Nach Entscheidung des Kultusministeriums
„Wir sind schockiert“: Eltern kritisieren Wegfall einer ersten Klasse in Fürstätt
Nur eine Woche nach dem Schulstart in Rosenheim gibt es die erste Kritik. Der Grund: An der Grundschule in Fürstätt wurde eine komplette erste Klasse gestrichen. Der Elternbeirat hat daraufhin einen Brief an Kultusminister Michael Piazolo verfasst. Doch die Antwort ernüchtert.
Rosenheim – Die Besorgnis bei den Mitgliedern des Elternbeirats der Grundschule Fürstätt ist groß. Und dabei fing alles so gut an. Am Dienstag, 12. September, wurden die Kinder in vier Klassen eingeschult. Keine Klasse hatte mehr als 20 Kinder. Eltern und Lehrer waren zufrieden. So jedenfalls schildert es Benedikt Jancso, Vorsitzender des Elternbeirats an der Grundschule Fürstätt.
„Leider war die Freude nur von kurzer Dauer“, sagt Jancso. Denn nur einen Tag später wurden die Eltern darüber informiert, dass eine komplette Klasse gestrichen werden soll. Mittlerweile wurden die Schüler der Klasse 1a auf die anderen drei Klassen aufgeteilt. Für Jansco und die anderen Mitglieder des Elternbeirats ein Unding.
Migrationshintergrund bei über 50 Prozent
„Für unsere Kinder bedeutet das eine hohe emotionale Belastung“, sagt Ricarda Näther. Die Reduzierung der Klassen sei ein verheerendes Zeichen an die Öffentlichkeit, Eltern, Lehrer und Schüler. „Wenn über Klassengrößen geredet wird, muss auch berücksichtigt werden wie die Klassengrößen an den Brennpunktschulen aussehen“, fährt die Mutter fort. Denn an der Grundschule in Fürstätt liege der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund bei über 50 Prozent. Nur durch kleine Klassen könne es gelingen, Bildung und Integration hoch zu halten.
Doch genau das sehen die Eltern an der Grundschule Fürstätt jetzt in Gefahr. Aus diesem Grund haben sie einen Brief verfasst – adressiert an Kultusminister Dr. Michael Piazolo, Staatssekretärin Anna Scholz, Schulamtsdirektor Markus Kinzelmann, Oberbürgermeister Andreas März sowie Schulleiter Kai Hunklinger. Ihr Hauptanliegen: die Beibehaltung der Klassenaufteilung.
86 Anmeldungen für die ersten Klassen
„Zum Ende des vergangenen Schuljahres standen wir in Fürstätt bei 86 Anmeldungen für die ersten Klassen. Dies lag knapp über der Teilungsgrenze von 85 Schülern für vier Klassen“, erklärt Schulleiter Kai Hunklinger. Während der Ferien seien jedoch einige Schüler umgezogen, dadurch lag die Zahl der Schüler am ersten Schultag bei 78. „Der gewohnte Ansturm neuer Schüler in der letzten Ferienwoche blieb heuer unerwartet aus. Damit bekommen wir nur drei Klassen genehmigt“, sagt Hunklinger.
Denn die Bildung einer vierten Klasse ist erst ab 85 Schülern möglich. Das bestätigt Schulamtsdirektorin Angelika Elsner. „Die Zusammenlegung dient damit auch dem Ziel einer möglichst vergleichbaren Versorgung aller Schulen in Stadt und Landkreis Rosenheim“, sagt sie. Dabei sei grundsätzlich auf die Gleichbehandlung aller bayerischen Grundschüler zu achten. „Wenn die Kriterien für eine Teilung nicht vorliegen, können nicht einzelne Klassen bevorzugt werden“, sagt Elsner.
Verständnis für Wut der Eltern
Es sind Aussagen, die Ministerialrätin Dr. Gisela Stückl unterstreicht. Sie arbeitet im Kultusministerium und kümmert sich um die Angelegenheiten der Grund- und Mittelschulen. Aus diesem Grund ist sie es, die sich in einem Schreiben an die Mitglieder des Elternbeirats der Grundschule Fürstätt gewendet hat. Auch dieser Brief liegt unserer Redaktion vor. „Ich kann gut nachvollziehen, dass Sie sich als Eltern möglichst kleine Klassen für ihre Kinder wünschen“, schreibt Stückl.
