einmal sacken zu lassen. Die Behandlung gegen den Blutkrebs begann sofort. Bestrahlung, Chemotherapie. Viele Wochen verbrachte die zweifache Mutter im Krankenhaus. „Mein Immunsystem war komplett heruntergefahren, deswegen durften meine Kinder mich nicht besuchen, weil die Ansteckungsgefahr so groß war. Meine Tochter Lea war damals drei Jahre alt, Luis vier Monate“, sagt sie und sofort kommen ihr die Tränen. „Das war die Hölle für mich, dass ich meine eigenen Kinder nicht sehen durfte, nicht umarmen, nichts“. Sie schluckt schwer. „Auch wenn ich nichts dafür konnte, habe ich rückblickend schon ein schlechtes Gewissen. Ich habe viel verpasst“.
Immer wieder musste Sabrina Döring ins Krankenhaus. Ein paar Wochen war sie zu Hause, ein paar Wochen blieb sie im Klinikum Rechts der Isar in München. Jahrelang hatte die Krankenschwester selbst im kbo-Isar-Amper-Klinikum in Haar gearbeitet, plötzlich war sie selbst die Patientin. Die Behandlung setzte ihr schwer zu. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, die Schleimhäute im Mund und in der Speiseröhre entzündeten sich schwer. Sie musste künstlich ernährt werden.
„Ich habe wie eine Verrückte gekämpft“
Doch die Tortur lohnte sich. Nach der Bestrahlung und Chemotherapie, die über ein Jahr dauerte, konnte die Albachingerin das Krankenhaus gesund verlassen. „Ich wusste immer: Das lasse ich mit mir nicht machen. Mit allem kämpfte ich gegen den Krebs“, erzählt sie. „Ich denke, dass die Psyche sehr viel ausmacht. Ich hatte auch schlechte Tage, an denen ich gedacht habe, ich kann nicht mehr. Aber im Großen und Ganzen habe ich versucht, positiv zu denken. Ich habe wie eine Verrückte gekämpft – für mich und meine Familie“. Ohne diese hätte sie es nie geschafft, ist die 41-Jährige überzeugt. „Mein Mann ist mein Held“, sagt sie und blickt liebevoll zu ihm hinüber. „Er hat alles gestemmt. Seine Arbeit, zwei kleine Kinder, den Haushalt und eine todkranke Frau im Krankenhaus. Ich weiß nicht, wie er es geschafft hat“, sagt sie sich schulterzuckend.
Für Ben Döring habe sich diese Frage nie gestellt, sagt er. „Ich konnte viel im Homeoffice arbeiten, das hat sehr geholfen. Mein Chef war sehr verständnisvoll, alle eigentlich“, erinnert er sich an die schwere Zeit. „Sabrinas Eltern und meine Mutter waren oft da, haben die Kinder genommen. Wir haben alle zusammengehalten. „So ging es irgendwie“, erzählt er. „Natürlich ist die Zeit, die man für sich selbst hat, auf null geschraubt“. Im Endeffekt sei es aber nur darum gegangen, dass Sabrina wieder gesund werde. Doch die Nachricht von der Krebserkrankung seiner Frau war auch für ihn „ein Schlag in die Fresse“, gibt der 44-Jährige zu.
So läuft die Typisierung ab
Wer sich typisieren lassen will, kann sich bei der DKMS online registrieren und ein Set bestellen. Das ist kostenfrei. Den Wangenabstrich kann jeder zu Hause selbst machen. Nachdem die eingeschickte Probe analysiert ist, wird sie in die Datei aufgenommen. Danach ist man als möglicher Spender weltweit registriert, erklärt die DKMS das Verfahren.
Und dann – nach über neun Jahren – gibt es die nächste Hiobsbotschaft für die Familie: Sabrina Döring erkrankt im Herbst vergangenen Jahres erneut an Leukämie. „Ich war fassungslos. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet“, sagt sie. „Mir ging es gut. Ich musste zum Arzt, weil sich durch die vorherige Behandlung Gelenk-Nekrosen bei mir gebildet hatten.“ Sie deutet auf ihren Ellbogen. „Dort habe ich schon eine Prothese, im Knie stand die nächste an“. Doch bei der Untersuchung stellen die Ärzte schnell fest: Der Krebs ist zurück.
Wieder blieb kaum Zeit, sich mit dem Gedanken zu befassen. Es ging direkt los: Sabrina Döring bekam eine Ganzkörperbestrahlung und Chemotherapie. „Es ist Fluch und Segen, zu wissen, was auf dich zukommt. Einerseits kannte ich das ganze Prozedere, andererseits wusste ich, wie schlimm es ist“, blickt sie zurück. Trotz der kräftezehrenden Behandlung blieb die erhoffte Genesung dieses Mal aus. „Es war schnell klar, dass die Behandlung nicht anschlug. Ich brauchte eine Spende“.
