„Wichtiger denn je“
Braucht es ein säkulares Schulgebet? Landesverein fordert „Verfassungsandacht“ in Schulen
Bis weit in die 1980er-Jahre gab es in Bayern ein Schulgebet, das heute zumeist nur noch an konfessionellen Schulen üblich ist. Nun spricht sich der Landesverein für Heimatpflege für säkulare Besinnungsminuten zum Unterrichtsbeginn aus – um das „Verständnis für Demokratie“ zu fördern.
München – Heißt es zum Unterrichtsanfang an den bayerischen Schulen statt „Lieber Gott, wir danken dir“ künftig „Bayern ist ein Freistaat“ und „Die Landesfarben sind Weiß und Blau“? Der Landesverein für Heimatpflege plädiert zum Schulstart für ein morgendliches Ritual zur Bayerischen Verfassung und zum Grundgesetz. „Es geht darum, dass die jungen Menschen sehr früh lernen, was unsere Grundlagen für Freiheit und Demokratie sind“, sagte der Geschäftsführer Rudolf Neumaier am Montag in München. „Die Verfassung ist ein großartiger Text, der beherzigt werden muss, wenn das allgemein abnehmende Verständnis für Demokratie gefestigt oder gefördert werden soll.“
Die Idee für eine regelmäßige kurze „Verfassungszeit“ oder „Verfassungsandacht“ zu Schulbeginn sei ihm gekommen, als er an seine eigene Schulzeit gedacht habe. Bis weit in die 1980er-Jahre gab es in Bayern ein Schulgebet, das heute zumeist nur noch an konfessionellen Schulen üblich ist. Die Heimatpfleger schlagen einen Impuls ab der vierten Klasse mindestens einmal die Woche vor, anstelle des früher üblichen Morgengebets. „Wenn Kirchen immer mehr an Bedeutung verlieren, brauchen wir säkulare Konzepte, um den Menschen die grundlegenden Vorgaben für ein friedliches Zusammenleben in Freiheit zu vermitteln“, erklärt Neumaier.
„Die Verfassung zu vermitteln, wäre aus meiner Sicht gescheiter“
Mit dem bayerischen Kultusministerium und dem Verfassungsverein „Bayerische Einigung“ ist der Vorstoß nicht abgesprochen. Er werde im Vorstand besprechen, ob eine Petition sinnvoll wäre, meint Neumaier. Wenn es nach ihm ginge, würden Lehrkräfte oder Schülerinnen und Schüler eine ausgewählte Stelle aus der Verfassung vortragen. Anschließend könne ein paar Minuten darüber diskutiert oder nachgedacht werden.
Dem Beispiel anderer Länder, morgens vor der Flagge die Nationalhymne zu singen, sollte nach Meinung des Vereins nicht gefolgt werden. „Die Verfassung zu vermitteln, wäre aus meiner Sicht gescheiter“, sagte der Vorsitzende Olaf Heinrich. Die Schule sei der geeignete Ort, Kindern und Jugendlichen früh den Wert von Demokratie näherzubringen. „Verantwortung und das Bewusstsein für diese Verantwortung, auch Gemeinsinn kann man lernen. Es wird angesichts der vielen negativen Einflüsse von Anti-Demokraten wichtiger denn je.“
Die letzte Initiative zur Wiedereinführung von Schulgebeten liegt übrigens schon fast 20 Jahre zurück. Initiator im Jahr 2004 war – man ahnt es fast – ein gewisser CSU-Generalsekretär Markus Söder, der erklärte, statt Kopftücher gehörten an die Schulen Kruzifixe und Schulgebete. Die katholische Kirche in Bayern wies den Vorstoß damals als populistisch zurück.