Gleichzeitig erinnert sie aber auch an die Richtlinien zur Klassenbildung, die vom Staatsministerium festgelegt worden. „Demnach liegt im Schuljahr 2023/2024 in allen Klassen der Jahrgangsstufen 1 bis 4 die maximale Schülerzahl bei 28“, teilt die Ministerialrätin mit. Weil an der Grundschule Fürstätt von den geplanten 86 Schülern lediglich 78 eingeschult wurden sind, fällt eine Klasse weg. „Vor dem Hintergrund dieser neuen Ausgangslage werden insgesamt drei Klassen mit jeweils 26 Schülern eingerichtet“, erklärt Gisela Stückl in dem Schreiben.
Unterstützende Regel für erste Klasse
Nachvollziehen kann Lydia T. diese Entscheidung nicht. Sie erinnert daran, dass im September 2022 festgelegt wurde, dass die Schülerzahl auf 25 begrenzt werden soll, wenn der Migrationsanteil in einer Klasse höher als 50 Prozent ist. Genau das sei an der Grundschule in Fürstätt der Fall, dieses Detail scheint aber keine Beachtung zu finden. „Für uns ist schwer nachvollziehbar, warum diese wichtige, die Bildung so unterstützende Regelung für die erste Jahrgangsstufe nicht mehr zur Anwendung kommen soll“, pflichten ihr die anderen Eltern in ihrem Schreiben bei.
Auch darauf hat Schulamtsdirektorin Angelika Elsner eine Antwort. So würden die „Migrationsteilungen“ nicht zwangsläufig bedeuten, dass Klassenteilungen vorgenommen werden. „Stattdessen werden in Fällen mit geringer Überschreitung innerhalb der betroffenen Jahrgangsstufe im Schuljahr 2023/24 zusätzliche Teilungen in einzelnen Fächern eingerichtet“, erklärt Elsner. Und genau das werde auch in den ersten Klassen an der Grundschule in Fürstätt umgesetzt.
Zusatzstunden vom Schulamt genehmigt
Das bestätigt Ministerialrätin Dr. Gisela Stückl. So erhält die Schule sechs zusätzliche Lehrer- und Unterrichtsstunden. Damit können ihr zufolge nicht nur zeitweise Teilungen in der Jahrgangsstufe ermöglicht, sondern auch Sprachförderangebote zur Verfügung gestellt werden. „Ich bin sehr dankbar, dass uns einige Zusatzstunden dank des Einsatzes des Schulamtes nachträglich noch genehmigt wurden“, sagt Schulleiter Kai Hunklinger. Denn eigentlich hätten die Anträge dafür bereits im Mai gestellt werden müssen. Damals sei man in Fürstätt aber noch davon ausgegangen, vier erste Klassen bilden zu können.
„Natürlich wären mir trotz aller Zusatzstunden kleine Klassen wesentlich lieber“, ergänzt Hunklinger. So macht es in seinen Augen durchaus einen Unterschied, ob eine Lehrkraft 19 oder 27 Kinder in der Klasse unterrichtet. „Dazu kommt, dass die pädagogischen Anforderungen an die Lehrer in den vergangenen zehn Jahren enorm gestiegen sind“, sagt er. Nicht außer Acht gelassen werden dürfe, dass der Auftrag zur Inklusion bei steigender Klassenstärke „nicht gerade leichter falle“. Zudem würden auch Schüler immer mehr an ihre Belastungsgrenze kommen.
Scharfe Kritik von OB März
Kritik an der Situation äußert auch Oberbürgermeister Andreas März (CSU). „Die Heterogenität der Schulanfänger in unserer Stadt nimmt immer mehr zu und stellt unsere Grundschulen vor enorme Herausforderungen“, sagt er auf OVB-Anfrage. Er habe daher kein Verständnis dafür, wenn Klassen trotz eines Anteils von Kindern mit Migrationshintergrund von über 50 Prozent und insgesamt mehr als 25 Schülern nicht mehr geteilt werden. „Ich habe mich mit dieser Thematik bereits in der vergangenen Woche an Ministerpräsident Söder gewandt und gebeten, diese Entscheidung zu prüfen“, erklärt März. Letztendlich obliege die Zuständigkeit jedoch dem bayerischen Kultusministerium und dem Staatlichen Schulamt.
Fokus liegt auf dem nächsten Jahr
Daran, dass sich an der Situation an der Grundschule Fürstätt in diesem Schuljahr noch einmal etwas ändert, glaubt Benedikt Jancso nicht. „Das Thema bleibt trotzdem wichtig. Auch mit Blick auf nächstes Jahr“, sagt der Vorsitzende des Elternbeirats.