Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

„Liendl-Bauer“ Greiderer aus Kössen mag nicht mehr

„So nicht“: Tiroler Bio-Landwirt steigt aus – und erzeugt wieder konventionell

Peter Greiderer bei seinen Kühen im Stall. Der 65-Jährige war einer der ersten Bio-Bauern in Tirol, seit Jänner wirtschaftet er wieder konventionell.
+
Peter Greiderer bei seinen Kühen im Stall. Der 65-Jährige war einer der ersten Bio-Bauern in Tirol, seit Jänner wirtschaftet er wieder konventionell.

Nach fast 30 Jahren geht für Familie Greiderer die Bio-Ära zu Ende. Die Landwirte aus Kössen setzen wieder auf konventionelle Erzeugung. Nun spricht er über die Gründe.

Von Nicole Strozzi/TT

Kössen – Peter Greiderer und sein Sohn Thomas haben keine Lust mehr. Das Bio-Zertifikat an der Stalltür ihres „Liendl-Hofs“ haben die Landwirte aus Kössen am 1. Jänner abgeschraubt. Nach fast 30 Jahren kehrt der Familienbetrieb Bio den Rücken und setzt wieder auf konventionelle Erzeugung.

Richtlinien erschweren Arbeit

„Uns wird z. B. genau vorgeschrieben, wie oft und wie lange wir die Kühe auf die Weide treiben sollen“, erklärt der langjährige Obmann der Bio-Käserei Walchsee und ärgert sich: „Sie trauen uns Bauern nicht mehr zu, dass wir die eigenen Tiere kennen und wissen, was für sie das Beste ist.“ Die vielen Richtlinien würden zudem die Arbeit erschweren.

Ein Beispiel: Um Biodiversität zu gewährleisten, müssen alle Bauern 7 % ihrer Fläche zu einem späteren Zeitpunkt mähen. Die Schnittzeit ist vorgegeben. Bio-Bauern müssen zusätzlich bei jedem Feld, das größer als fünf Hektar ist, die 7 % später bearbeiten. „Wir haben vier Felder, die größer als fünf Hektar sind. Unsere Felder liegen weit auseinander, es wäre ein enormer Mehraufwand, für die 7 % die Maschinen noch einmal aufs Feld zu bringen“, betont der Landwirt. Konventionelle Bauern könnten hingegen die 7 % bei ihrer Fläche selbst auswählen, egal, wie groß die einzelnen Felder sind.

Wenn das Ganze einen finanziellen Sinn hätte, würden wir weitermachen, aber so nicht“, erklärt der Bio-Aussteiger.

Peter Greiderer (Landwirt)

Noch heuer wird der „Liendl-Bauer“ den Hof an seinen 27-jährigen Sohn übergeben. „Wir haben die Sache ausdiskutiert. Wenn das Ganze einen finanziellen Sinn hätte, würden wir weitermachen, aber so nicht“, erklärt der Bio-Aussteiger.

Dabei war Greiderer 1994 einer der ersten Tiroler Landwirte, die auf die biologische Landwirtschaft gesetzt haben. „Ich dachte mir, wenn wir der EU beitreten, müssen wir etwas tun, das die Größeren nicht machen können“, erzählt er. Die Öko-Idee war für ihn damals eine gute Möglichkeit, sich von anderen abzuheben. Dazumal sei Bio noch honoriert worden. „Ich hatte meine Abnehmer hauptsächlich in Deutschland. Bio-Produkte gab es nur in ausgewählten Geschäften, etwa im Reformhaus, die haben dafür gut bezahlt. Außerdem haben wir noch einen anderen Milchpreis gehabt. Das Gesamtpaket hat sich gelohnt“, so der Bio-Pionier.

Obwohl der Familienvater immer noch der Überzeugung ist, dass die biologische Ernährung Sinn macht, ist ihm, wie er sagt, „das Hemd näher als der Rock“. Man müsse schauen, dass der Betrieb läuft. Er vermutet, dass es vielen Tiroler Bauern genauso geht. Die meisten Landwirte brauchen heute ein zweites Standbein, um zu überleben.

