RVO-Geschäftsführer zu Besuch
Bleiben die Fahrgäste auf der Strecke? Hitzige Diskussion über ÖPNV in Rosenheim
Der ÖPNV in Rosenheim steckt in der Krise. Ein Grund ist der Fahrermangel. Doch wie schlimm steht es wirklich um den Busverkehr? Und wo muss sich dringend etwas verbessern? RVO-Geschäftsführer Stefan Kühn liefert Antworten – und erntet dafür mehr als einmal heftige Kritik.
Rosenheim – Seinen Abend hatte sich Stefan Kühn sicherlich anders vorgestellt. Mit zahlreichen Zahlen und Hintergrundinformationen im Gepäck, besuchte der Geschäftsführer des Regionalverkehrs Oberbayern (RVO) am Dienstag (19. September) die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses.
Seit Februar sind 456 Fahrten ausgefallen
Er informierte über die Anzahl der Busse (26) und Fahrer (55), erzählte von den Dingen, die sich seit der Übernahme durch den RVO im November 2021 verbessert haben und zeigte auf, wie viele Ausfälle es bisher gegeben hat. „Seit dem Fahrplanwechsel im Februar 2023 wurden 456 von 59.640 Fahrten nicht gefahren“, erklärte Kühn. Damit liege man bei rund 99,24 Prozent. Hinzu kommt, dass seit Februar deutlich mehr Leistungen angeboten werden – und das trotz Fahrermangels.
Die Lage scheint also deutlich besser zu sein, als sie von Fahrgästen und Stadträten in den vergangenen Monaten wahrgenommen worden ist. Jedenfalls wenn man sich an den Zahlen und Ausführungen von Stefan Kühn orientiert. Doch genau dort liegt laut Grünen-Stadtrat Franz Opperer das Problem.
Schlechtere Taktung als vor Corona
Er erinnerte daran, dass seit Februar 2023 ein Ersatzfahrplan gilt, mit einer „schlechteren Taktung als vor Corona“. So fahren die Busse an den Samstagen nur noch stündlich. Die Linie 8 werde nicht bedient und an Stadtteilen wie der Kastenau komme nur sporadisch ein Bus vorbei. „Es stört mich, wie der RVO mit dem Krisenmanagement umgeht“, sagte Opperer. Es bringe nichts, die Zahlen zu beschönigen, stattdessen wünsche er sich Vorschläge, wie es gelingen könne, den ÖPNV wieder auf die richtige Spur zu bringen.
Zumindest was die Fahrgastinformation anging, stellte Stefan Kühn einige Lösungen vor. So gebe es die Idee, zeitnah Aushänge mit den wichtigsten Informationen für die Haltestellen zu entwerfen. Zudem laufen Überlegungen, die App „Wohin du willst“ nach Rosenheim zu holen. Dabei handelt es sich um eine Mobilitätsplattform, die den Fahrgästen nicht nur aufzeigt, wie sie zu ihrem Wunschziel gelangen, sondern auch über Verspätungen informiert.
CSU schlägt digitale Tafeln vor
Herbert Borrmann, Fraktionsvorsitzender der CSU, schlug zudem vor über digitale Tafeln nachzudenken. So könne es gelingen, mögliche Verspätungen oder Ausfälle zu kommunizieren. Statt auf die Dinge zu schauen, die im Moment noch nicht funktionieren, plädierte Borrmann dafür, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.
Doch so schnell wollte SPD-Fraktionsvorsitzender Abuzar Erdogan die Sache dann doch nicht auf sich beruhen lassen. Er stellte zahlreiche Fragen, bohrte immer wieder nach. „Sie sprechen von einem verbesserten Fahrplan, aber die Realität sieht anders aus“, sagte er an Stefan Kühn gewandt. Er erinnerte daran, dass der RVO einen siebenstelligen Betrag von der Stadt Rosenheim als Defizitausgleich erhalte. Heißt: Die Einnahmen durch die Ticketverkäufe reichen nicht aus, um die laufenden Ausgaben zu decken. Also muss die Stadt einspringen.
Kritik an Fahrgast-Kommunikation
Auch stört sich Erdogan – ähnlich wie Robert Multrus, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler/UP – an der Tatsache, dass die Kommunikation nicht funktioniere. So stehen Fahrgäste zum Teil an der Haltestelle und warteten vergeblich auf den Bus. „In München stellt man sich an die Haltestelle und weiß, dass man in 20 Minuten weg ist. In Rosenheim kann es sein, dass man übers Wochenende steht“, pflichtete ihm Opperer bei.
„Ich frage mich schon, ob es für die Stadt deshalb nicht interessanter wäre, die Lizenz neu auszuschreiben“, ergänzte Erdogan. Doch genau das scheint zumindest für Oberbürgermeister Andreas März (CSU) keine Option zu sein. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir es besser machen würden“, sagte er. Stefan Kühn erinnerte im gleichen Atemzug daran, dass der Übergangsfahrplan, der seit Februar gilt, von den Politikern beschlossen wurde. „Und genau diesen Fahrplan bedienen wir auch“, sagte der Geschäftsführer.
Es ist eine Aussage, die zumindest kurzfristig für Verwirrung sorgte. Denn von den anwesenden Politikern konnte sich niemand daran erinnern, den Übergangsfahrplan verabschiedet zu haben. „Die Information ist für mich neu“, sagte Borrmann. Der städtische Pressesprecher Christian Schwalm konnte einen Tag nach der Sitzung Licht ins Dunkel bringen: „Die Änderungen im Fahrplan wurden im Februar 2023 aufgrund des Fahrermangels notwendig“, erklärte er auf OVB-Anfrage. Informationen darüber lieferte Oliver Kirchner, Geschäftsführer der Rosenheimer Verkehrsgesellschaft, in der RoVG-Aufsichtsratssitzung am 27. Februar 2023. Eine Woche nachdem der Übergangsfahrplan in Kraft getreten ist.
Umsetzung des Nahverkehrsplans
In der kommenden Sitzung des Verkehrsausschusses soll das Thema erneut besprochen werden. Dann soll unter anderem auch ein umfangreicher Fragenkatalog der Freien Wähler/UP beantwortet werden. Zudem bekommen die Stadträte weitere Zahlen vorgelegt. „Wir sollten uns anschauen, was unsere Zielsetzung ist, wie die Situation vor der Pandemie war und wo wir heute stehen“, sagte Grünen-Stadtrat Opperer. Ziel müsse sein, die Qualität zu steigern und den Nahverkehrsplan umzusetzen.
In der Sitzung des Verkehrsausschusses soll dann auch über den Antrag der Grünen abgestimmt werden. Sie hatten die Verwaltung beauftragt, Maßnahmen zu ergreifen, um die aktuellen Ausfälle beim Stadtverkehr zu beheben und ein verlässliches ÖPNV-Angebot für Rosenheim zu schaffen. Die Priorität soll laut Antrag auf der Beförderung der Schüler liegen.
