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Bewegender Prozess am Amtsgericht Rosenheim

„Ich bring dich um“: Junger Mann (20) will Vater töten – und verwechselt ihn mit Polizisten

Ein junger Mann (20) aus dem Raum Rosenheim griff einen Polizisten mit einem Messer an, weil er ihn mit seinem Vater verwechselte - nun musste er sich vor Gericht verantworten.
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Ein junger Mann (20) aus dem Raum Rosenheim griff einen Polizisten mit einem Messer an, weil er ihn mit seinem Vater verwechselte - nun musste er sich vor Gericht verantworten.

Heftige Vorwürfe am Amtsgericht: Weil ein Mann (20) aus dem Raum Rosenheim mit einem Messer auf einen Polizisten losging und eigentlich seinen Vater töten wollte, musste er sich vor Gericht verantworten. Die „Strafe“ fiel dennoch milde aus – auch, weil eine bewegende Geschichte dahintersteckt.

Rosenheim – Straftat ist nicht gleich Straftat – das wurde kürzlich vor dem Jugendschöffengericht Rosenheim deutlich. Dort musste sich ein junger Mann (20) aus dem Raum Rosenheim wegen Widerstand und tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte, versuchter Körperverletzung, Bedrohung, vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und Besitz einer gefährlichen Waffe verantworten. Doch statt eines Straftäters mit enormem Aggressionspotenzial, fand sich auf der Anklagebank ein Mann, der Opfer seiner selbst war.

Rosenheimer Angeklagter will Polizisten umbringen

Laut medizinischem Gutachter wurden bei dem 20-Jährigen schon früh hochfunktioneller Autismus, ADHS, eine depressive Symptomatik und letztlich auch eine Entwicklungsstörung diagnostiziert. Die richtige Medikation sei entscheidend, erläuterte ein Gutachter während der Verhandlung. Im Tatzeitraum habe eine stark forcierte Medikamentenumstellung stattgefunden, um die Stimmung und den Antrieb zu verbessern. Allerdings hätten die Nebenwirkungen in Verbindung mit dem höheren Alkoholkonsum und den familiären Konflikten zu einer Antriebssteigerung geführt, die sich in wachsender Aggressivität gezeigt habe.

In Verbindung mit seinem Autismus habe der Angeklagte körperliche Nähe noch intensiver und brachialer erlebt, sagte der Gutachter. Bei den Straftaten sei er deshalb sicher in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt und im ersten Punkt der Anklage sogar schuldunfähig gewesen. Laut dieser hat der 20-Jährige im März vergangenen Jahres stark alkoholisiert seinen Vater angegriffen. Anschließend widersetzte er sich der Fixierung durch die gerufenen Polizeibeamten und sparte dabei auch nicht mit Beleidigungen. Zudem drohte er den Polizisten: „Ich bring dich um.“ Der Angeklagte wurde daraufhin vorübergehend im Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg untergebracht, wo ein Alkoholwert von 1,75 Promille festgestellt wurde.

Suizid-Versuch auf der Autobahn A8

Nach einem neuerlichen familiären Streit wenige Wochen später lief der Angeklagte am 28. April 2023 gegen 22.45 Uhr mit suizidaler Absicht auf der Autobahn A8 vor ein Fahrzeug, um sich töten zu lassen. In einem Telefonat hatte er das kurz vorher seiner Mutter mitgeteilt. „Plötzlich ist eine Silhouette an der Leitplanke aufgetaucht, dann ist eine Person mit ausgebreiteten Armen in die Fahrbahnmitte gelaufen und dort stehen geblieben“, sagte der Fahrer eines Pkw mit Anhänger vor Gericht aus. Er sei geschockt gewesen. Er habe gerade noch ausweichen können, „es haben nur wenige Zentimeter gefehlt“, berichtete der 29-jährige Autofahrer. Glücklicherweise sei nicht viel Verkehr gewesen und es sei nichts passiert.