„So macht Arbeiten keinen Spaß mehr“

Greiderer ist mit Leib und Seele Bauer, hat Zeit seines Lebens gearbeitet, „aber so macht Arbeiten keinen mehr Spaß mehr“, sagt er. Profitieren würde ohnehin nur der Handel, der entscheide, wie der Hase läuft, und viele Auflagen diktiere. „Der Handel will, dass möglichst viele Bio-Produkte da sind, um möglichst viel zu verkaufen“, erklärt der Unterländer. Nicht immer sei aber klar, woher die Öko-Ware kommt. Regionalität spiele speziell bei Bio-Eigenmarken nicht mehr die entscheidende Rolle.

In Zeiten der Teuerung würden die Leute zudem sparen. „In der Pandemie wurde viel Wert auf Ernährung gelegt, weil die Konsumenten das Geld nicht für andere Dinge ausgeben konnten“, glaubt Greiderer. Heute sei wieder alles beim Alten. „Ein Zurück gibt es für uns bei diesen Auflagen nicht“, betont der Landwirt. Viel ändern würde sich im Betrieb sowieso nicht. Tierwohl gehe auch ohne Bio, ist Greiderer überzeugt. „Wenn ich von einer Kuh leben will, muss ich sie pflegen, als wäre sie ein Familienmitglied.“ Sagt’s und geht zu seinen Tieren in den Stall.

5 Fragen an Christina Ritter (Obfrau Bio Austria Tirol)

Viele Gründe für den Ausstieg

2100 Bio-Betriebe gibt es in Tirol, 600 davon sind beim Verein Bio Austria Tirol. 200 Bio-Bauern haben mit Jahresbeginn 2023 das Handtuch geworfen, nur 60 sich neu für Bio entschieden, weiß Obfrau Christina Ritter.

1. Die Zahl der Tiroler Bio-Bauern ist mit Jahresbeginn um 140 geschrumpft. Warum haben so viele das Handtuch geworfen?

Da gibt es mehrere Gründe. Wenn ich z. B. als Bio-Bauer Fördermittel aus dem ÖPUL-Topf (Österreichisches Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft) beziehen möchte, ist der Aufwand hoch – die finanzielle Entschädigung jedoch gering. Dann hören wir oft von Mitgliedern, dass der bürokratische Aufwand riesig ist.

2. Spiegelt der Ausstieg von 140 Bio-Bauern auch eine gewisse Stimmung wider?

Das stimmt, die Stimmung ist derzeit gedämpft. Auch weil oft zu hören ist, dass sich „Bio“ keiner mehr leisten kann. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit: Denn im Zuge der Teuerungswelle ist der Preis-Sprung bei den konventionellen Produkten höher als der von biologischen. Bio bedeutet nicht automatisch immer teurer.

3. Können Sie ein Beispiel nennen?

Mein Mann und ich sind Bio-Bauern, beim Fleisch-Preis vom Rind sind wir gleich geblieben. Beim Hühnerfleisch bzw. Eiern mussten wir die Kosten aber erhöhen – das hat u. a. mit den gestiegenen Preisen für Körner-Futter zu tun. Und erst unlängst habe ich im Supermarkt-Regal eine Bio-Butter entdeckt, die billiger war als die konventionelle.

4. Jetzt hat Salzburg die meisten Bio-Bauern Österreichs, Tirol fast am wenigsten. Wa­rum?

Ein Beispiel: Im Bezirk Kufstein verarbeiten zahlreiche kleine Sennereien Bio-Milch, daher gibt es dort viele Bio-Bauern. Aber auch die Beratung in den Kammern ist wichtig.

5. Und die Konsumenten?

Es gibt die, die wollen billig kaufen. Und es gibt die, denen Bio-Lebensmittel wichtig sind. Laut Untersuchungen blieb der Umsatz im Biobereich aber trotz Teuerung konstant.

Das Interview führte Irene Rapp

Dieser Artikel wurde zur Verfügung gestellt von der Tiroler Tageszeitung.

Kommentare