So fing im Dezember 2022 die Suche nach einem geeigneten Spender an. Eine zermürbende Zeit für die Familie, besonders für die Kinder. „Beim ersten Mal waren sie noch ganz klein, haben wenig mitbekommen. Aber jetzt ist Lea 13 und Luis ist neun Jahre alt. Das ist schon etwas anderes“, sagt die Albachingerin. „Besonders Lea hat sich große Sorgen gemacht. Ihr war einfach bewusst, was passieren hätte können. Luis ist eher in sich gekehrt. Hin und wieder fragt er mich, ‚Mama, gehts dir gut?‘“, erzählt sie. „Daran merke ich, dass er sich immer noch Gedanken macht“.
Deutschland ist Spitzenreiter
Im Jahr 2022 haben sich laut Jahresbericht der DKMS deutschlandweit 371.716 Personen als Stammzellenspender registrieren lassen. Davon haben 5.368 Menschen Stammzellen gespendet. Die Anzahl der Gesamtspender liegt bei über elf Millionen weltweit. Dabei ist Deutschland laut Jahresbericht Spitzenreiter mit über sieben Millionen registrierten Spendern. Polen hat über 1,8 Millionen angemeldete Bürger, die USA liegen bei rund 1,2 Millionen und Südafrika bei etwa 41.000 Personen.
Viele Typisierungsaktionen wurden auf die Beine gestellt, ganz Albaching schien der Familie beizustehen, sagt Ben Döring. Und dann der große Glücksfall für die 41-Jährige: Im März 2023 wurde ein Spender gefunden. „Ich war überwältigt. Ich kann es gar nicht in Worte fassen“. Bei dem Gedanken daran schießen ihr sofort wieder Tränen in die Augen. „Das war wahnsinnig.“ Das Unglaubliche: Es wurden sogar mehrere Spender gefunden, die für Sabrina Döring infrage gekommen wären. „Es gibt zehn Marker, die übereinstimmen müssen und bei einem Spender haben alle zehn gepasst. Das ist wirklich selten“, berichtet sie.
„Das war noch einmal eine harte Zeit“
Für den Empfang der Spende musste sie erneut vorbereitet werden. „Das war noch einmal eine harte Zeit“, weiß sie noch gut. „Das Immunsystem wird ganz heruntergefahren, damit mein Körper die neuen Zellen nicht abstößt. Ich war komplett isoliert. Auch heute muss ich noch gut aufpassen. Wenn ich unterwegs bin, trage ich immer eine Maske“, erklärt Sabrina Döring. Auch ihre eigene Blutgruppe hätte sich durch die Spende geändert. „Ich hatte A, jetzt habe ich 0. Genetisch gesehen bin ich wie ein Neugeborenes. Sämtliche Impfungen, wie gegen Mumps, Masern oder Röteln muss ich noch einmal machen“, erzählt sie.
Die fremden Zellen habe ihr Körper angenommen. Grundsätzlich gehe es ihr heute den Umständen entsprechend „ganz gut“. „Ich bin schnell erschöpft, leide unter dem sogenannten Fatigue-Syndrom. Putzen beispielsweise geht nur etappenweise“, erzählt sie. „Aber es gibt ganz andere Fälle. Ich bin einfach froh, am Leben zu sein“.
Ihren Retter kennt Sabrina Döring nicht. Die DKMS stellt den Kontakt zwischen Spender und Empfänger erst nach zwei Jahren her, wenn sich beide Seiten kennenlernen möchten. Alles, was die Albachingerin weiß, ist, dass es ein junger Mann war. „Ich bin ihm unendlich dankbar. Seinetwegen bin ich am Leben“, betont die 41-Jährige.
„Sich typisieren zu lassen, kann Leben retten“, appelliert sie. „Es ist wirklich überhaupt nichts dabei. Es wird ein Abstrich aus dem Mund genommen, fertig. Selbst wenn man als Spender überhaupt infrage kommt, reicht oft schon Blut aus. Es ist allgemeiner Irrglaube, dass Knochenmark entnommen werden muss. Das ist sogar eher selten“, sagt sie. „Durch die Spende werden jeden Tag Leben gerettet – so wie meins“.
So läuft die Stammzellenspende ab
Laut DKMS gibt es zwei verschiedene Methoden, Stammzellen zu spenden: die periphere Stammzellentnahme und die Knochenmark-Entnahme.
Die periphere Stammzellentnahme kommt derzeit mit circa 90 Prozent am häufigsten zum Einsatz, so die DKMS. Bei dieser Methode werden die Stammzellen über ein spezielles Verfahren (Apherese) aus dem Blut gewonnen – so geschehen bei Sabrina Dörings Spende. Diese Art der Entnahme dauert normalerweise drei bis höchstens fünf Stunden. In der Regel können die Spender die Klinik noch am selben Tag verlassen. Nur sehr selten wird ein zweiter ambulanter Entnahmetag notwendig, erklärt die DKMS.
Die Knochenmark-Entnahme kommt bei etwa zehn Prozent der Stammzellspenden zum Einsatz. Dabei wird den Spendern in einer Entnahmeklinik unter Vollnarkose circa ein Liter Knochenmark-Blut-Gemisch aus dem Beckenkamm entnommen. Das sind etwa fünf Prozent des Gesamtknochenmarks. Das Mark regeneriert sich innerhalb weniger Wochen. Zur Entnahme bleiben die Spender normalerweise für ein bis zwei Nächte im Krankenhaus, teilt die DKMS weiter mit.