Wie der 20-Jährige berichtete, habe er zunächst einen anderen Plan gehabt. Er habe sich die Pulsadern aufschneiden wollen und dann aber nach einer weniger schmerzvollen Variante gesucht. Deshalb habe er versucht, sich umfahren zu lassen. Nachdem dies aber nicht geklappt habe, habe er seinen Plan verworfen. Stattdessen habe er seinen Konflikt mit dem Vater weiterführen wollen, sagte der 20-jährige.

Hilfsangebote bei Suizidgedanken

Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, von Suizidgedanken betroffen sind, stehen Ihnen folgende Hilfsangebote zur Verfügung:

Telefonseelsorge: Kostenfrei und anonym unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 erreichbar.

Online-Beratung: Chat- und E-Mail-Beratung unter www.telefonseelsorge.de.

Beratungsstellen vor Ort: Suchen Sie nach lokalen Beratungsstellen oder psychologischen Praxen in Ihrer Nähe.

Kriseninterventionszentren: Sofortige Hilfe in Notfällen. Informieren Sie sich über die Adressen und Telefonnummern der nächstgelegenen Einrichtungen.

Notruf: In akuten Notfällen zögern Sie nicht, die 112 zu wählen.

Angriff mit Klinge in der Hand

Laut Anklage stürmte er nach dem missglückten Suizidversuch mit einem Messer mit einer Klingenlänge von neun Zentimetern an einem in der Auffahrt stehenden Polizeibeamten vorbei, um sich auf einen bereits in der Eingangstür stehenden Polizisten zu stürzen. Dabei hielt er das Messer in der ausgestreckten Hand etwa auf Bauchhöhe. Als der Beamte zurückwich, „ist der Angeschuldigte schnellen Schrittes auf mich zugelaufen und ich habe mir nicht anders zu helfen gewusst, als einen Warnschuss abzugeben“, sagte der Beamte. Er sei eigentlich nur wegen der ursprünglichen Suchaktion nach dem angekündigten Suizidversuch beim Anwesen der Eltern war.

Die Situation sei dort sehr angespannt gewesen. „Er wollte seinen Vater umbringen und hat mich verwechselt“, sagte der Polizist. Erst als er mit der Schusswaffe auf den Mann gezielt und ihn angeschrien habe, dass er das Messer weglegen solle, habe der Angeschuldigte reagiert und sich anschließend widerstandslos festnehmen lassen.

20-Jähriger verwechselt wohl Polizisten mit dem Vater

In der Dunkelheit habe er den Polizeibeamten für seinen Vater gehalten, bestätigte der Angeklagte und räumte auch diesen Anklagepunkt ein. Genauso wie einen weiteren Tatvorwurf. Im Oktober 2023 war er nämlich ein weiteres Mal unberechtigter Weise, mit einem Butterflymesser angetroffen worden. Bedroht wurde damals niemand. „Ich mag Messer“, begründete der 20-Jährige das Tragen in der Öffentlichkeit. Die Jugendgerichtshilfe wies auf die schizoide Persönlichkeitsstörung des Angeschuldigten hin. Soziale Interaktion stelle für ihn eine große Herausforderung dar. Seit einer Medikamentenumstellung, psychotherapeutischer Maßnahmen und der Einbindung in eine Integrationshilfe habe sich die Zukunftsperspektive und auch das Verhältnis zum Vater deutlich verbessert.

Nach der Beweisaufnahme waren sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidiger einig, dass es hier keine drakonischen Strafen brauche. Der Angeschuldigte sei geständig, einsichtig und habe ein optimales Nachtatverhalten an den Tag gelegt. Es sei keine Schwere der Schuld oder schädliche Neigungen erkennbar und mit der Anbindung an die Integrationshilfe, die noch mindestens ein Jahr dauern soll, sei eine positive Sozialprognose anzunehmen, hieß es in der Urteilsbegründung von Richter Marco Bühl. Eine Geldauflage von 750 Euro soll eine spürbare Ahndung sein. Zudem gab es vom Richter noch die Empfehlung: „Lassen Sie von Messern die Finger“.

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