Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Zunahme politisch motivierter Kriminalität

Rassismus und Angriff auf AfD-Büro: Warum politische Angriffe in der Region immer mehr werden

Die politisch motivierte Kriminalität nimmt zu – auch in der Region. Woran das liegen könnte, erklärt Demokratieforscher Florian Wenzel aus Halfing.
+
Die politisch motivierte Kriminalität nimmt zu – auch in der Region. Woran das liegen könnte, erklärt Demokratieforscher Florian Wenzel aus Halfing.

Attacken auf das AfD-Büro, ein Hitlergruß und Anti-Israel-Schmierereien: Politisch motivierte Kriminalität gibt es auch in der Region. Und es wird immer mehr. Mit welchen Taten sich die Behörden beschäftigen und woran die steigende Zahl liegen könnte.

Rosenheim/Mühldorf „Die Innere Sicherheit und damit unser friedliches Zusammenleben in unserem Land werden in einem bisher nicht bekannten Ausmaß auf den Prüfstand gestellt“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zum Verfassungsschutzbericht 2024. Und es sind verschiedenste Bereiche, die den Verfassungsschutz beschäftigen. Darunter Linksextremismus, Rechtsextremismus und auslandsbezogener Extremismus. Was sowohl aus dem Verfassungsschutzbericht als auch aus dem Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd hervorgeht: Die Taten von politisch motivierter Kriminalität werden immer mehr.

Vor der Bundestagswahl: Deutlich mehr Fälle politisch motivierter Kriminalität

Dass sich in unserer Gesellschaft etwas verändert, merkt auch Demokratieforscher und Politik-Experte Florian Wenzel aus Halfing. „Grundsätzlich würde ich sagen, dass wir auch mit den globalen Entwicklungen immer weiter in einer entsolidarisierten Gesellschaft leben, in der der Anspruch auf die eigene Freiheit missverstanden wird als Anspruch, dass die eigene Perspektive sofort und ohne Beschränkungen durchzusetzen sei“, sagt Wenzel. „Alles, was das behindert, wird als Einschränkung verstanden, die auch zu verschiedenen Formen von Gewalt legitimiert.“ Darin würden sich Links- und Rechtsextremismus nicht unterscheiden.

Besonders im Zusammenhang mit der Bundestagswahl im Februar stieg die Zahl der Beleidigungs- und Sachbeschädigungsdelikte in diesem Bereich. Insgesamt wurden 708 Fälle von politisch motivierter Kriminalität im Bereich Oberbayern Süd verzeichnet. Das waren knapp acht Prozent mehr als noch im Vorjahr. Die Ursache dafür sieht Wenzel unter anderem darin, dass viele Menschen – und auch manche Politiker – Wahlen missverstehen. Und zwar als Anspruch, dass die eigene individuelle Perspektive zu hundert Prozent durchgesetzt werden möge.

Politikexperte Florian Wenzel aus Halfing.

„Der Wert von Kompromissen, Rücksichtnahme auf andere Perspektiven und die Anstrengung des gesellschaftlichen Ausgleichs wollen viele nicht akzeptieren“, sagt Wenzel. „Dadurch entsteht eine gewisse Unerbittlichkeit, die natürlich gerade vor Wahlen dazu führt, dass immer wieder die Illusion geschürt wird, nach einer Wahl müsse ‚alles anders‘ werden – gerade das ist aber nicht Kennzeichen einer Demokratie, sondern einer Autokratie.“ Besonders an den Koalitionsverhandlungen habe man gesehen, dass Demokratie anstrengend und immer wieder unbefriedigend sei.

Farb-Attacke auf AfD-Büro in Rosenheim

Doch nun zu den konkreten Fällen: In Rosenheim kann unter dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität links unter anderem eine Sachbeschädigung am AfD-Bürgerbüro in Rosenheim aufgelistet werden. Am 5. August 2024 wurden mit Farbe befüllte Christbaumkugeln gegen die Fassade geworfen. Sachbeschädigungen dieser Art seien „nicht hilfreich, um den demokratischen Diskurs aufrechtzuerhalten“, betont Wenzel. Allerdings dürfe man auch nicht außer Acht lassen, dass die AfD zwar demokratisch gewählt, aber in weiten Teilen rechtsextremistisch eingeordnet sei und sie die Mechanismen parlamentarischer Demokratie nutzen möchte, um ebendiese Demokratie vor allem hinsichtlich ihrer Gewaltenteilung abzuschaffen.

Schon mehrmals wurde die AfD-Büro-Fassade in Rosenheim angegriffen.

Wenzel macht deutlich: „Angriffe sind immer zu verurteilen, doch gerade die AfD hat das Ausmaß menschenverachtender Rhetorik und damit auch psychischer Gewalt gegenüber Schwächeren in den vergangenen Jahren derart intensiviert, dass sie selbst als größte Gefahr für ein demokratisches und friedliches gesellschaftliches Miteinander zu sehen ist.“

Hitlergruß gegen Dunkelhäutigen in Mühldorf: Sinkt die Hemmschwelle?

Doch auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums gab es Taten. So in Mühldorf, als ein 45-Jähriger einem dunkelhäutigen Mann, der mit dem Fahrrad vorbeifuhr, den Hitlergruß zeigte. Außerdem bedrohte er ihn und seine Begleitung mit einer Luftdruckpistole, um ihnen Angst einzuflößen.

Politisch motivierte Kriminalität in der Region im Jahr 2024.

Taten wie diese lassen vermuten, dass die Hemmschwelle für die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen gesunken ist. Doch ist das wirklich so? „Wenn der einzelne Mensch nicht mehr als Mensch, sondern nur noch als Repräsentant einer bestimmten Gruppe gesehen wird, sinkt die Hemmschwelle“, sagt Wenzel. „Der in den vergangenen Jahren deutlich nach rechts verschobene Diskurs zu Migration, der Migration als die ‚Mutter aller Probleme‘ (Horst Seehofer) betrachtet, verleitet natürlich schon zu einem gewissen Sündenbockdenken gegenüber gesellschaftlich Schwächeren, die in ihrem individuellen Menschsein und Schicksal gar nicht mehr wahrgenommen werden.“

„Fuck Israel“, „Free Palestine“: Auch internationale Politik im Fokus

Doch nicht nur die deutsche Politik sorgt in der Region für Fälle, mit denen sich die Polizei beschäftigt. Am 5. Oktober 2024 wurde durch eine unbekannte Täterschaft die Hausfassade in der Lessingstraße 57, in Rosenheim mit roter Farbe mit den Worten „Free Palestine“ und „Fuck Israel“ beschmiert. „Hier sollte ohne falsche Scheuklappen klar benannt werden, dass natürlich gerade auch migrantische Aktivisten mit einer ganz anderen biografischen Erfahrung als in Deutschland Geborene aus Sicht der deutschen Mehrheitsgesellschaft Grenzen überschreiten“, sagt Wenzel zu diesem Fall. „Was in internationalen Kontexten kontrovers diskutiert wird, ist in Deutschland aufgrund unserer historischen Belastung eine rote Linie.“

Um diesem Problem zu begegnen, brauche es Orte, an denen vermittelt werden kann, welche Rolle und Verantwortung Deutschland in diesen internationalen Konflikten übernehmen möchte. 

Kommentare