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Trockenperioden und Dauerregen

So verhageln Wetterkapriolen die Erntebilanz im Kreis Rosenheim – Womit die Bauern zu kämpfen haben

Die Wetterkapriolen machen inzwischen allen Landwirten zu schaffen. Sorgen plagen auch die Milchviehbetriebe in der Region.
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Die Wetterkapriolen machen inzwischen allen Landwirten zu schaffen. Sorgen plagen auch die Milchviehbetriebe in der Region.

Viel zu nasses Frühjahr, Trockenperioden im Sommer, dazu Sturm und Hagel. Die Landwirte in der Region Rosenheim hatten heuer mit Wetterkapriolen zu kämpfen. Wie sich das auf die Erntebilanz ausgewirkt hat – und welche Probleme vor allem die Bio-Bauern haben.

Rosenheim - Ein einheitliches Fazit für die Region kann Kreisobmann Josef Andres vom Bayerischen Bauernverband (BBV) nicht ziehen, wenn er das Jahr aus Sicht der Landwirte Revue passieren lässt. „Wir hatten heuer extrem unterschiedliche Betroffenheiten. Die Betriebe im Norden des Landkreises blieben von Unwettern weitestgehend verschont, während beispielsweise Sturm und Hagel in den Bereichen Prutting, Bad Endorf, Bruckmühl und Götting schwere Schäden angerichtet haben“, weiß Andres.

Die Regenperiode im Frühjahr habe den Bauern allerdings gleichermaßen zu schaffen gemacht. Nur einige hätten die erste Mahd noch vor deren Einsetzen einbringen können. Der Mais sei teilweise gar nicht mehr richtig gereift. „Weil es so nass war, konnten die Bauern diese Frucht nicht selten erst Anfang Juni und damit sehr spät säen, weil sie vorher ihre Felder gar nicht bearbeiten konnten“, nennt Andres zwei weitere konkrete Folgen der Wetterkapriolen.

Wir haben im Spätsommer und im Herbst noch einiges aufholen können

BBV-Kreisobmann Josef Andres

Dennoch fällt das Fazit des Kreisobmanns nicht vernichtend aus. „Wir haben im Spätsommer und Herbst noch einiges aufholen können“, sagt Andres. Viele Betriebe hätten beispielsweise noch eine fünfte Mahd in die Scheune gebracht. Sie ist vor allem für die Kuhhalter wichtig, dient das Grünfutter im Winter doch als wichtige eiweißhaltige Nahrungsquelle für die Tiere. Je mehr davon vorhanden ist, desto weniger müssen die Landwirte andere Futtermittel dazukaufen, was sich positiv auf die Produktionskosten auswirkt.

Milchviehbetriebe prägen das Bild der Landwirtschaft in der Region. Hier: Landwirtschaftslehrling Georg Summerer aus Rohrdorf beim Melken einer Kuh auf dem Hof der Familie Kunert in Ellmosen bei Bad Aibling.

Genügend Obst für Apfelmarkt

Auch Kreisbäuerin Katharina Kern bereiten der Klimawandel und die damit verbundenen Extremwetterlagen Sorgen. „Es gibt immer mehr kleine Bereiche, in denen bei einem Unwetter alles kaputtgeht.“ Das nasskalte Frühjahr habe zur Folge, dass es im Inntal heuer fast keine Äpfel und Zwetschgen gebe. „Für den anstehenden Apfelmarkt in Bad Feilnbach kommt aber genügend Obst zusammen“, gibt ihre Stellvertreterin Maria Fischbacher Entwarnung. Die traditionelle Großveranstaltung findet heuer vom 5. bis 8. Oktober statt.

Die Böden sind gut durchnässt.

BBV-Kreisgeschäftsführer Josef Steingraber

Von „verregneten Ernten, die zu Problemen bei der Futterbevorratung führen“, weiß auch BBV-Kreisgeschäftsführer Josef Steingraber zu berichten. Dennoch: „Der Spätsommer und der Herbst haben das Frühjahr ausgeglichen.“ Steingraber hebt positiv hervor, dass den Sommer über immer wieder ein schöner Landregen gefallen sei. „Die Böden sind gut durchnässt. Das ist wichtig.“

Ein Umstand, der auch der Almwirtschaft gutgetan habe, versichert Katharina Kern. Die Kreisbäuerin betreibt selbst eine Alm, auf der heuer im Sommer rund 120 Stück Vieh standen.

67.700 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche

Den Blick auf die Erntebilanz nimmt der BBV-Kreisgeschäftsführer wieder einmal zum Anlass, der auch in der Region vernehmbaren Kritik an der „Vermaisung“ der Landschaft entgegenzutreten. In Stadt und Landkreis Rosenheim gebe es derzeit rund 67.700 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. 70 Prozent davon werde als Grünland bewirtschaftet. Von der verbleibenden Fläche werde 52 Prozent als Ackerland genutzt, das auch dem Maisanbau diene. 25 Prozent davon seien dem Getreideanbau vorbehalten.

Ein Maisfeld in der Region. Kreisgeschäftsführer Josef Steingraber vom Bayerischen Bauernverband spricht von einer „Wunderpflanze“.

Den Mais nennt Steingraber eine „Wunderpflanze, die zu Unrecht so häufig in der Kritik steht“. Er wachse in wenigen Monaten bis zu vier Meter hoch und binde in dieser Zeit mehr Co2 als ein Buchenwald. Außerdem benötige er nur sehr wenig Pflanzenschutz, was ebenfalls ein großer ökologischer Vorteil sei.

Milchpreis fällt seit Beginn des Jahres

Sorgenfalten treiben den Bauern die Entwicklungen auf dem Milch- und Fleischmarkt auf die Stirn. „Es ist traurig, dass unsere Produkte möglichst wenig kosten sollen“, klagt stellvertretende Kreisbäuerin Maria Fischbacher. Der Milchpreis sei seit Beginn des Jahres „stetig fallend“. Habe ein Landwirt für einen Liter konventionell erzeugter Milch im Dezember vergangenen Jahres noch 60,1 Cent erhalten, liege der Preis jetzt bei 45 Cent. Identisch ist die Entwicklung bei Biomilch. Hier fiel der Preis im gleichen Zeitraum von 63,4 auf 54 Cent.

Als nicht zufriedenstellend stuft Kreisobmann Josef Andres auch die aktuellen Fleischpreise ein. Bei der Vermarktung einer Kuh erhalte der Landwirt derzeit etwa 4,20 Euro netto pro Kilo Fleisch, bei Schweinen liege der Kilopreis bei etwa 2,20 Euro. „Wir haben keine Glaskugel und können die Entwicklung nicht vorhersagen“, betont Andres. Im Moment erwecke der Markt allerdings den Eindruck, als stabilisiere er sich ein wenig.

Der Biomarkt kommt ins Wanken

BBV-Kreisgeschäftsführer Josef Steingraber

Besonders hart betroffen sind die Biolandwirte, deren Anteil in der Region laut Bauernverband etwa 14 Prozent ausmacht. „Der Biomarkt kommt ins Wanken“, beobachtet der BBV-Kreisgeschäftsführer schon seit längerem. Der Kreisobmann wird da noch etwas deutlicher. „Ich kenne Betriebe, die von Biolandwirtschaft wieder auf konventionelle Produktion umgestellt haben. Wer auf Bio umsteigen wollte, der hat das vorerst aufgegeben.“

Die Folgen des Ukraine-Krieges, schwindende Nachfrage nach Bioprodukten im Handel, Preisdruck, eine Exportschwäche und die enorme Teuerung bei den Produktionskosten belasteten insbesondere die Biobauern, so Andres. „Der Markt für Bioprodukte ist im Moment einfach schlecht. Bei Biofleisch geht fast gar nichts mehr.“ Teilweise treffe das auch auf Biomilch zu.

Stellvertretende Kreisbäuerin Maria Fischbacher nennt einen wichtigen Grund für das veränderte Konsumverhalten der Leute. „Die schätzen Bioqualität durchaus, aber viele können sich die nicht mehr leisten und kaufen deshalb billigere Produkte.“ Eine Analyse, die der Kreisobmann teilt. „Die Leute wollen billig einkaufen. Deshalb ist auch der Preisdruck bei Milch und Butter so groß, die im Einzelhandel Lockprodukte sind..“

Rund 3000 Betriebe in der Region

Nach BBV-Zahlen gibt es in Stadt und Landkreis Rosenheim rund 3000 Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe, in denen 130.000 Rinder gehalten werden, von den 62.000 Milch geben. Wetterkapriolen und schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen werden von einer Sorge überlagert, die für die Bauern in der Region längst zu einem gemeinsamen großen Ärgernis geworden ist: die überbordende Bürokratie und ständig neue Vorschriften. „Wir sind total überfordert mit den vielen neuen Auflagen, die aus Brüssel kommen“, bekennt BBV-Kreisgeschäftsführer Josef Steingraber.

Das ist eine glatte Enteignung

BBV-Kreisobmann Josef Andres zur Flächenstilllegung

„Das ist eine glatte Enteignung“, schimpft beispielsweise Kreisobmann Josef Andres über eine neue Bestimmung, derzufolge Betriebe mit über zehn Hektar Ackerbaufläche ab 2024 vier Prozent des Areals für die Produktion stilllegen müssen. Die EU verspricht sich davon eine marktentlastende Wirkung beim Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln sowie einen positiven ökologischen Aspekt. Auch die BBV-Vertreter vor Ort laufen dagegen Sturm. „Millionen Menschen auf der Welt leiden Hunger, und wir sollen weniger produzieren. Das ist schon aus ethischen Gründen nicht nachvollziehbar“, so der Kreisobmann.

Das sogenannte Erosionsschutzkataster für den Ackerbau oder die Verpflichtung, eine Düngebilanz vorlegen zu müssen, sind nur zwei weitere Beispiele für Vorgaben, die den Landwirten die Zornesröte ins Gesicht treiben. Bei der Exportfreigabe für ukrainisches Getreide spiele der Düngenachweis hingegen überhaupt keine Rolle, macht Andres an einem Beispiel deutlich, warum die Bauern sauer sind.

Warum werden wir so gegängelt?

Kreisbäuerin Katharina Kern

„Warum werden wir so gegängelt? Wir haben doch in Deutschland die besten Standards“, hat Kreisbäuerin Katharina Kern kein Verständnis für die ständig neuen Vorgaben der EU. Kreisobmann Josef Andres fordert unmissverständlich ein Ende dieser Regelungswut. „Wir können unsere eigentliche Arbeit, die wir gelernt haben und die wir lieben, vor lauter sinnloser Bürokratie, die aus Brüssel kommt, bald nicht mehr machen.“

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